Die Welt verändert sich. Dieser Banalität wird kaum jemand widersprechen. Aber wie verändert sie sich eigentlich? Dieser Frage folgen nun schon seit vier Jahren die „EU-ExpertInnengespräche“ der RLS. WissenschaftlerInnen und BewegungsaktivistInnen aus Ländern innerhalb und außerhalb der EU diskutieren in diesem Jahr nun in Belgrad die Frage, ob und inwieweit das Modell „Kern und Peripherie“ ein geeignetes wissenschaftliches bzw. politisches Konzept ist, um die Realität der Beziehungen innerhalb der EU und der EU zu ihren Nachbarn zu fassen. Die Diskussionen der ersten beiden Tage machten schon deutlich, dass in dieser Frage Brisanz steckt. Die in Medien und auch im politischen Geschäft oft anzutreffenden kurzschlüssigen geographisch bestimmten Verortungen – der Kern liegt irgendwo um Deutschland herum und der Rest ist von diesem Kern abhängig – ist angesichts der Realitäten von Finanzialisierung und Transnationalisierung nicht mehr tragfähig. „Kern“ und „Peripherie“ haben sich verändert. Interessant dabei ist, dass im Unterschied etwa ähnlichen Debatten vor der Krise 2007ff. der Blick in die Geschichte einen deutlich gewachsenen Stellenwert hat. Die Analyse der Veränderungen und ihrer Wechselwirkungen bilden einen wesentlichen Teil der Diskussionen auf dem Workshop. Schnell werden dabei analytische und politisch-konzeptionelle Defizite sichtbar: Sind wir schon in der Lage, die Konsequenzen der Finanzialisierung hinreichend zu verstehen? Was bedeutet die Nationale Frage heute? Wie ist internationale Solidarität zu verstehen und vor allem zu realisieren? Vor allem der letztgenannte Punkt ruft immer wieder Nachdenklichkeit hervor: Zeigt doch die Diskussion, wie sehr sich die Probleme in Deutschland, in der Ukraine, in Frankreich, in Serbien, Kroatien, Slowenien, Russland usw. ähneln. Überall geht es um den Abbau von sozialen Rechten, um Privatisierung und Kommerzialisierung. Überall frisst sich die Finanzialisierung in das alltägliche Leben hinein – und überall sehen wir letztlich weitgehend zersplitterte linke Bewegungen. Vor diesem Hintergrund erweist das Modell „Kern-Peripherie“ als ein möglicher Einstieg in Analyse und Diskussion, erschöpft aber die Tiefe der zu analysierenden und zu bewältigenden Widersprüche auch nicht annähernd. So wird, das lässt sich schon vor Abschluss der Veranstaltung sagen, Ergebnis vor allem die Formulierung von gemeinsamen Arbeitsaufgaben für die Zeit bis zum nächsten Workshop sein.
Beiträge sind im Blog zu diesem Projekt nachzulesen: peripherization.blog.rosalux.de