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Herbert Klemisch rezensiert

Christoph Butterwegge: Die zerrissene Republik. Wirtschaftliche, soziale und politische Ungleichheit in Deutschland. Beltz Juventa Verlag, Weinheim und Basel 2019; 414 Seiten, 24,95 €

Der Band gibt nicht nur einen historischen Einstieg in die Entwicklung der Sozialstruktur der Bundesrepublik, sondern auch einen Überblick über tagesaktuelle Diskussionen über z.B. die Sozialisierungsforderung des Juso-Vorsitzenden Kevin Kühnert. Der Autor Christoph Butterwegge war bis 2016 Professor für Politikwissenschaft in Köln. 2017 trat er als Kandidat der Linkspartei für das Bundespräsidentenamt an. Er gilt als einer der engagiertesten Experten für die unterschiedlichen Ausformungen sozialer Ungleichheit in Deutschland und hat hier ein umfangreiches Kompendium, eine Art Lehrbuch, zudem für einen erschwinglichen Preis, vorgelegt.
Das Buch ist in sechs Kapitel gegliedert, die sich der Entwicklung der Sozialstruktur und sozialer Ungleichheit in verschiedenen Facetten nähern, sowohl historisch als auch aktuell. Die Darstellung beginnt mit Definitionen, angefangen bei Marx und Weber, setzt sich mit ausgewählten Studien seit 1945 auseinander, indem der Verfasser diese auf ihre Aussagekraft prüft. Hier reicht der Bogen von Schelsky, Dahrendorf über Marcuse, Beck bis zu Nachtweys «Abstiegsgesellschaft». Dann werden Erscheinungsformen wirtschaftlicher und sozialer Ungleichheiten ausgebreitet. In der Logik der Argumentation des Buches folgen Blicke auf Entstehungsursachen und Entwicklungstendenzen. Das letzte Kapitel führt die verschiedenen Stränge zusammen und zeigt die Konturen einer «zerrissenen Republik», wie der Autor die BRD nachvollziehbar und verständlich analysiert. In diesem Zusammenhang spricht Butterwegge von einer «US-Amerikanisierung» der Sozialstruktur.
Eine Stärke des Buchs liegt darin, vor langer Zeit vorgetragene Überlegungen zur sozialen Ungleichheit mit aktuellen Positionen verbinden. Dadurch werden Kontinuitäten und Brüche erkennbar. Deutlich wird, wie intensiv und kontrovers über soziale Ungleichheit geforscht und nachgedacht wurde. Obwohl Studien immer wieder öffentlich präsentiert wurden, gab es kaum politische Reaktionen, geschweige denn Veränderungen. Beim Lesen wird deutlich, wie sich die Republik, insbesondere auch nach der Wiedervereinigung, immer mehr mit sozialer Ungleichheit arrangierte. Dem Wohlstand auf der einen Seite, der stetig wuchs, musste notwendig auf der anderen Seite eine immer größer und bedrohlicher werdende Armut gegenüberstehen.
Letztlich steuerte diese Republik auf die Einführung der Hartz-Gesetze zu und verfestigte damit ihre Polarisierung dauerhaft. Die Politik, und auch die Öffentlichkeit dieser Gesellschaft haben es zugelassen, dass diese inzwischen eine «zerrissene Republik» ist, wie es der Autor plakativ und mit einer Fülle von Fakten hinterlegt darlegt.
Fazit: Das Buch ist tagesaktuell und auch für Nicht Expert*innen verständlich und spannend zu lesen. Etwas kurz geraten sind die Alternativen, im Sinne einer Umverteilung von oben nach unten.

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