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Eine Rezension zu Hans-Jürgen Urban: Gute Arbeit in der Transformation. Über eingreifende Politik im digitalen Kapitalismus, Hamburg 2019

Von Herbert Klemisch (Bonn)

Hans Jürgen Urban, geschäftsführendes Vorstandsmitglied der IG Metall, entwickelt in diesem Buch Elemente einer gewerkschaftliche Strategie zur Gestaltung des digitalisierten Kapitalismus. Bei der vorgelegten Publikation handelt es sich um eine sozialwissenschaftliche Analyse, die in Schreibstil und Vokabular nicht immer leicht verdauliche Kost ist.

Die Abhandlung ist in fünf Teile gegliedert und beginnt nach einer thematischen Einbettung in das Feld der kapitalistischen Transformation mit dem gewerkschaftlichen Konzept «Guter Arbeit» als Basis. Im Hauptteil werden sechs arbeitspolitische Felder skizziert. Dies sind: Demografie und Renten, Leistungsverdichtung als zentrales Merkmal der modernen Arbeit, das Zusammenspiel von Arbeitszeit, Gesundheit und Autonomie, mit der Folge einer wachsenden Burnout-Gesellschaft. Die Digitalisierung wird in ihren Auswirkungen zwischen Rationalisierung und Humanisierung beschrieben, die mit Konflikten um die Gestaltung von Arbeitsbedingungen verbunden ist. Jedes Kapitel beginnt mit einem lesenswerten Analyseteil und wird abgeschlossen mit einem Ausblick, in dem eine Auseinandersetzung mit gewerkschaftlichen Positionen vorgenommen wird. In den beiden abschließenden Teilen stehen Überlegungen zur Arbeitsökologie, die in der ökologischen Gretchenfrage mündet: Wie hältst du es mit dem Wachstum?

Der Autor bietet zahlreiche Hinweise für die Regulierung der kapitalistischen Markt- und Profitlogik. Das schafft er jenseits von Verstaatlichungsrezepten und «altsozialistischen» Illusionen. Die Gewerkschaften – allen voran die IG Metall – begegnen der Herausforderung der Transformation des Kapitalismus mit dem gewerkschaftspolitischen Strategiebegriff «Gute Arbeit». Nach Urban ist die kontinuierliche Arbeitszeitverkürzung die normative Grundlage dieses Konzepts. Ohne sie sei «eine solidarische Verteilung des Arbeitsvolumens» auf alle Erwerbspersonen unmöglich. Obendrein sei die Umkehr von Wachstum und Produktivitätssteigerung nur möglich, wenn die Wirtschaft demokratisiert und die grundgesetzlich garantierte Sozialbindung des Eigentums aktualisiert wird. Urban skizziert das Modell einer ökologisch-sozialen Wirtschaftsdemokratie als Alternative zu einer zunehmenden Privatisierung staatlicher Politik, die Kennzeichen des digitalen Kapitalismus sei. Urban geht dagegen von einer Mixed Economy, also einer Kombination aus privatem, staatlich öffentlichem Eigentum und Genossenschaften aus. Dieses wirtschaftsdemokratische Modell sollte auf die Bereiche Mobilität, Kommunikation und Wohnen ausgeweitete werden (226f).

Für alle, die sich mit Alternativen zu Kapitalismus beschäftigen, ein lesenswertes Buch, das leider dort am schwächsten ist, wo die IG Metall am meisten gefragt wäre, bei der Gestaltung neuer Mobilitätskonzepte jenseits der automobilen Verbrennungstechnik.

Hans-Jürgen Urban: Gute Arbeit in der Transformation. Über eingreifende Politik im digitalen Kapitalismus. VSA-Verlag, Hamburg 2019, 264 Seiten, 19,80 EUR

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