Als Planerin, Architektin und politische Aktivistin sucht Gabu Heindl nach einem Weg zwischen dem Eingebundensein in staatliche und damit kapitalistische Strukturen und dem Ziel, mit ihrer Arbeit zur Ermächtigung von Randgruppen und Demokratisierung beizutragen. Dieses Dilemma bearbeitet sie mit Hilfe hegemonie- und demokratietheoretischer Konzepte mit besonderem Fokus auf «radikaler Demokratietheorie». Mit einer Erklärung dieser Theorie beginnt auch das Buch. Sie geht davon aus, dass Gesellschaften immer konflikthaft seien und der Trend zu Konsenspolitik einer Entpolitisierung gleich komme. Vielmehr gehe es in der Politik darum, Konflikte sichtbar und bearbeitbar zu machen. Gesellschaftliche Strukturen, auch Städte mit ihrer Bebauung, sind immer Ergebnis der Befriedung von Konflikten, die diesen aber noch eingeschrieben sind und durch kritische historische Betrachtung wieder aufgenommen werden können.
Als Beispiel für solche eingeschriebenen Konflikte stehen für die Autorin die Aufschriften auf Wiener Wohnbauten. Die im «Roten Wien» errichten Wohnungen tragen in großen roten Lettern die Aufschrift «Erbaut in den Jahren … aus Mitteln der Wohnbauförderung». Diese Wohnbauförderung steht für einen Sieg der Arbeiter*innenklasse im Klassenkampf. Später standen dort nur mehr die Namen der Bürgermeister unter denen die Wohnungen erbaut werden, was diesen den Status von Wohltätern gab. Und heute werden Wohnungen als Anlageobjekte für Investor*innen angepriesen: Symbol für den Sieg von Kapitalinteressen über öffentliches Interesse und das Recht auf leistbares Wohnen. Architekt*innen und Planer*innen werden leicht zu Kompliz*innen in diesem Prozess.
Die Autorin möchte diesem Trend etwas entgegensetzen. Anstelle des allgegenwärtigen Begriffs der «Private Public Partnership» (PPP), der für eine Privatisierung von Gewinnen und Sozialisierung von Verlusten steht, entfaltet sie in dem Buch ihre drei «P»: Politik, Planung, Public Agency. Letzteres bezeichnet «Handlungsmacht im Konflikt mit dem neuen Autoritarismus ebenso wie mit der ›alten‹ neoliberalen Profitlogik». Diese Handlungsmacht brauche die öffentliche Sphäre als Infrastruktur und dafür trügen Planer*innen besondere Verantwortung.
Das Buch basiert auf einer Doktorarbeit und verlangt der Leserin einiges an philosophischem, soziologischem und politikwissenschaftlichem Vorwissen ab. Es ist keine leichte Lektüre, durch die Bezüge zu konkreten Beispielen und aktuellen sozialen Bewegungen, wie Occupy, Recht auf Stadt oder Mietenstreik werden die theoretischen Abhandlungen jedoch geerdet und praktisch greifbar. Und nur durch die Allianzen mit diesen Akteur*innen und das radikale Infragestellen der eigenen Expertise können, so die Autorin, auch Architekt*innen und Planer*innen in den bestehenden Strukturen handlungsfähig werden.
Gabu Heindl: Stadtkonflikte. Radikale Demokratie in Architektur und Stadtplanung. Mandelbaum Verlag, Wien 2020, ca. 256 Seiten, 20 Euro