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Von Herbert Klemisch

Die soziale Schieflage in Deutschland wird immer größer. Eine wichtige Ursache hierfür ist das Steuersystem. Es legt fest, wie wir Renten, Gesundheit, Straßen, Schulen oder die Energiewende finanzieren. Allerdings ist das System ungerecht, denn Geringverdienende zahlen beispielsweise beinahe die Hälfte der anfallenden Steuern und Abgaben. Die Kinder von Multimillionären erben hingegen nahezu steuerfrei.
Die Autoren, beide Mitglieder der AG «Finanzmärkte und Steuern» bei Attac wollen daran etwas ändern. Sie haben mit diesem Band, wie sie es nennen, ein Konzept zur Rückverteilung von Reichtum zu mehr Gerechtigkeit und Klimaschutz vorgelegt. Darin stellen sie u.a. die Frage, wieviel Armut und Ungleichheit eine Demokratie verträgt und was ein Steuersystem für eine soziale und nachhaltige Gesellschaft leisten kann.
Im ersten Teil des Bandes werden in vier Kapiteln Grundlagen abgehandelt, von einer kurzen Geschichte der Steuern über die neoliberale Weltordnung, die Transformation des Kapitalismus hin zu einer Philosophie der Gerechtigkeit. Der zweite Teil des Buches erläutert dann in sieben Kapiteln die Grundlagen des Konzepts der Autoren. Beginnend mit dem Kapitel 5 folgt die eigentliche Analyse des bundesdeutschen Steuersystems mit Ausflügen in internationale Regelungsbereiche. Zugegeben: dies ist eine ziemliche Herkulesaufgabe. Leider bewegen sich die Autoren in diesem zweiten Teil des Buches immer wieder zwischen einer Darstellung des Status Quo und eigenen Forderungen. Zu den zentralen politischen Forderungen gehört u.a. die Aufnahme des Gini-Index in die Verfassung. Der Gini-Index ist das am häufigsten verwendete Verteilungsmaß. Ein handwerklicher Fehler besteht darin, dass dieser für Hentschel und Eibl so wichtige Indikator nirgendwo im Buch verständlich definiert wird.
Dargestellt werden weiterhin die Besteuerung der Finanzmärkte, des Konsums (Mehrwertsteuer) und sogenannter Lenkungssteuern wie die Klimaabgabe. Hier sprechen sich die Autoren für eine Beibehaltung der Mehrwertsteuer und die Einführung eines gerechten Klimageldes aus. Bei den Unternehmenssteuern plädieren sie für eine Gesamtkonzernbesteuerung als logische Konsequenz der Globalisierung. Bei der Finanzierung des Sozialstaates wird für eine Besserstellung von Menschen mit geringem Einkommen und unterbrochenen Erwerbsbiographien, insbesondere Frauen, plädiert, allerdings ohne auf einen Kern der Ungerechtigkeit der Altersversorgung, nämlich den ungleichen Status von Rentner*innen und Pensionär*innen hinzuweisen.
Als Konzept zur Rückverteilung von Reichtum und zu mehr sozialer Gerechtigkeit schlagen die Autoren weiterhin folgende Eckpunkte vor: Spitzensteuersätze über 90 Prozent wie in den 1950er-Jahren, die Festlegung eines Maximaleinkommens und eines Maximalvermögens für die Superreichen sowie ein faires Sozialsystem für alle Bürger*innen.
Es handelt sich in der Tat um ein ambitioniertes, gut recherchiertes Buch, dessen politische Vorschläge aber eher einem Steinbruch gleichen. Für die Umsetzung hoffen die Autoren analog zur Klimakrise auf einen sogenannten Kipppunkt in Sachen soziale Gerechtigkeit, der Punkt also an dem die Kluft zwischen arm und reich zu groß wird und der dann «Gegenmaßnahmen» auslöst.

Karl-Martin Hentschel / Alfred Eibl: Steuer-Revolution! Ein Konzept zur Rückverteilung von Reichtum, zu mehr Gerechtigkeit und Klimaschutz, AttacBasisText 59, VSA Verlag, Hamburg 2024, 196 Seiten, 16,80 Euro

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