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Von Bernd Hüttner

Tourismus ist in vielen Regionen ein wichtiger Wirtschaftszweig, gleichzeitig zerstört er mit seiner Orientierung an Konsum und (stetigem) Wachstum oftmals das, was er anbietet bzw. vermarktet. An vielen Orten, egal ob in Lissabon (vgl. den Beitrag von Ana Gago) oder in der Wutach-Schlucht im Schwarzwald, es kommen einfach zu viele Besucher*innen. Die Branche ist bereits jetzt stark von der Klimakrise betroffen, die energieintensiven Schneekanonen in den Alpen sind dafür nur das augenfälligste Beispiel.

«Über Tourismus» ist ein kluges und sehr gut gestaltetes Buch über den existierenden Tourismus, seinen Umfang und etliche seiner schädlichen Ausprägungen. Es ist zugleich ein Buch über «Übertourismus» (Eintrag bei wikipedia), der unter anderem daraus resultiert, dass aufgrund der billigen Flugpreise Urlaube immer öfter angetreten werden, immer kürzer sind, mit Zielen, die immer weiter entfernt liegen. Die meisten Emissionen entstehen aber nicht durch den Aufenthalt, wie angenommen werden könnte, sondern durch die An- und Abreise. Das Urlaubsverhalten ist sozial sehr ungleich verteilt, so fliegen zum Beispiel in Österreich nur 18 Prozent der Bevölkerung «öfter oder viel», weltweit sind über drei Viertel aller Menschen noch nie geflogen.

Das Buch bietet in anschaulichen Grafiken und Schaubildern viele frappierende Zahlen; in acht Kapiteln werden unter anderem die komplexen Beziehungen des Tourismus zur Mobilität und zur Landwirtschaft näher dargestellt oder die einschneiden Folgen der Klimakrise beschrieben. Die desaströsen Folgen der plattformgestützten touristischen Kurzzeitvermietung in Städten (steigende Mieten, Verdrängung) werden ebenso kritisiert wie die gestiegenen Immobilienpreise in Ferienregionen, die dazu führen, dass Einheimische wegziehen (müssen) und viele, die im Tourismus arbeiten, nicht mehr an ihrem Arbeitsort wohnen können.

Acht Essays von ExpertInnen vertiefen im letzten Drittel des Bandes die angesprochenen Themen. Auch offene und umstrittene Fragen werden diskutiert: Wenn zum Beispiel Fliegen zu billig ist, ist dann eine Regulation nur über den Preis wirklich die beste Lösung? Sie führt dazu, dass das Einkommen beim Urlaubsverhalten eine noch größere Bedeutung bekommt, als es eh schon hat.

Das Buch zeigt auch einzelne Projekte, die Transformationspotentiale für einen anderen, «nachhaltigen» Tourismus bieten, vor allem im Bereich der Baukultur. Es denkt soziale, infrastrukturelle und ökologische Aspekte zusammen, und verdeutlicht zweierlei: Zum einen, dass noch viel Engagement und Nachdenken nötig ist, um den Tourismus zu verändern; zum anderen dass staatliche Regulierungen, gerade auf lokaler Ebene, unabdingbar sind, um Veränderungen anzustoßen.

Die Ausstellung ist im Architekturzentrum in Wien noch bis 9. September zu sehen.

Karoline Mayer u.a. (Hrsg.): Über Tourismus; Park Books Verlag, Zürich 2024, 400 Seiten, 230 farbige und 31 s/w-Abbildungen, 38 Euro

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