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Nancy Fraser ist US-amerikanische Feministin und Sozialistin. In ihren Überlegungen lässt sie sich auch von Überlegungen aus der älteren Kritischen Theorie, von Jürgen Habermas oder Michel Foucault anregen. Ein zentrales Thema ihrer theoretischen Arbeit ist das der Öffentlichkeit. Mit diesem Begriff will sie zu einem erweiterten und erneuerten Verständnis des Sozialismus beitragen. In der Neuen Linken und der zweiten Frauenbewegung galt es, das scheinbar Private zu politisieren und öffentlich zu machen. Ein wichtiger Beitrag Frasers zu diesen Kämpfen ist, dass es sich bei ‚privat‘ und ‚öffentlich‘ nicht um stabile gesellschaftliche Sphären handelt, denn die Grenze zwischen ihnen ist ständig Gegenstand hegemonialer Kämpfe. Öffentlichkeit ist bürgerlich, männlich und elitär, also durchaus eine Praktik bürgerlicher Herrschaft, denn sie bewirkt, dass Arbeiter*innen, Frauen und rassifizierte Menschen kaum zu Wort kommen und öffentlich gehört, sondern in einen Bereich des Privaten abgedrängt werden. Fraser will Öffentlichkeit aber auch nicht einfach aufgeben. Sie macht vielmehr den Gedanken stark, dass es Gegenöffentlichkeiten von unten gibt, in denen es gelingen kann, in demokratisch organisierten Verständigungsprozessen eigene Bedürfnisinterpretationen auszuarbeiten und eben jene Grenzen zu verschieben. Dabei kann es durchaus geboten sein, die Privatsphäre von Frauen gegen die Macht männlich bestimmter Öffentlichkeit zu verteidigen. In diesem Sinn ist es erforderlich, auf bewegliche Weise transformative Kämpfe um den Grenzverlauf zwischen privat und öffentlich zu führen.
Ich diskutiere in dieser Folge mit Susanne Lettow. Sie lehrt Philosophie am Margherita-von-Brentano-Zentrum für Geschlechterforschung an der FU Berlin.

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2015 besetzte Ende Gelände erstmals den Kohletagebau in Garzweiler. Seit diesem Zeitpunkt tritt der in Ortsgruppen und thematischen Arbeitsgemeinschaften organisierte Zusammenschluss unter diesem Namen auf – inzwischen ist er schon fast eine Marke geworden ist. 2016 fanden Proteste in der Lausitz statt, 2017 wieder in Garzweiler, hier erstmals mit thematisch definierten Aktionen auch über den vermeintlich eigentlichen Gegenstand (die praktische Kritik an der aktuellen Energiewirtschaft) hinaus, unter anderem zu Sexismus und Ko(h)lonialismus.
Das hier vorliegende Buch mit größtenteils 2020 verfassten Texten soll Bewegungsgeschichte festhalten und die vielen gemachten Erfahrungen teilen. Die Texte stammen von einer (anonymen) Arbeitsgruppe, die ausdrücklich nicht für die Bewegung sprechen kann und will. Im ersten Kapitel werden die verschiedenen Aktionen vorgestellt und nacherzählt. Im zweiten die politischen Strategien, die «Ende Gelände» verfolgt. Hier ist zum einen die professionelle und aktive Presse- und Öffentlichkeitsarbeit zu nennen, und ebenso der zivile Ungehorsam, der unter dem Motto «Nicht legal, aber legitim» blockierend in die Abläufe des fossilen Kapitalismus eingreift. Nach «innen» wird auf eine gute Gruppenstruktur und ein förderliches Gruppenklima geachtet, und auf Vorbereitung auf und den solidarischen Umgang mit Repression. Continue Reading »

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In wenigen Monaten, schon todkrank, schrieb Frantz Fanon 1961 «Die Verdammten dieser Erde». Der aus der damaligen französischen Kolonie Martinique stammende Fanon hat mit diesem Buch, eine Art Manifest des antikolonialen Aufstands, einen der wichtigen Beiträge zur antirassistischen und postkolonialen Theorie formuliert. Der Kolonialismus bestimmt die Ökonomie und Politik der Menschen. Als Psychiater hat Fanon aber auch ein besonderes Verständnis für die krankmachenden Folgen kolonialer Unterwerfung. Die praktische Frage, wie die Kolonisierten sich aus der systematischen Unterdrückung befreien, mündet in eine differenzierte Auseinandersetzung mit der Frage der Gewalt: sie wird von ihm als eine notwendige Praxis verstanden, um den Kolonialismus auch in der Subjektivität der Kolonisierten zu überwinden. Das Ziel für Fanon ist nicht der Kompromiss mit den europäischen Okkupanten. Beides soll es nicht mehr geben: Kolonisatoren und Kolonisierte. Im Sinne der Internationale trat Fanon für den neuen Menschen, eine «neue Menschheit» ein. Zu Gast ist in dieser Folge Robin Celikates, Professor für Sozialphilosophie und Anthropologie am Institut für Philosophie an der Freien Universität Berlin.

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In dieser Folge preche ich mit dem Schriftsteller Dietmar Dath: Warum «Was tun?» lesen, ein Buch, das Lenin 1902 publiziert hat? Lenin entwickelt dort seine Konzepte von Partei und allseitigen Klassenbeziehungen. Die Idee der Zeitung als «kollektiven Organisator und Intellektueller», als zentrale Form der Bildung und Schulung. Vielfach wurde Lenin für seine Kritik an der Spontaneität, am Ökonomismus, am Mangel an Demokratie kritisiert. Was können wir heute dennoch von seinen Überlegungen lernen? Er kritisiert die Fokussierung auf die Spontanität von Streiks und betrieblichen Erfahrungen, sofern daraus Politik unmittelbar abgeleitet wird. Er lehnte es ab, sich am Alltagsverstand der Arbeiter*innen zu orientieren, dieser sollte auf den Stand der fortgeschrittensten Theorie gebracht werden. Deswegen auch seine Aufforderung an die Linke, sich in alle Dinge und in alle Beziehungen zwischen den sozialen Klassen und ihr Verhältnis zum Staat einzumischen. Über gewerkschaftliche Belange hinaus sollte die Linke auf den Sturz der Despotie und die freie Menschheit hinarbeiten. Lenins Originalität bestand darin, die Autonomie der politischen Logik zur Geltung zu bringen. Das besondere an seinem Organisationsprinzip ist nicht allein die Parteidisziplin, sondern auch die Erkenntnis, dass Organisation ein besonderes soziales Verhältnis darstellt, das Gegenstand bewusster politischer Gestaltung ist, mit denen Menschen sich ihr Handeln ermöglichen.

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Die von der Rosa-Luxemburg-Stiftung und dem Soziologischen Forschungsinstitut der Universität Göttingen (SOFI) veranstaltete Tagung ging den Prozessen der Klassenformierung vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Krisen und Transformationsprozesse nach. Behandelt wurden unter anderem die Auswirkungen der Globalisierung, der Digitalisierung, der Migration, der Einfluss staatlicher Politik auf die Klassenformierung und die Perspektiven internationaler Solidarität.

Tagungsbericht von Thomas Sablowski und Domink Harder in Arbeit – Bewegung – Geschichte. Zeitschrift für historische Studien, Heft 1/22.

Der vollständige Bericht hier im PDF. Die zweitägige Veranstaltung ist auch hier per Video (vollständig) dokumentiert (Zugriff 25.1. 2022).

«Das Kapital» (1867) von Marx wurde oftmals als Verbindung zweier großer bürgerlicher Denktraditionen gedeutet: als bloße Anwendung der Hegelschen Dialektik auf die klassische politische Ökonomie. Louis Althusser schlägt in «Das Kapital lesen» eine andere Lektüre vor. Er begreift «Das Kapital» als einen radikalen Bruch mit den Kategorien des fortgeschrittenen herrschenden Denkens. Der Gegenstand von Marx ist demnach nicht die Ökonomie. Vielmehr wird mit dem Begriff der kapitalistischen Produktionsweise die Grundlage der materialistischen Theorie der Geschichte und eine radikal neue Philosophie geschaffen, die sich in der Arbeit der Begriffe entfaltet. Statt das Werk von Marx wie eine Bibel, wie ein Buch des Lebens selbst zu lesen oder auf Klassiker zurückzuführen, stellt sich für Althusser die Frage: Wie kommt Marx zu diesem Bruch in der Geschichte des Denkens, wie ermöglicht er, aus der Ideologie herauszutreten und jenen Raum zu schaffen, in dem das Neue zu denken immer von neuem möglich ist? Wie lässt sich dieser Vorgang des radikalen Bruchs von uns und den folgenden Generationen wiederholen, bis es vielleicht einmal nicht mehr nötig ist?
Zu Gast ist in dieser Folge Frieder Otto Wolf, Honorarprofessor für Philosophie an der Freien Universität Berlin und Übersetzer zahlreicher Werke von Louis Althusser. Zusammen sprechen wir über die Möglichkeiten einer Praxis der Befreiung.

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Universitäten seien «eine der letzten feudalistisch geprägten männerbündlerischen Bastionen unserer Gesellschaft». Einrichtungen also, die bestimmte Menschen bevorzugen und andere, eher unangepasste, ausschließen würden. Was die 1954 geborene Erziehungswissenschaftlerin und Geschlechterforscherin Elke Kleinau hier beschreibt, bezieht sie wohl in erster Linie auf das soziale Geschlecht. Genauso könnte es aber auf die soziale Herkunft bezogen werden.
Die Zahlen des Bildungstrichters sind bekannt. So ist die Akademikerrate an der Erwerbsbevölkerung gar nicht so hoch wie viele immer denken, sie betrug 2017 z.B. (nur) 22 Prozent (S. 14). Gleichzeitig kommen aber über 52 Prozent aller Studierenden aus Akademikerhaushalten. Es gibt für Angehörige aus Haushalten der Armuts- und ArbeiterInnenklasse also eine objektive Ungleichheit im Zugang zu Hochschulen einerseits und ebenso zum Arbeitsmarkt an Universitäten und in der Wissenschaft andererseits. Gleichzeitig ist die Zahl der Studierenden regelrecht explodiert. Studierten 1960 sechs Prozent eines Jahrgangs, sind es heute 56 Prozent (S. 12).
Der hier vorliegende Band diskutiert die Themen Ungleichheit und soziale Herkunft in seiner ausführlichen Einleitung (S. 9 bis 63) und in fünf Beiträgen, u.a. von Michael Hartmann, Andrea Lange-Vester und Aladin El-Mafaalani, aus. Hier geht es immer wieder um die verschiedenen institutionellen, wenn nicht diskriminierenden Barrieren im Hochschul- und Wissenschaftsbereich, die dazu führen, dass Chancengleichheit schlichtweg eine Illusion ist. Continue Reading »

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Stuart Hall gilt als einer der einflussreichsten linken Wissenschaftler der Gegenwart. Politisch gehörte er zur ersten Generation der Neuen Linken. Theoretisch wollte er zur marxistischen Theorie der Überbauten beitragen. Dazu stützte er sich auf ungewöhnliche Weise auf Althusser, Derrida und Foucault und trug erheblich zu Entwicklung der britischen Cultural Studies bei. In vielen seiner Texte befasst er sich mit den Ambivalenzen der Identität und den rassistischen Erfahrungen, die er in der rassistischen Farbenlehre als «farbig» klassifizierter Bürger des Commonwealth auf Jamaika und in England machen musste. Die Idee einer Kreolisierung der Kolonialländer durch die «Kinder des Empire» macht ihn für postmigrantische Analysen wegweisend. Seine zahlreichen Aufsätze inspirierten die Medienwissenschaft, die Rassismusanalyse oder die Forschungen zu Populismus. Hall hat seine facettenreiche Theorie gelegenheitsorientiert in einer Vielzahl von Aufsätzen entfaltet und nicht in einem «Hauptwerk» komprimiert. In dieser Folge des Theoriepodcast diskutiere ich mit der Stuart Hall-Expertin Nora Räthzel. Sie ist Soziologieprofessorin an der Universität von Umea in Schweden.

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Die ökologische Krise ist nicht nur eine Klimakrise, sondern auch eine Krise der Artenvielfalt. Das sechste große Massensterben von Tieren und Pflanzen steht im Zentrum des Buches von Haraway. Die US-amerikanische feministische Sozialistin und Wissenschaftsforscherin bemüht sich darum, das Denken derart neu auszurichten, dass die Menschen sich mit Tieren und Pflanzen in einer Verwandtschaft begreifen, als Lebewesen, die sich gemeinsam erzeugen und gestalten. Dafür entwickelt sie mit den Methoden der Science-Fiction viele neue Wörter. Nach den langen Phasen von Anthropozän (Menschenzeitalter) und Kapitalozän (Kapitalzeitalter), die geprägt waren von genozidalen Praktiken, von Rassismus und Ausbeutung, von männlich-phallischer Naturbeherrschung, sollten die Menschen artenübergreifend in die Phase des Chthuluzäns (Wer das verstehen will, sollte den Podcast hören) eintreten – ein Vorschlag für ein neues Sozialismus-Verständnis. Denn es geht Haraway darum, dass die Pflanzen, Tiere, Bakterien, Menschen gemeinsam den verletzten Planeten in einem langfristigen Prozess reparieren müssen.

Zu Gast ist in dieser Folge Katharina Hoppe, die an der Universität Frankfurt als Soziologin arbeitet. Sie ist Autorin des Buches «Die Kraft der Revision. Epistemologie, Politik und Ethik bei Donna Haraway.»

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BuchtitelZentralasien wird heute meist als Krisenregion wahrgenommen und kaum mit innovativen linken Politiken in Verbindung gebracht. Gerade ist im Metropol-Verlag die (Teil)Übersetzung eines interessanten Buches erschienen, das „Konzepte des Sowjetischen“ in Zentralasien behandelt und dieses Vorurteil erschüttern könnte. Das Original erschien im Jahr 2016 in Bischkek, der Hauptstadt Kirgisiens. Es fasste die Ergebnisse eines Projektes zusammen, an dem die NGO Shtab über mehrere Jahre gearbeitet hatte. Ursprünglich ging es, so schreiben die Herausgeber*innen im Vorwort der Originalausgabe, darum zu bestimmen, was heute eine linke Agenda in Zentralasien sein könnte. Es zeigte sich, dass man dabei nicht um eine Positionierung zum Sowjetischen nicht herumkommen würde. Insbesondere ging es ihnen darum zu ergründen, in welchem Maße die heutigen Vorstellungen von Geschlechterbeziehungen, zum Zugang zu medizinischer Versorgung und Bildung, zum Arbeitsrecht oder zum Internationalismus dem Sowjetischen entsprechen oder nicht. Welchen Platz sollte das sowjetische Erbe in einem postsowjetischen linken Projekt einnehmen? Lohnt es sich für Linke, die Reste sowjetischer Sozialstaatlichkeit zu verteidigen – oder sollten sie alles tun, um im gesellschaftlichen Bewußtsein nicht mit dem sowjetischen Sozialismus in Verbindung gebracht zu werden? Bini Adamczak hebt in ihrem Vorwort zur deutschsprachigen Übersetzung gerade diesen „immanenten“ Charakter der hier entwickelten Kritik des Sowjetischen, die eben nicht „scheinbar über den Dingen schwebt“, hervor. Alle diese Fragen wurden Gegenstand mehrerer Publikationen, die die Ergebnisse der Debatten zusammenfassten. Sie trugen die Titel „Die Zukunft zurückgeben“ und „Das utopische Bischkek“. Die entsprechende Website ist leider nicht mehr zu erreichen, die Publikationen sind aber an anderen Stellen, allerdings in russischer Sprache, zu finden. Continue Reading »

In ihrem 2004 publizierten Buch «Caliban und die Hexe» legt Silvia Federici dar, dass der Prozess der ursprünglichen Akkumulation des Kapitals, der im 15. Jahrhundert begann, nicht zu begreifen ist, wenn nicht auch der Krieg gegen den Körper der Frauen berücksichtigt wird. Frauen wurden zur Weiblichkeit zugerichtet, ihr Arbeitsvermögen wurde zur Hausarbeit diszipliniert und ihre Sexualität wurde familiarisiert. Frauen wurden in ihren Fähigkeiten abgewertet, öffentlich und privat als Objekte männlicher Sexualität passiviert und irrationalisiert, um ihr Wissen gebracht und ihrer Rechte beraubt. Der bürgerlichen Klasse geht es darum, die Kontrolle über die Erzeugung von Arbeitskräften zu erlangen. Zu diesem Zweck wurde den Frauen ihre autonome Verfügung über ihren Körper genommen. Dies geschah insbesondere mit der Verfolgung von Hebammen und Heilerinnen, die das Wissen über Verhütung besaßen und sicher auch deshalb als Hexen galten. Diese Prozesse setzen sich bis heute fort: Nach wie vor wird das Proletariat durch die geschlechtliche Arbeitsteilung gespalten. Für Federici bleibt diese strukturelle Gewalt nicht auf die Frauen in Mitteleuropa begrenzt. Die Versklavung von Menschen und die Völkermordpraktiken, in Afrika und allen Teilen des amerikanischen Kontinents, gehören zur selben den Körper abwertenden Rationalität der bürgerlichen Aufklärung. Zu Gast im Podcast ist die Soziologin Susanne Schultz. Sie ist unter anderem Mitglied beim Herausgeberinnen-Kollektiv «Kitchen Politics» und im wissenschaftlichen Beirat der Rosa-Luxemburg-Stiftung. Sie diskutiert mit mir über Federicis Verständnis von Frauenunterdrückung als Arbeitsverhältnis etwa am Beispiel der Leihmutterschaft.

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Die «Dialektik der Aufklärung» ist eines der Schlüsselwerke der Kritischen Theorie und des westlichen Marxismus. Max Horkheimer und Theodor W. Adorno verfassten die «Philosophischen Fragmente» 1942 und 1943 im kalifornischen Exil und publizierten es 1947 in Amsterdam. Das Buch führt Ergebnisse der freudo-marxistischen Diskussion über Autorität und Antisemitismus und materialistische Analysen herrschender Kulturpraktiken zu einer neuen Kapitalismustheorie zusammen. Unter dem Eindruck von Faschismus, Stalinismus und autoritären Tendenzen in den USA fragen die Autoren, warum das Projekt der Aufklärung, das seinen Höhepunkt in den Schriften von Marx gefunden hat, gescheitert ist. Auf dem entwickeltsten Stand wissenschaftlicher Erkenntnis und Kämpfe um demokratische Institutionen konnte ein Umschlag in Irrationalität, Wahn, Krieg und Völkermord stattfinden. Wie ist diese Niederlage der Aufklärung zu erklären? Wie lässt sich der Prozess der Aufklärung wieder aufgreifen, ohne erneut in Regression umzuschlagen? Über gesellschaftlichen Fortschritt und die Bedeutung von Dialektik, über das Verhältnis zwischen Natur und Naturbeherrschung diskutiere ich in dieser Folge mit Prof. Dr. Rahel Jaeggi, Professorin für Praktische Philosophie an der Humboldt-Universität zu Berlin und Direktorin des Center for Humanities and Social Change.

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Das Verhältnis der Linken zum Staat und der sozialen Bewegungen ist ambivalent. Einerseits gilt der Staat als Gewalt- und Herrschaftsapparat – als der Staat des Kapitals, der zum Faschismus tendiert. Auf der anderen Seite gibt es die Erwartung, dass der Staat und zumal der Sozialstaat zur Bewältigung der gesellschaftlichen Probleme beitragen soll: Demokratie und Rechtssicherheit, soziale Absicherung, Infrastrukturen und technische Innovation, Bildung, Bewältigung der Klimakrise. Befürchtungen über den autoritären Staat wie Hoffnung, die in seine Kompetenzen gesetzt werden, liegen nahe beieinander. In den 1970er Jahren kam es zu intensiven Diskussionen über diese Fragen, die unter dem Eindruck eines Mangels an Kenntnissen über die Funktionsweise des Staates und Strategien geführt wurden. Intensiv wurde deswegen auch Marx gelesen, der den nicht eingelösten Anspruch hatte, im Rahmen seiner Kritik der politischen Ökonomie ein Buch über den Staat zu schreiben. Diesen Anspruch wollte die staatstheoretische Debatte im Lichte der zeitgenössischen Erfahrung mit der parlamentarisch-repräsentativen Republik und ihren Institutionen einlösen. Einer der wichtigsten Autoren war der griechisch-französische Marxist Nicos Poulantzas, der den kapitalistischen Staat als ein ökonomisch-politisch-ideologisches Terrain von Kräfteverhältnissen der Ausarbeitung und Umsetzung von Herrschaftsstrategien und Klassenkompromissen begreift.  Zu Gast habe ich in dieser Folge Serhat Karakayalı, unter anderem Leiter der Abteilung Migration am DeZIM-Institut und Professor für Soziologie mit dem Schwerpunkt Migration und Mobilität an der Leuphana Universität Lüneburg.

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Über Gewinner, Verlierer und Chancen für eine neue Gesellschaftspolitik wird das Heft vom März 2022 der Zeitschrift ProKla berichten. Dazu bittet die Redaktion jetzt um Beiträge. Sie schreibt:

“Der Beginn der COVID-19-Pandemie liegt inzwischen eineinhalb Jahre zurück. In der politischen und sozialwissenschaftlichen Debatte wurde oft betont, die Pandemie wirke wie ein Brennglas und zeige, wo gesellschaftliche Prioritäten liegen, entlang welcher Linien Ungleichheiten die Gesellschaft strukturieren, was gut, und was nicht so gut funktioniert. Besonders deutlich wurde dies in den Gesundheitssystemen: In Anbetracht von knappen medizinischen Behandlungs- und Bettenkapazitäten sowie Liefer- und Produktionsengpässen diverser Art ist die Notwendigkeit einer funktionierenden Notfall-, Gesundheits- und Arzneiversorgung schlagartig in den Fokus von Politik, Wissenschaft und Öffentlichkeit gerückt.

Aber die Auswirkungen der Pandemie beschränken sich nicht auf das Gesundheitswesen. Die spezifische Kombination von Einbrüchen auf der Angebots- und der Nachfrageseite der Wirtschaft haben im globalen Maßstab zu Rückgängen geführt, die die Effekte früherer Krisen wie etwa der Finanzkrise 2008/2009 übersteigen. Eine Besonderheit war diesmal, dass das staatliche Handeln nicht einfach darauf zielen konnte, mit einschlägigen Maßnahmen die Wirtschaftsbelebung anzukurbeln. Im Gegenteil mussten zur Pandemiebekämpfung Beschränkungen in Form von Lockdowns aufgelegt werden, die insbesondere in den konsumorientierten Dienstleistungsbereichen die Wirtschaft fast zum Erliegen brachten. Zur Kompensation wurden in unterschiedlichem Umfang konjunktur- und sozialpolitische Maßnahmen ergriffen. In Deutschland etwa wurde der Zugang zum Kurzarbeitergeld erleichtert und ein Corona-Konjunkturprogramm aufgelegt. Mehr als 130 Milliarden Euro wurden eingesetzt, um die Folgen der Corona-Pandemie und der größten Wirtschaftskrise der Nachkriegszeit zu bewältigen. Die EU beschloss einen 750 Mrd. Euro umfassenden Wiederaufbaufonds. Und in den USA legte die Biden-Regierung ein 1,9 Billionen US-Dollar schweres Konjunkturprogramm vor [Den Call weiterlesen]

Deadline für die abstracts ist der 6. September 2021.

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Walter Benjamin war einer der großen kritischen Intellektuellen im Deutschland der 1920er und 1930er Jahre und eng verbunden mit der Kritischen Theorie. Heute ist sein Werk von globaler Bedeutung. Nach der Emigration 1933 aus Nazi-Deutschland, der Ausbürgerung 1939, der Internierung in Frankreich und der Flucht vor der Nazi-Armee nahm er sich im September 1940 in Port Bou das Leben. Das Passagenprojekt, das in dieser Folge vorgestellt wird, wäre sein größtes Buch geworden; es wurde niemals geschrieben. Von 1927 bis zu seinem Tod hat Walter Benjamin daran mit Unterbrechung gearbeitet und eine riesige Materialsammlung angelegt. Es wäre ein beeindruckender Beitrag zur materialistischen Kulturanalyse geworden. Benjamin wollte zeigen, wie die bürgerliche Kultur um den Warenfetisch herum gravitiert, ihre Trugbilder, Gespenster, Traumwelten entlarven. Durch geschickte Montage seines umfangreichen Materials wollte Benjamin dazu beitragen, dass die Menschen aus jenen Träumen erwachen und mit einem Tigersprung in die konkrete Geschichte den Augenblick erfahren, der es ihnen ermöglicht, durch eine kleine Pforte hinaus in die Freiheit zu treten. Ich diskutiere mit der Benjamin-Kennerin Ruth Sonderegger. Sie ist Professorin für Kunst- und Kulturwissenschaften an der Akademie der bildenden Künste Wien.

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