Spätestens seit der Finanzkrise 2008 hat die herrschende, profitgetriebene Wirtschaftsweise in Massenmedien und im öffentlichen Ansehen an Legitimation verloren. Alternativökonomische Ideen und Praxen finden mehr Aufmerksamkeit als je zuvor. Der chilenische Wirtschaftswissenschaftler Luis Razeto prägte in den 1980er Jahren den Begriff „Solidarische Ökonomie“ . Er beschrieb damit gemeinschaftliche wirtschaftliche Selbsthilfe, mit der Menschen in Krisenzeiten ihre Versorgung sichern, ganz im Sinne des altehrwürdigen Genossenschaftsgedankens „Gemeinsam mehr erreichen“. Solidarität ist hier eine ganz praktische, alltägliche gegenseitige Unterstützung.
Die folgenden Thesen sind ein Versuch, vor dem Hintergrund der herrschenden Ökonomie einige Herausforderungen Solidarischen Wirtschaftens zu skizzieren. Gegenwärtige Ansätze werden kritisch hinterfragt und mögliche Ambivalenzen oder gar Vereinnahmungen aufgezeigt, die Solidarische Konzepte in ihr Gegenteil verkehren können. Nicht zuletzt werden jedoch auch Potentiale Solidarischer Ökonomien an Beispielen verdeutlicht.
Die herrschende Ökonomie hat mit Wirtschaft nichts zu tun, sondern stellt ein verbrecherisches System dar.
Unter Ökonomie oder Wirtschaft verstehe ich die Gesamtheit gesellschaftlicher Prozesse, in denen Menschen mit ihrer vielfältigen, lebenswichtigen Arbeit aus natürlichen Ressourcen all das herstellen, was Menschen zum Leben brauchen. Ohne zu wirtschaften, um ihre Bedürfnisse zu erfüllen, könnten Menschen nicht leben. Die zerstörerische Ausbeutung und profitgetriebene Vernutzung von Mensch und Natur, die systematisch in patriarchal und kapitalistisch ausgestalteten Produktionsweisen angelegt ist, hat mit Wirtschaft nichts zu tun. Es handelt sich um Verbrechen, millionenfach begangen an denen, auf deren Kosten dieses Ausbeutungsmodell expandiert, das systematisch diejenigen ignoriert, die unter viel zu oft erbärmlichen Bedingungen schuften und buckeln, die von ihrem Land vertrieben werden, hungern, an den Folgen von Ressourcenkriegen und Klimakatastrophe leiden. Wenn diese Menschen dann vor Perspektivlosigkeit, Elend und Krieg fliehen, ertrinken sie vor den Mauern Europas im Mittelmeer, und alle Welt sieht zu.
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Diese Thesen erschienen zuerst in der Zeitschrift Feministische Studien, 33 Jg., Mai 2015, Nr. 1 zum Thema „Solidaritäten“. Sie wurden für die Veröffentlichung auf mehring1 geringfügig bearbeitet.
Elisabeth Voß lebt (wieder) in Berlin und engagiert sich vielfältig für solidarische Ökonomien. Mehr auf ihrer website: www.elisabeth-voss.de
Foto: Bernd Hüttner
RT @ifg_rls: Solidarisch Wirtschaften? Thesen von Elisabeth Voß: Spätestens seit der Finanzkrise 2008 hat die herrschen… t.co/Kl5Z…
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