Feed on
Posts
Comments

Im Rahmen des “Kopenhagen-Akkord” sagte Deutschland zu, zwischen 2010 und 2012 insgesamt (eher lächerliche) 1,26 Mrd. Euro kurzfristige Klimafinanzhilfen (die sogenannte “Schnellstartfinanzierung”) für Entwicklungs- und Schwellenländer bereitzustellen. Doch blickt man auf den Bundeshaushalt zwecks Suche nach Hilfen für die global Hilfsbedürftigen, kann man sich nur eine wirklich internationalistische und dann viel stärkere „Occupy-Bewegung“ wünschen.

NGO in Deutschland haben in jüngster Zeit in Sachen Klima- und Entwicklungspolitik Studien auf den Tisch gelegt, die in vierfacher Hinsicht von großem Interesse sind, wegen: 1) der Finanzierung von Entwicklungshilfe und Erlangung der Millennium Development Goals, 2) der Finanzierung von Anpassung an den Klimawandel und zur Bekämpfung von globaler Erwärmung und Artenschwund, 3) dem Emissionshandel und 4) der Aneignung von Naturressourcen bzw. des problematischen Handels mit Naturressourcen.

Mehring1 ist sicher ein guter Ort, um derartige Studien vorzustellen und zu diskutieren. Heute soll der Anfang gemacht werden mit „Konsequenzen aus der Lernphase der Schnellstartfinanzierung. Wie Deutschland die Klimafinanzierung entscheidend voranbringen könnte“ von Anja Esch. Dabei handelt es sich um ein Diskussionspapier von Germanwatch.

Germanwatch wertet die Finanzzusage der Industrieländer im „Kopenhagen-Akkord“ (Ergebnis des gescheiterten Klimagipfels von Kopenhagen 2009) als „einen wichtigen Schritt in die richtige Richtung“, weil die Industrieländer erstmals konkrete Zahlen für die kurz- und langfristige Klimafinanzierung versprachen: Für den Zeitraum von 2010 bis 2012 sind das neue und zusätzliche Mittel in Höhe von insgesamt 30 Mrd. USD. Sie sicherten zu, schrittweise die Finanzierung bis 2020 auf jährlich 100 Mrd. USD zu erhöhen.

Da die Zahlen lachhaft sind, wären die Linken in den Industrieländern gefordert, diese zum einen drastisch steigen zu lassen und zum anderen dafür zu sorgen, dass die Mittel wirklich fließen und bewirken können, was sie bewirken sollen: die natürlichen Lebensbedingungen der Menschen in den armen Ländern verbessern und zugleich die globale Erwärmung zu verlangsamen und zu stoppen.

Das spricht zunächst einmal dafür, zu prüfen, wie die versprochene „Schnellstartfinanzierung“ konkret realisiert wird. Dabei sollten sich die Linken in Deutschland insbesondere für die konkrete Politik ihres Landes und der Europäischen Union interessieren.

So wäre gemeinsam mit Germanwatch zu fragen, woher denn die Mittel für die Klimafinanzierung kommen sollen? Diese simple Frage wurde weder bei den Klimaverhandlungen in Kopenhagen noch bei den Klimaverhandlungen in Cancún beantwortet. Nach wie vor gibt es kein spezielles Finanzierungsinstrument wie z. B. Erlöse aus dem internationalen Flug- und Schiffsverkehr. Auch gibt es keine geklärte Einbindung und Anrechnung von privatem Kapital auf die Klima-Finanzzusagen.

Die Relevanz dieser Fragen zeigt sich insbesondere in der dramatischen Praxis, dass die Mittel zur Finanzierung klimarelevanter Projekte auf die ODA-Quote der

„traditionellen Geberländer“ angerechnet werden. Das trifft auch und insbesondere für Deutschland zu. Deutschlands offizielle Entwicklungshilfe beträgt nicht nur  skandalöse 0,38% des BIP, sondern ist auch von ihrer Struktur her sozial und ökologisch problematisch. Deutschland will seine ODA bis 2015 auf die international vereinbarten 0,7% des BIP steigern.

Wird allerdings die „Klimafinanzierung“ mit der ODA verquickt, drohen darunter die Mittel für die Armutsbekämpfung zu leiden. Entwicklungspolitische NGO wie Germanwatch bzw. der Dachverband Venro fordern daher zwei auf das Bruttoinlandsprodukt bezogene Quoten: die 0,7% ODA und zusätzlich 0,3%  Klimafinanzierung – also insgesamt 1,0% BIP Zahlungen an die Hilfsbedürftigen.

Allerdings muss zunächst festgestellt werden, dass „es in Deutschland erkennbar am politischen Willen fehlte, die, wie von Bundeskanzlerin Merkel versprochenen, ‚zusätzlichen Mittel‘ für die Schnellstartfinanzierung bereitzustellen (S. 7). Hinzu kommt, dass bei der Definition „neu und zusätzlich“ herummanipuliert wird. Die Bundesregierung versteht unter „Zusätzlichkeit der Mittel für Klimaschutz und Anpassungsmaßnahmen“ für die Jahre 2010 bis 2012: „a) die Zusätzlichkeit der klimabezogenen Mittel im Vergleich zum Basisjahr 2009; b) die Zusätzlichkeit der Einnahmen aus einem innovativen Finanzierungsinstrument (Veräußerung der Emissionsberechtigungen aus dem EU-Emissionshandel)“. (Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drs.17/1196, März 2010, S. 4)[1].

So wurde seitens der Bundesregierung keine Notwendigkeit gesehen, für das Haushaltsjahr 2010 wirklich neue und zusätzliche Mittel heranzuziehen. Allerdings gelang im parlamentarischen Verfahren „eine geringfügige Nachbesserung“: Der Haushaltsausschuss richtete zwei neue Haushaltstitel für “Klimaschutz in Entwicklungsländern” mit je 35 Mio. Euro in den Einzelplänen 16 (BMU) und 23 (BMZ) ein (Germanwatch S. 12).

Der Kabinettsentwurf für den Bundeshaushalt 2011 (für das 2. Jahr der Schnellstartfinanzierung) vom Juli 2010 setzte die beiden Haushaltstitel für „Klimaschutz in Entwicklungsländern“ in den beiden auf null. (S. 13) Die Regierung wollte ihre internationale Verpflichtung über die Anrechnung von zinssubventionierten Darlehen an den „Clean Technology Fund“ (CTF) bei der Weltbank in Höhe von 125 Mio. Euro wollte die Bundesregierung einlösen.

Das ist mehrfach kritikwürdig: erstens ist der Fonds problematisch, zweitens sind die 125 Mio. Euro für das Jahr 2010 im November 2010 nachträglich in die Welt gesetzt worden und drittens sind Kredite Gelder, die zurückgezahlt werden müssen.

Germanwatch resümiert also, dass die Bunderegierung Mittel für die Schnellstartfinanzierung zum einen Mittel doppelt gezählt und zum  anderen Kredite angerechnet habe: Die Streichung der beiden Titel im Kabinettsentwurf für das Haushaltsjahr 2011 zeige, „dass die Bundesregierung keine Notwendigkeit für einen tatsächlichen Mittelaufwuchs sah. Für die Erfüllung der Zusage griff sie überwiegend auf bereits versprochene Mittel zurück. Augenfälliges Beispiel dafür war die Zusage, die Kanzlerin Merkel 2008 auf der Biodiversitätskonferenz gegeben hatte, wonach Deutschland von 2008 bis 2012 500 Mio. Euro für den Erhalt der biologischen Vielfalt bereitstellen sollte. Die Umsetzung dieses Versprechens sowie anderer internationaler Zusagen, die nun haushaltswirksam wurden, rechnete die Bundesregierung kurzerhand auf die Schnellstartfinanzierung an.“ (S. 15)

Die Kredite für den Clean Technology Fund müssen zurückgezahlt werden und man reicht – erst recht in einer Finanzkrise – nur Kredite an Kunden aus, denen man die Kredit- bzw. die Zinsenzahlung auch zutraut.

Die Anrechnung von Krediten ist ODA-Praxis „Nach den OECD-DAC-Kriterien kann ein Kredit zu 100 Prozent auf die ODA-Quote angerechnet werden, wenn der Zuschussanteil mindestens 25 Prozent beträgt. Da dieses Anrechnungsverfahren zwar zur Steigerung der ODA-Quote, nicht aber zu einer realen Mittelerhöhung im entwicklungspolitischen Haushalt führt, wird diese Praxis von entwicklungspolitischen Nichtregierungsorganisationen, wie terre des hommes und Welthungerhilfe, durchaus kritisch betrachtet.“ (S. 15)

Zwar werden diese Mittel später bei Rückzahlung der Kredite von der ODA wieder subtrahiert, aber erstens sind so Manipulationsmöglichkeiten gegeben und zweitens bleibt das Problem der Kreditvergabe. Dass nun also dieses Anrechnungsverfahren auch bei der Schnellstartfinanzierung angewandt wird, mehrt die Probleme: „Zum einen ist zumindest für den Bereich der Anpassung die Vergabe von zurückzahlbaren Krediten nicht sinnvoll. Es geht ja um die Schadensminderung von – wenn man die in der Atmosphäre vom Menschen angehäuften Treibhausgase betrachtet – vor allem von Industrieländern ausgelösten Problemen. Zum anderen aber ist nicht damit zu rechnen, dass die Kredite in der Phase der Schnellstartfinanzierung zurückgezahlt werden. Die versprochene Summe wird also aufgebläht, ohne dass dem eine Gegenrechnung bei Zurückzahlung der Kredite gegenübersteht.

Mehr ‚neue und zusätzliche‘ Mittel bereitzustellen – für eine ‚glaubwürdige Umsetzung‘ der Schnellstartfinanzierung wäre … zwingend erforderlich gewesen.“ (S. 16).

Dass es dennoch etwas „frisches zusätzliches Geld“ 2011 – 35-40 Mio. Euro – für die „Schnellstartfinanzierung“ gab, lag daran, dass zusätzliche Mittel dem Special Climate Change Fund und dem Least Developed Countries Fund zugewiesen wurden, ohne der Erfüllung einer Finanzzusage zu dienen.

So richtig und dankenswert es von Germachwatch ist, diese Vorgänge aufzuzeigen und damit verwaltungs- und regierungsmäßiges Agieren transparent zu machen, so kritikwürdig ist das Lob für Deutschland, Emissionshandelserlöse für die Klimafinanzierung einzusetzen (S. 21f). Dieses Lob wird durch die Studie der britischen Umweltorganisation “Sandbag Climate Campaign” ad absurbum geführt. Dazu später in mehring1.

Außerdem heißt es bei Germanwatch selbst, dass die Mittel gering seien und: „Eine ‚politische Zweckbindung‘ der Emissionshandelserlöse zur Finanzierung von Klimaschutzmaßnahmen besitzt allerdings nicht das Maß an Verbindlichkeit, das es braucht, um Planungssicherheit für die Langfristfinanzierung zu gewährleisten. Eine ‚haushalterische Zweckbindung‘ hingegen schon … Denn die Bundesregierung hat im Herbst vergangenen Jahres eine Parallelstruktur im Haushalt geschaffen, die die notwendige Planungssicherheit zulässt: Das Sondervermögen Energie- und Klimafonds. “ (S. 22-23).

Germanwatch macht „Handlungsbedarf“ aus, weil die Bundesregierung es  bei den ca. 35 Millionen Euro aus dem Sondervermögen im Bereich „Klima- und Umweltschutz“ von BMU und BMZ 2011 belassen will.

Dass die NGO als Fazit die bereits erwähnte „Klimawährung“ von 0,3% zum BIP und die ODA von 0,7% realisieren will, hat zweifellos eine Berechtigung. Ebenfalls hat der diplomatische Ton bei geübter Kritik und den unterbreiteten Vorschlägen seine Berechtigung, wenn man Regierende und Abgeordnete überzeugen will. Aber damit wird der notwendige Gesellschafts- und Wirtschaftsstrukturwandel weder in den Geberländern noch in den Ländern der Hilfsbedürftigen real befördert. Die Herausforderung für die Linke besteht also darin, mit den von Germanwatch aufgezeigten Fakten und Zusammenhängen Politik zu entwickeln – um Einfluss auf die öffentlichen Finanzen zu ringen, damit konstruktive Standards der Entwicklungs- und Klimapolitik realisiert und ausgebaut werden. Das gelingt nur, wenn die Linken vor Ort, in den Kommunen und Regionen zugleich ausgehend von konkreten Problemen  Bündnisse schaffen und entwickeln (helfen) und sich die Probleme der global Ärmsten bzw. der vorrangigen Opfer des Klimawandels aneignen.


[1] Die Europäische Kommission bemüht sich darum, bis 2013 eine für die EU gemeinsame Definition für „neu und zusätzlich“ zu erarbeiten. Sie hat die EU-Mitglieder aufgefordert, ihre Definitionen von „neu und zusätzlich“ offenzulegen. Sie ist allerdings bereit, für mehr als die Hälfte der EU-Mitglieder zu akzeptieren, dass ab 2013 die Klimafinanzierung aus einer Mischung aus ODA- und Nicht-ODA-Mitteln bestehen dürfe (S. 11).

Leave a Reply

You must be logged in to post a comment.

Facebook IconTwitter IconView Our Identi.ca Timeline