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Diese Publikation fügt der Debatte um Postwachstum und die aktuelle Situation des Kapitalismus einen lange unterbelichteten Aspekt hinzu: den des Verhältnisses von hegemonialer Männlichkeit, Wachstum und Kapitalismus. Dieses soll näher beleuchtet und untersucht werden. In diesem Such- und Diskussionsprozess wird neues gedacht und diskutiert, und bereits bekanntes neu in Verbindung gebracht.
Die hegemoniale Männlichkeit beruhe, so die Grundannahme auf Erfolg, Macht, Kontrolle, Expansion und der Unterdrückung und (rassistischen) Kolonisierung aller «anderen», vor allem von Frauen und nicht-hegemonialen Männern. Dieses Modell werde aber «von innen» und «von außen» in Frage gestellt: Durch den Widerstand der «anderen», durch die Pluralisierung der sexuellen Orientierungen und durch die Verweigerung vieler Männer, bei diesem Modell weiter mitzumachen. Der Männer, die Sorge für sich selbst und andere übernehmen wollen, die positive Emotionen, gegenseitiges Angewiesensein und soziale Beziehungen wertschätzen und propagieren, individuell im klassischen «privaten Raum», im Beruf, und in der Gesellschaft. Der Neoliberalismus untergrabe nicht zuletzt durch Flexibilisierung und Lohnsenkungen den bisher dominanten kulturell-sichtbaren Habitus des männlichen Alleinernährers. Zu fragen sei auch, welche Konturen von Männlichkeit eine Postwachstumsgesellschaft aufweisen müsse, bzw. welche den Weg dorthin unterstützen und fördern könnten?
Politisch wird gefordert, die Dominanz zurückzuweisen, die tiefsitzenden «mentalen Strukturen» (Harald Welzer) der «imperialen Lebensweise» (Brand/Wissen 2017) zu verändern. Dabei ist niemand naiv. Es könne jetzt nicht darum gehen, ein romantisches Sehnsuchtsbild einer sorgenden «Caring Masculinity» identitär aufzuladen, oder dieses womöglich klassenblind vor allem für eine postmaterialistische Mittelschicht zu propagieren. Vielmehr, so der Tenor vieler Artikel, gehe es darum, Strukturen zu erkennen, und auch diese zu verändern. Caring ist, wie Geschlecht, eine Praxis, ein fortwährender Prozess. Wenn Geschlecht eine Praxis ist, dann ist es auch veränderbar. Dass die hegemonialen Männlichkeiten transformiert werden müssen, wenn es um eine sozial-ökologische Wende gehen soll, das zeigen die 15 Beiträge verschiedener Disziplinen dieser Publikation mehr als eindringlich. Ein trotz seiner soziologisch-akademischen Fachsprache sehr wichtiges und lesenswertes Buch!
Der Band resultiert aus einer Tagung der ForscherInnengruppe «Landnahme, Beschleunigung, Aktivierung. Dynamik und (De-)Stabilisierung moderner Wachstumsgesellschaften» (Kolleg Postwachstumsgesellschaften) an der Universität Jena Anfang 2018.

Text: Bernd Hüttner

Sylka Scholz, Andreas Heilmann (Hrsg.): Caring Masculinities? Männlichkeiten in der Transformation kapitalistischer Wachstumsgesellschaften; oekom Verlag, München 2019, 268 Seiten, 26 EUR

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