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Rainer Holze (Berlin) über die Ausgabe 121 der «Z.»


Zur Strategiedebatte der Linken vermittelt die (noch vor Corona abgeschlossene) Ausgabe Nr. 121 der Zeitschrift Marxistische Erneuerung mit ihrem Heftschwerpunkt «Strategiedebatten» beachtenswerte Anregungen. Im grundsätzlichen Beitrag der Redaktion wird eingeschätzt, dass die «breite Masse» nicht von ungefähr kein Vertrauen mehr in die Regelungskompetenz der «Eliten» habe. Sie mache nämlich die regelmäßig wiederkehrende Erfahrung, dass die herrschenden Klassen im globalisierten Kapitalismus weder die Gesamtwirtschaft noch die Entwicklung in den einzelnen Unternehmen wirklich «unter Kontrolle» haben. Große Teile der Gesellschaft, große soziale Gruppen haben selbst das Gefühl, zunehmend die Kontrolle über den eigenen Lebenszusammenhang zu verlieren und dagegen aufzutreten. Diese als «Kontrollverlust» empfundenen Entwicklung habe ihre Ursache in der neoliberalen Wende der 1980er Jahre, mit der ein verändertes Politikverständnis einherging, nämlich Staaten wie Unternehmen zu leiten. Obwohl die wirtschaftlichen und politischen Eliten zur Finanzmarktkrise 2008 ff., zur sozialen Polarisierung, zur sog. «Migrationskrise» 2015/16 sowie zur Zuspitzung der Klimakrise keine glaubwürdigen Lösungen anboten und anbieten, verstehe es die Linke bisher nicht, diese Krisensituation trotz breiter Protestbewegungen zur Veränderung des Kräfteverhältnisses wirklich zu nutzen. Vor der sozialistischen Linken liege die Aufgabe, sich der Hintergründe und längerfristigen Trends der gegenwärtigen Krisenkonstellation zu versichern, um Schlussfolgerungen für ihre Neuaufstellung erarbeiten zu können. Im Kern gehe es für die Linke darum, die Frage der sozialen Gerechtigkeit und der Umverteilung, mit der diese auch wahlpolitisch von großen Bevölkerungsmehrheiten identifiziert werden, als Demokratie- und Machtfrage im öffentlichen Bewusstsein zu verankern. Das heiß, nicht nur als sozialpolitische Frage im engeren Sinne. Die sozialistische Linke müsse die politische Kraft sein, die entschieden dafür kämpfe, zentrale politische Entscheidungen in die Gesellschaft zurück zu verlagern, unter Kontrolle zu bringen und das System der privaten Kapitalverwertung zu überwinden.
Die weiteren Schwerpunktbeiträge befassen sich mit der Entwicklung, den politischen Orientierung, den Widersprüchen, neuen Akzenten und dem Zusammenspiel der wesentlichsten sozialen und Protestbewegungen im letzten Jahrzehnt (J. Reusch), den Klassenkonstellationen und aktuellen strategischen Vorstellungen sowohl des herrschenden Blocks als auch der Linken – hier besonders der Partei DIE LINKE als deren größter organisierter politischer Formation – auf den verschiedenen Betätigungsfeldern (F. Deppe, D. Klein, J. Goldberg, K. Schramm, R. Sadowsky und C. Kaindl). Darüber hinaus sind in der Z ein umfangreicher Kommentarteil sowie Beiträge zu aktuellen Entwicklungen in Lateinamerika (D. Boris, A. Musacchio), zur Marx-Engels-Forschung (C.-E. Vollgraf, G. Quaas), zur feministischen französischen Sozialistin Flora Tristan (F. Hervé) und zum Kapp-Lüttwitz-Putsch 1920 und den erfolgreichen Generalstreik gegen ihn (R. Friedmann) enthalten. Auch auf die inhaltsreichen Rubriken «Diskussion-Kritik-Zuschriften», «Zeitschriftenschau/Aktuelle Debatten», «Berichte» und «Buchbesprechungen» sei hier verwiesen.

Z. Zeitschrift Marxistische Erneuerung, 31. Jg., H. 121 (März 2020), 219 S., 10 Euro. Vertrieb: Postfach 700346, D-60553 Frankfurt/M.

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