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Gerade referiert das Handelsblatt unter der Überschrift „Ökonomen raten zu Rasenmäher-Kürzungen“ das der Redaktion bereits vorliegende Herbstgutachten der Wirtschaftsforschungsinstitute. Die Institute fordern hartes Sparen und das Einfrieren von Ausgaben – dann sei eine Steuersenkung (Unternehmenssteuer und Einkommensteuer) auch möglich. Das Koch/Steinbrück-Paket zum Subventionsabbau von 2003 wird von den Wirtschaftsforschungsinstituten ausdrücklich als Bezugspunkt gewählt.
Im Kern ist dies keine ökonomische, sondern eine politische Standortbestimmung der Institute: weder werden die Probleme des in Deutschland verschleppten Strukturwandels angesprochen, noch berücksichtigt, dass es nach den langen Jahren des Absinkens der Realeinkommen der Lohnabhängigen nur noch enge Spielräume der Absenkung von Löhnen und Sozialleistungen gibt – wenn man nicht auf wachsende Repression setzt. Interessant ist in diesem Zusammenhang folgende Einschätzung des Handelsblatt: „Die Institute trauen einer schwarz-gelben Regierung hartes Dauersparen zu…“ Das bedeutet aber auch, dass die Richtung des Sparens nur und nur die Lohnabhängigen sind. Angesichts der trotz der offensichtlichen Krise florierenden Börsengeschäfte stellt sich die Frage, ob den Kollegen überhaupt noch der offensichtlich Bruch zwischen der Entwicklung des Finanzmarktes und der Sphäre, die letztlich die dort erzielten Gewinne in materielle Leistungen umsetzen muss, bewusst ist.
Realistischerweise schätzen sie aber auch ein, dass sich die Situation durch Konjunkturbelebung allein kaum bessern werde. Damit sprechen sie nun endlich aus, was im Wahlkampf untergegangen ist – der notwendige Abschied von der Illusion des „Eigentlich-Weiter-So“. Dies ist ohne Frage richtig. Nur wie sieht das „Anders“ aus? Wir nähern uns in den Diskussionen beständig wieder den Aussagen der Zukunftskommission Bayern-Sachsen aus der zweiten Hälfte der neunziger Jahre. Damals wurde Verarmung und Repression als notwendige Schritte auf dem Weg zur wissensbasierten Unternehmergesellschaft charakterisiert. Die Agenda 2010 drückte das eleganter aus – Fördern durch Fordern – die Konsequenzen waren nicht weit von der Forderungen von Miegel&Co. entfernt. Somit erhält die in den IfG-Papieren zur Krise entwickelten Überlegungen zu Szenarien (Kontrovers 1/2009 S.8ff. und 2/2009 S. 6ff.) wieder unmittelbare Aktualität.
Interessant auch folgendes. Wenn die Reflexion des Handelsblattes richtig ist, wird Deutschland weiter Positionen in der internationalen Konkurrenz verlieren – die nötigen Strukturveränderungen scheinen in dem Gutachten keine Rolle zu spielen. Das ist selbstmörderisch. Genauso wenig scheinen die Institute die Konsequenzen des weltweit wachsenden Hungers und des Klimawandels als Restriktionen von Wirtschaftspolitik zu verstehen.
Die vorab veröffentlichten Aussagen des Berichtes deuten darauf hin, dass die Mainstream-Ökonomie von der Komplexität der Widersprüche völlig überfordert ist. Nun ist dies keine neue Feststellung – die offene Ableitung eines in seinen Konsequenzen repressiven Politikansatzes gibt der Sache allerdings aktuelle eine erhebliche politische Brisanz. Wie auch die Koalitionsverhandlungen deutet der Bericht auf eine Verschärfung der Richtungskämpfe auch im herrschenden Block hin.

2 Responses to “Wollen Wirtschaftsforschungsinstitute einen Kurs sozialer Kollision?”

  1. Es geht nicht um soziale Kollision, sondern Privatisierungen und Refeuladisierung, wie dieses Zitat der OECD aus 1996 deutlich macht – als Empfehlung an die Mitgliedsstaaten:

    »Um das Haushaltsdefizit zu reduzieren, sind sehr substanzielle Einschnitte im Bereich der öffentlichen Investitionen oder die Kürzung derMittel für laufende Kosten ohne jedes politische Risiko.Wenn Mittel für laufende Kosten gekürzt werden, dann sollte die Quantität der Dienstleistung nicht reduziert werden, auch wenn die Qualität darunter leidet. Beispielsweise lassen sich Haushaltsmittel für Schulen und Universitäten kürzen, aber es wäre gefährlich, die Zahl der Studierenden zu beschränken. Familien reagieren gewaltsam, wenn ihren Kindern der Zugang verweigert wird, aber nicht auf eine allmähliche Absenkung der Qualität der dargebotenen Bildung, und so kann die Schule immer mehr dazu übergehen, für bestimmte Zwecke von den Familien Eigenbeiträge zu verlangen, oder bestimmte Tätigkeiten ganz einstellen. Dabei sollte nur nach und nach so vorgegangen werden, z.B. in einer Schule, aber nicht in der benachbarten Einrichtung, um jede allgemeine Unzufriedenheit der Bevölkerung zu vermeiden.«

    Christian Morrisson: The Political Feasibility of Adjustment. Policy Brief No. 13, OECD 1996, www.oecd.org/dataoecd/24/24/1919076.pdf

  2. klaus mair sagt:

    dakonische sparpakete um haushalt zu “sanieren”ludwig ehrhardt wollte keine schulden machen.da schrieen andere:der ist unfähig(auch “kleikari-irt) .kaum war ehrhardt abgesägt,erhöhten beamte pensionen um 8% durch kreditaufnahme.so fing die unverantwortliche schuldenmacherei an.–verschuldung ernährt sich aus sich seber,das heißt,schulden steigen und steigen,dabei geht aber die neu-kreditaufnahme für die steigende alt-zinslast drauf!! -Was fast nirgends erwähnt wird:trotz brutalen spar-ens steigen schulden trotzdem weiter,bloß eben verlangsamt,bis “eines tages”die zinlast so groß wird,daß man sich schulden durch “währungs-reform” und/oder inflation entledigt. vorher werden jedoch vermutlich politiker beteuern,das das geld(wie sparguthaben etc.) ,sicher sei.

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