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Das große Vorhaben ist nicht aufgegangen: Nach dem in-Kraft-Treten des Lissabonner Vertrages sollte mit der Verkündung von Grundlinien für die fortgeschriebene Lissabonstrategie eine Aufbruchstimmung hervorgerufen werden: Die Bürgerinnen und Bürger sollten sehen, dass es trotz Enttäuschungen über die EU, Finanz- und Wirtschaftskrise, trotz Kopenhagen-Desaster mit der Europäischen Union „weiter in die richtige Richtung“ gehe.

Das Zick-Zack um den Kompromiss zu Griechenlands Schulden bewies wenig „europäisches Denken“ und die deutsche Kanzlerin, dass sie ihren ohnehin zweifelhaften Titel „Mrs. Europa“ freiwillig abgetreten hat. Es hat auch und insbesondere mit ihrer Haltung zu tun, dass die Ziele für die Armutsbekämpfung wesentlich reduziert wurden.

Ende März 2010 steht fest: Die Europäische Union verschiebt im „Europäischen Jahr zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung“ den Kampf dagegen. Sie verabschiedet sich von vereinbarten Indikatoren zur Armutsbestimmung. Im UN-Jahr der Biodiversität und beim Fazit „Wir haben die Artenschutzziele 2010 verfehlt“ (Umweltkommissar Potocnik) macht man „weiter so“. Das gilt auch für den Klimaschutz, was unten noch dokumentiert wird.

Wären die Probleme bzw. die soziale und ökologische Zerstörung nicht so dramatisch, könnte ironisch resümiert werden: „Na klar ‚wir’ halten ja auch an der Orientierung Wachstum und Konkurrenzfähigkeit fest. Da ist das denn nur folgerichtig.“

Und so heißt es in den Schlussfolgerungen des Europäischen Rates: „… Der Europäische Rat hat die folgenden Kernziele vereinbart, die gemeinsame Ziele darstellen, nach denen sich das Handeln der Mitgliedstaaten und der Union richtet:

− Unter den 20- bis 64-jährigen Frauen und Männern wird eine Beschäftigungsquote von 75 % angestrebt, auch durch die vermehrte Einbeziehung von Jugendlichen, älteren Arbeitnehmern und Geringqualifizierten sowie die bessere Eingliederung von legalen Migranten.

− Die Bedingungen für Forschung und Entwicklung sollen verbessert werden – insbesondere mit dem Ziel, ein öffentliches und privates Investitionsvolumen von insgesamt … 3 % des BIP zu erreichen …

− Die Treibhausgasemissionen sollen gegenüber dem Niveau des Jahres 1990 um 20 % verringert werden; der Anteil der erneuerbaren Energien am Gesamtenergieverbrauch soll auf 20 % steigen, und es wird eine Erhöhung in Richtung auf eine Energieeffizienz von 20 % angestrebt.

Die EU sagt zu, einen Beschluss zu fassen, wonach sie bis 2020 eine Reduktion um 30 % gegenüber dem Niveau von 1990 erreichen will … sofern sich die anderen Industrieländer zu vergleichbaren Emissionsreduzierungen verpflichten und die Entwicklungsländer einen ihren Verantwortlichkeiten und jeweiligen Fähigkeiten entsprechenden Beitrag leisten.

− Das Bildungsniveau soll verbessert werden, wobei insbesondere angestrebt wird, die Schulabbrecherquote zu senken und den Anteil der Bevölkerung, der ein Hochschulstudium abgeschlossen hat oder über einen gleichwertigen Abschluss verfügt, zu erhöhen; …

− Die soziale Eingliederung soll insbesondere durch die Verminderung der Armut gefördert werden. Es bedarf noch weiterer Arbeiten an geeigneten Indikatoren.

Diese Ziele betreffen die wichtigsten Bereiche, in denen rasche Fortschritte erforderlich sind. Sie sind miteinander verknüpft und verstärken sich gegenseitig.“

Die Mitgliedstaaten sollen ihre Programme unter Berücksichtigung der Kernziele festlegen und dazu mit der Europäischen Kommission beraten. Die Ergebnisse dieses Dialogs werden vom Rat bis Juni 2010 geprüft. „Die neue Strategie wird die wesentlichen Hemmnisse für das Wirtschaftswachstum auf nationaler und auf EU-Ebene angehen, einschließlich derjenigen, die mit dem Funktionieren des Binnenmarkts und der Infrastruktur zusammenhängen.“

Die Kernziele sollen alle Gemeinschaftspolitiken prägen und damit sollte die Aufmerksamkeit der Linken schon einmal auf den neuen EU-Haushalt ab 2014 gerichtet werden.

Die Koordinierung der nationalstaatlichen Wirtschaftspolitiken und die Überwachung der Strategieumsetzung sollen vor „bösen Überraschungen“ schützen.

Der Europäische Rat wird regelmäßig Aussprachen über die wirtschaftlichen Entwicklungen und Kernziele führen. Er wird sich bis Juni mit konkreten Bildungszielen, im Oktober 2010 mit Forschung und Entwicklung befassen. Anfang 2011 wird er die Energiepolitik behandeln, darunter die Frage, wie diese Politik den Übergang zu einer effizienten CO2-armen Wirtschaft und eine größere Versorgungssicherheit am besten unterstützen kann.

Da sind Armutsbekämpfung und Erhalt der Biodiversität, die Auseinandersetzung mit sozialer und ökologischer Zerstörung störend.

An dieser Kritik kann auch folgende Passage nichts ändern, die eine gewisse Lernfähigkeit offenbart: „Rasche Fortschritte sind bei der Verschärfung der Finanzmarktvorschriften und der Finanzmarktaufsicht sowohl innerhalb der EU als auch in internationalen Foren wie der G20 erforderlich, wobei gleiche Ausgangsbedingungen auf globaler Ebene zu gewährleisten sind.

Insbesondere sind in folgenden Bereichen Fortschritte notwendig: Eigenkapitalanforderungen, systemrelevante Institute, Finanzierungsinstrumente für das Krisenmanagement, Steigerung der Transparenz an den Derivatenmärkten und Erwägung von spezifischen Maßnahmen bezüglich Kreditausfallversicherungen (CDS) auf Staatsschuldtitel sowie Anwendung international vereinbarter Grundsätze für Bonuszahlungen im Finanzdienstleistungssektor. Die Kommission wird in Kürze einen Bericht über mögliche innovative Finanzierungsquellen, wie etwa eine globale Steuer auf Finanztransaktionen vorlegen.“

Der Umgang mit dem Thema „Armut“ fordert zu Protest heraus. Vor und auf dem Europäischen Sozialforum werden die Linken zu beraten haben „Was nun und wie weiter?“ Ebenso und im Kontext damit „Was nun in Sachen Klima und Biodiversität?“. Wie aus der politischen Defensive zu einem Gesellschaftswandel beitragen, der zugleich menschliche Unterdrückung, Klima- und Naturzerstörung strukturell rückdrängt und letztendlich überwindet? Dabei geht es um Ressourcenmobilisierung, ihren Einsatz und ihre Verwendung, was wesentlich mit Haushalts- und Finanzpolitik einerseits und Demokratisierung andererseits zu tun hat. Also, nun in diesem Blog schon zum wiederholten Male die Empfehlung „Reclaim the Budget“!

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