Erfolgreiche Streiks gegen den Arbeitszwang während der Corona-Pandemie
Die Streiks in Italien in den vergangenen Tagen haben sich ausgezahlt: Die Regierung hat nun ihr Dekret vom 22. März über die Einstellung der nicht notwendigen Arbeit nachgebessert.
Nachdem sich herausgestellt hatte, dass die früher angeordneten Ausgangsbeschränkungen im Freizeitbereich nicht ausreichend waren, um die Covid19-Infektionszahlen und die Zahl der täglich Sterbenden wirksam zu senken, hatte die Regierung am 21. März angekündigt, die nicht lebensnotwendige Produktion und Arbeit kurzfristig einzuschränken. Vorausgegangen waren in den Tagen und Wochen zuvor bereits zahlreiche Streikdrohungen und Streiks in einzelnen Betrieben. Viele Beschäftigte sahen nicht ein, warum sie in der Freizeit auf alle sozialen Kontakte verzichten sollten, sich aber bei der Arbeit weiter dem Ansteckungsrisiko aussetzen sollten. Auch ein Abkommen zwischen den drei großen Gewerkschaftsbünden CGIL, CISL und UIL sowie verschiedenen Unternehmerverbänden am 14. März, in dem besondere Arbeitsschutzmaßnahmen vereinbart wurden, konnte die Unruhe in den Betrieben nicht beilegen. Insofern war das Dekret der Regierung vom 22. März sowohl eine Reaktion auf die weiter rasant steigenden Covid19-Infektionszahlen als auch auf die zunehmenden Proteste in den Betrieben.
Die Liste der „notwendigen“ Produktions- und Arbeitsbereiche in dem Dekret vom 22. März unterschied sich allerdings deutlich von der am 21. März von der Regierung vorgelegten vorläufigen Liste. Unter dem Druck der Kapitalisten hatte die Regierung die Liste der Bereiche, in denen weiter gearbeitet werden sollte, zunächst verlängert. Dies löste wiederum neue Proteste der Beschäftigten aus. Verschiedene Gewerkschaften kündigten Streiks für den 25. März an. Dies bewog die Regierung offenbar dazu, einzulenken.
Sinnvolle Einschränkungen der Arbeit
Die Produktion von Landmaschinen und Maschinen für die Lebensmittelindustrie wird nun beispielsweise ebenfalls bis zum 3. April eingestellt. Auch die Arbeit in Call Centers, die besonders umstritten war, weil teilweise die notwendigen Sicherheitsabstände zwischen den Beschäftigten von den Unternehmern nicht gewährleistet wurden, wird nun deutlich eingeschränkt. Arbeit in Call Centers ist nur noch erlaubt, um eingehende Anrufe anzunehmen und den Kundendienst zu gewährleisten, und dies auch nur in den noch zugelassenen notwendigen Branchen. Das gleiche gilt für die Leiharbeit, die in dem Dekret vom 22. März nicht näher geregelt war. Sie ist nach dem aktualisierten Dekret vom 25. März nur noch in den zugelassenen Branchen erlaubt. Der Zeitraum der Produktionsstilllegungen ist angesichts einer Inkubationszeit von bis zu 14 Tagen und einer durchschnittlichen Inkubationszeit von einer Woche bei den Infektionen sehr knapp bemessen. Man wird sehen, ob dies ausreicht, um die neuen Infektionen deutlich zu vermindern.
Vorbild für die Lohnabhängigen in Deutschland
Der Kampf um die Einschränkung der Produktion und Arbeit in Italien ist jedenfalls auch ein Vorbild für die Lohnabhängigen in Deutschland. Die Kolleginnen und Kollegen in Italien haben gezeigt, dass wir die Regierungspolitik in dieser Krise nicht einfach hinnehmen müssen, sondern dass es möglich ist, die eigenen Vorstellungen und Ziele durchzusetzen. Notwendig ist auch hierzulande eine gesellschaftliche Verständigung darüber, welche Bereiche der Produktion und Arbeit jetzt dringend aufrechterhalten (etwa die Lebensmittelproduktion) oder gar ausgebaut (etwa die Produktion von Schutzbekleidung und Beatmungsgeräten) werden müssen und welche entbehrlich sind. Nicht alle lohnabhängig Beschäftigten können im „Home Office“ arbeiten. Nicht alle können sich einfach krankschreiben lassen, um die Infektion am Arbeitsplatz zu vermeiden. Und niemand sollte gezwungen sein, seinen Jahresurlaub zu nehmen, um dem Ansteckungsrisiko am Arbeitsplatz zu entgehen. Gleichzeitig gilt es, weiter um die Lohnfortzahlung zu kämpfen. Es ist inakzeptabel, dass die Regierung nun die Unternehmen großzügig mit Krediten versorgen und von der Zahlung der Sozialabgaben für die Beschäftigten in Kurzarbeit befreien will, während diese auf einen großen Teil ihres Lohns verzichten sollen.
Längerfristige Perspektive
Die Auseinandersetzung um die Definition der notwendigen Arbeit zeigt auch eine längerfristige Perspektive auf. Denn angesichts der fortschreitenden Naturzerstörung und des sich immer mehr verschärfenden Klimachaos ist es notwendig, die gesamte Produktion und Arbeit auf den Prüfstand zu stellen. Insofern kann die jetzt erfolgende Einschränkung der Produktion ein Anfang sein, um unser Verhältnis zur Natur dauerhaft neu zu regulieren und mehr freie Zeit zu gewinnen.