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Es war schon toll bzw. enorm, was die 1300 Teilnehmer/innen aus 39 Ländern so auf der Europäischen Attac-Akademie (ENA) in Freiburg erfahren, für die eigene politische und fachliche Arbeit „mitnehmen“ und verabreden konnten. Auch hat das Ganze großen Spaß gemacht und kulturell bereichert. Die Organisatorinnen und Organisatoren haben also viel Dank verdient und vor allem, dass nun mit den ENA-Früchten produktiv umgegangen wird.

Darunter werden viele Unterschiedliches verstehen, was keineswegs problematisch ist. Die Meisten waren angereist, um zu lernen, zu diskutieren und zu vernetzen. Wesentlich geringer war die Zahl jener, die eher bzw. nur ihre Sichten verkünden wollten. Die Meisten interessierte, wie sie die Linken in Europa stärken und globalsolidarisch sein können. Nicht so ganz Wenigen war zunächst das Selbstverständnis von Attac wichtiger. Während die Nord- und Südeuropäer/innen  sowie die Gäste aus Italien mehrheitlich mit Attac auch und insbesondere Sozialforumsprozesse stärken wollen, ging es den WesteuropäerInnen vielfach eher darum, Attac als kollektiven Akteur zu entwickeln. Das wurde besonders deutlich, als einerseits die Präsidentin von Attac Norwegen Benedikte Pryneid Hansen als Aktivistin der Sozialforumsbewegung einen diesbezüglichen Workshop moderierte und die italienische Gewerkschafterin und hochengagierte „ESF-Frau“ Alessandra Mecozzi die Geschichte der Sozialforumsprozesse reflektierte. Andererseits erklärte im großen Attac-Forum Uli Brand, dass das ESF “tot” sei, ohne jedoch auch nur ein Argument dafür zu nennen. Die österreichische Attac-Sprecherin Alexandra Strickner will anstelle der Sozialforen eine strukturierte Debatte ernannter Repräsentanten, bei der eben nur die jeweils Kompetenten mitreden können.

Das war für jene relativ wenigen ENA-Gäste mit migrantischem Hintergrund ein zusätzlicher Grund in den Workshops zu bemerken, dass Attac und die sozialen Bewegungen doch auch sozial Ausgegrenzten Möglichkeiten zu gesellschaftlichem Engagement bieten sollten. Oder aber wolle Attac eine „Mittelstands-NGO“ werden? Die Tendenz dazu sieht Peter Grottian immer deutlicher werden.

Alessandra Mecozzi sieht das Hauptproblem und die Hauptursache für den Niedergang sozialer Bewegungen und der Sozialforumsprozesse in Italien darin, dass diese kurz nach dem ESF von Florenz 2002 ihre politisch-strategische Autonomie verloren hätten. Das habe wiederum mit der Regierungsbeteiligung von Rifondazione zu tun, zu der sich die sozialen Bewegungen unentwegt verhalten sollten bzw. haben und sich damit nicht-verkraftbare Belastungen auferlegten. Das ESF habe nicht wenig für die „horizontale Herausbildung einer europäischen Gesellschaft“ geleistet, allerdings stehe dieser Prozess noch immer am Anfang. Da die Linken ihn kaum zu forcieren vermögen, finde primär eine zweifelhafte Europäisierung von oben statt. Dabei ließe die Hegemonie zwar widersprüchlich, aber letztendlich doch die Herrschenden herrschen. Im November würden die Linken in Italien zusammenkommen, um zu beraten, was sie für die „horizontale Herausbildung einer europäischen Gesellschaft“ tun können. Uli Brand hält diese Fragestellung aus Gründen der Hegemonie-Problematik für „gefährlich“. Er setzt gegenwärtig auf die Stärkung von Attac und deren Rolle im Ensemble der sozialen Bewegungen.

Andere Attac-Aktive sehen ihre Herausforderung primär darin, darüber aufzuklären, was in den Krisen passiert, welche Handlungsmöglichkeiten für die Linken daraus folgen und wie sie genutzt werden können. Das  gilt insbesondere zum einen für die Ökonomen Miguel Otero-Iglesias, Dominique Plihon und Franco Carmiatti, die die Europäische Wirtschafts- und Währungsunion so reformieren wollen, dass sie eine sozial und ökologisch bessere europäische Integration befördern könne. Das gilt zum anderen für die überraschend vielen „Gemeingüter-Aktive“, deren relativ zahlreichen Workshops leider oftmals zeitgleich stattfanden. Dexter Whitfield brachte sein bemerkenswertes Buch „Global Auction of Public Assets. Public Sector Alternatives to the Infrastructure Market & Public Private Partnership“ mit. David Hall präsentierte Ergebnisse eines internationalen Forschungsprojektes zur Rekommunalisierung. Jacques Cambon erklärte die verschiedenen Formen von Wasserprivatisierung  in Frankreich und warb für das Alternative Wasserforum in Marseille (10.-18.3.2012). Mitglieder von „Gemeingut in BürgerInnenhand“ erklärten plastisch, wie man sich gegen Privatisierungsvorhaben wehren, gegen bereits erfolgte Privatisierungen kämpfen, sich Gemeingüter wieder oder neu aneignen und damit zugleich die Gesellschaft verändern kann …  Nicht zuletzt war interessant, dass sich die „Gemeingüter-Aktiven“ mehrfach positiv auf internationale Sozialforumsprozesse bezogen, insbesondere auf die Gemeingüter-Erklärung vom Weltsozialforum in Belem 2009.

Ihr Herangehen an Gemeingüter ist mit konkreten Positionen zur Demokratisierung verbunden, von denen sich die Ansichten des hochaktiven österreichischen „Attacki“ Christian Felber unterscheiden. Felbers interessante Ideen und Aktivitätenzielen zum einen auf die populäre öffentliche Präsentation alternativer Sichtweisen, zum anderen auf Alternativen-leben, aber marginalisieren den  bewussten politischen Kampf. So muten scheinbar einfache Erklärungen dennoch elitär an, richten sich vorrangig an jene, die eher sozial „gut bzw. besser situiert sind“. Dass konkrete Alternativen vielfach gerade damit beginnen, dass die Interessen von sozial Ausgegrenzten ernst genommen werden, illustriert der Freiburger Wohnort Vauban, ein attraktives Fallbeispiel für „Lasst uns über Alternativen reden“. Seine Verallgemeinerung wäre eine weitgehende gesellschaftliche Veränderung …

Das Beispiel Vauban wurde u. a. im Workshop zu „FS&AL 2012!“ vorgestellt. Das ist die auf dem Weltsozialforum in Dakar ve1reinbarte Initiative, im Jahr 2012 eine „Internationale Woche der lokalen Sozialforen zu lokalen Alternativen“ zu veranstalten und dabei – dank moderner Technik – Menschen und Initiativen auf verschiedenen Kontinenten einander begegnen und ihre Erfahrungen austauschen zu lassen.

Der ENA sollten also viele Aktivitäten und angestrengte konzeptionelle Arbeit folgen.

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