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Die Vorschläge der Europäischen Union für das G20-Treffen in Pittsburgh waren dürftig: zwar hieß es, dass die Derivaten-Märkte „effizient und sicher zu machen“ wären, aber eine konsequente Bankenaufsicht war nicht vorgesehen.

Die G20 beschränkten sich auf Weniges, wenngleich nicht Falsches, zur mikroökonomischen Steuerung und auf das Versprechen, sich künftig der makroökonomischen Regulierung zuzuwenden – dem „Framework for Strong, Sustainable and Balanced Growth“.

In der Mitteilung der Europäischen Kommission vom 7.10. – der „Jährlichen Erklärung zum Euroraum 2009“ – war nun zu lesen, dass eine „intensivere und umfassendere Koordinierung und Überwachung“ als „dringend erforderlich“ angesehen werden. „Der Euro hat in der Krise als Schutzschild gewirkt, auch für Mitgliedstaaten, die nicht zum Euroraum gehören. Allein kann er aber binnen- und außenwirtschaftliche Ungleichgewichte nicht aus der Welt schaffen. Der Euroraum und die Eurogruppe müssen sich stärker darum bemühen, die Wirtschafts- und Haushaltspolitik als Angelegenheit von gemeinsamem Interesse zu betrachten und Unterschiede bei der Wettbewerbsfähigkeit abzubauen”, so der Wirtschafts- und Währungskommissar Joacquin Almunia.

 

Die Mitteilung zielt zum einen auf die Bewältigung der Finanz- und Wirtschaftskrise, ohne deren Ursachen konsequent anzugreifen. Zum anderen zielt sie auf Gewinne an globaler Konkurrenzfähigkeit und stabilem Wirtschaftswachstum für den Euroraum und die Europäische Union. Die Euroländer und die EU-Institutionen sollen ihre Steuerung besser koordinieren, damit der EU-Binnenmarkt besser funktioniert. Sie sollen so agieren, dass der Euroraum und die EU effektiv für intakte Weltmärkte wirken. Die EU der verschiedenen Geschwindigkeiten wird eindeutig fortgeschrieben.

Die Mitteilung ist aus zumindest drei weiteren Gründen interessant:

Erstens thematisiert sie die stärkere makroökonomische Koordinierung aus Ungleichgewichten in den Leistungsbilanzen, Instabilitäten der öffentlichen Finanzen und „schädlichen Wettbewerbsentwicklungen“ im Euroraum.

Zweitens stellt sie klar, dass man an den bisherigen Prinzipien und Regelungen der Wirtschaftspolitik festhält und von den anderen Krisen (Klima/Ökologie, Ernährung, Energie) abstrahiert.

Drittens zeigt sie den Willen der Europäischen Kommission, dass der Euroraum intensiv und maßgeblich am „Framework for Strong, Sustainable and Balanced Growth“ mitarbeitet und die Hoffnung auf Handlungsgewinn durch die Ratifizierung des Lissabonner Vertrages.   

 

Zu 1) Die Krise habe die Anfälligkeit jener Euroländer gezeigt, die makroökonomische Ungleichgewichte auflaufen ließen. Die günstigen makroökonomischen Bedingungen, die das Kreditwachstum weltweit befördert haben, hätten einigen Mitgliedstaaten die Möglichkeit gegeben, ein rasches, aber zunehmend unausgewogenes Wirtschaftswachstum zu finanzieren. Dabei sei das ihnen zufließende Kapital nicht immer rationalster Verwendung zugeführt worden. Länder mit Leistungsbilanzüberschuss bekamen gleich beim Wegbrechen der Nachfrage auf den Weltmärkten Wachstumsrückgänge zu spüren. Versäumnisse bei der Haushaltskonsolidierung, der Finanzaufsicht und der wirtschaftspolitischen Koordinierung der Mitgliedstaaten hätten innerhalb der Wirtschafts- und Währungsunion diese Schwächen verstärkt und die Handlungsfähigkeit des Euroraums beim Ausbruch der Krise eingeschränkt.

Diese Einschätzung ist zweifellos nicht falsch, auch nicht die Schlussfolgerung (aus dem Jahre 2008), wonach die Mitglieder des Euroraumes ihre makroökonomische Politik besser aufeinander abstimmen müssten, die Überwachung auch auf Fragen der makroökonomischen Stabilität und der Wettbewerbsfähigkeit ausweiten und erfolgreicher kooperieren, um die Vorteile der einheitlichen Währung in vollem Umfang zu nutzen.

Das Problem ist, dass hier „Wettbewerbsfähigkeit“ Konkurrenzfähigkeit bedeutet und mit „Vorteilen der einheitlichen Währung“ die einheitlichen Zinssätze und  Wechselkurse sowie eine erforderliche und vorhandene wirtschaftspolitische Koordinierung der Euroraum-Mitglieder gemeint sind. Wenn es aber um Konkurrenzfähigkeit geht, wird nach Schwächeren gesucht, die man ausschalten bzw. ausnutzen kann. So drängt die EU weiterhin auf die Liberalisierung von Finanzdienstleistungen im Rahmen des GATS-Abkommens sowie auf Freihandels- und Wirtschaftspartnerschaftsabkommen mit ökonomisch schwächeren Ländern. Dadurch schwinden deren nationalstaatliche Regulierungskapazitäten, was immer zuerst die global Armen trifft.

Zu 2) Die wirtschaftspolitische Koordinierung der Euroraum-Mitglieder soll Wachstumspotenziale wahren und erschließen, deren öffentliche Finanzen stabilisieren und negative „Wettbewerbsentwicklungen“ zwischen den Euro-Ländern überwinden. „Eine gut durchdachte und koordinierte Rücknahme von Konjunkturanreizen und Unternehmensfördermaßnahmen würde zu gegebener Zeit ‑ wenn sie mit glaubhaften Strukturreformplänen einhergeht ‑ die Aussichten auf Preisstabilität verbessern und die einheitliche Geldpolitik erleichtern“. Koordinierung solle im Wesentlichen bedeuten, dass „sich die Vorstellungen über die richtige Zeitplanung, das richtige Tempo und die richtigen Abstände für die Normalisierung der politischen Vorgaben decken.“

Dieses Wachstum ist auf Grund seiner Strukturen gesellschaftlich und ökologisch zerstörerisch. Die EZB und ihre Geldpolitik bleiben auf Preisstabilität fixiert, was wirtschaftspolitische Möglichkeiten schmälert. „Strukturreformen“ sollen dafür sorgen, dass der Euroraum und der EU-Binnenmarkt besser funktionieren, die Marktmechanismen stärker zur Wirkung kommen – im Interesse der am Markt Stärksten, also der Konzerne. Dadurch werden soziale und ökologische Probleme zugespitzt.

Zu 3) In der Mitteilung wird für eine effektivere Vertretung des Euroraumes in internationalen Wirtschafts- und Finanzorganisationen bzw. Foren plädiert. Da sich die G-20 inzwischen als neue Plattform für die globale wirtschaftspolitische Koordinierung etabliert haben, sei es an der Zeit, „die einzigartige wirtschaftliche und institutionelle Identität des Euroraums anzuerkennen“. Die Eurogruppe müsse alles daransetzen, einen gemeinsamen Standpunkt zu entwickeln, um zur Umsetzung des von den G-20 in Pittsburgh vereinbarten globalen „Framework for Strong, Sustainable and Balanced Growth” beizutragen.

Die Kommission ruft die Mitgliedstaaten auf, „ihren politischen Willen und Führungsanspruch zum Ausdruck zu bringen, damit die gemeinsamen Vorstellungen in konzertierte politische Maßnahmen münden“. Der Lissabon-Vertrag würde weitere Möglichkeiten zur Verbesserung der wirtschaftspolitischen Governance des Euro-Raumes liefern, da er die förmliche Anerkennung der Eurogruppe und ihres Vorsitzenden bringen und die Überwachungsfunktion der Kommission stärken würde.

Der Euroraum soll also dafür sorgen, dass die EU erwirken kann, dass der „Framework for Strong, Sustainable and Balanced Growth” die Realisierungsbedingungen der Lissabonstrategie verbessert, die globale Konkurrenzfähigkeit der EU stärkt. Damit aber wachsen die globalen Probleme weiter an.

One Response to “Mehr Regulierung für mehr Markt”

  1. […] und hat trotz des zu erwartenden Protests die Mehrwertsteuer um 3 Punkte angehoben Damit war die Mehring1 » Blog Archiv » Mehr Regulierung für mehr MarktDie Vorschläge der Europäischen Union für das G20Treffen in Pittsburgh waren […]

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