Seit Annahme des Wahlprogramms von Syriza im September 2014 haben sich trotz des Wahlsiegs der Partei die Kräfteverhältnisse weiter zuungunsten der emanzipativ-solidarischen Kräfte in Griechenland entwickelt. Das geht in erster Linie auf die Schwäche der Linken in Deutschland und in Frankreich wie im Euroraum und in der EU insgesamt zurück. Die Linken waren mehrheitlich nicht in der Lage, die im Februar begonnenen Verhandlungen so zu begleiten, dass die griechischen Freundinnen und Freunde, Genossinnen und Genossen anhaltend und nachhaltig Solidarität erfahren konnten. Diese bittere Feststellung soll nicht jene treffen, die unentwegt bemüht waren, wenigstens einzelne Aktionen zu organisieren. Im Gegenteil, sie verdienen Unterstützung. Aber die in der EU Herrschenden, insbesondere die in den Mitgliedsländern Regierenden und die EU-Institutionen, konnten eben „machen“. Dabei hätten die ersten Ankündigungen der Syriza-Regierung, was man tun wolle (Armut und soziale Ausgrenzung bekämpfen, Steuergerechtigkeit herstellen, demokratische und soziale Rechte stärken, Öffentliches verteidigen und demokratisieren) mit dem linken nachhaltigen (also durch Aktivitäten gestützten) Ruf „Wir wollen das auch!“ beantwortet werden können. Zugleich hätte unentwegt analysiert werden müssen, wie die konkrete Unterstützung für Syriza hätte aussehen können (nur wenige haben das versucht bzw. getan). Wenn dann der griechische Vorschlag vom Donnerstag schnell mit solchen Worten „Vom OXI des Referendums zum JA zu den Forderungen der Gläubiger“ kommentiert wird, dann macht man es sich zu einfach. Die griechische Regierung hatte erklärt, dass ein OXI beim Referendum ihre Verhandlungsposition gegenüber den Gläubigern stärken würde. Sie hat nicht versprochen, den bisherigen für sie ungünstigen Verhandlungsstand zu ignorieren und sich mit ihren Forderungen gegenüber den Gläubigern durchzusetzen. Wenn man sich ihren Text vom Donnerstag genau ansieht, sieht man:
1) Die jährlichen primären Überschüsse von 1, 2, 3 und 3.5 Prozent des BIP beginnend mit dem Jahre 2015 sind die Hälfte dessen, was mit der Vorgängerregierung vereinbart wurde. Eine Fußnote im Papier beinhaltet flexible Festlegungen entsprechend der aktuellen wirtschaftlichen Entwicklungen. Das ist eine Herausforderung für die sozialen Bewegungen.
2) Die zur Zeit nicht verhinderbare Steigerung der Mehrwertsteuer soll die Armen und sozial Benachteiligten nicht voll treffen. So soll sie für Grundnahrungsmittel und unverarbeitete Lebensmittel, für Energie, Hotel und Wasser bei 13 Prozent bleiben. Bei anderen Waren wächst die Steuer schrittweise bis auf 23 Prozent an.
3) Die geforderten sofortigen Mehrwertsteuererhöhungen für die Inseln werden so nicht akzeptiert. Sie werden sozial differenziert und allmählich konzipiert. Die Lebenshaltungskosten der armen Inselbewohner/innen sollen nicht wachsen. Obwohl die Gläubiger schnelle Einnahmen sehen wollen, soll die Zunahme des Aufkommens aus der Mehrwertsteuer auf 1 Prozent des BIP schrittweise erfolgen. Über sozial gerechte Steuern soll das Steueraufkommen insgesamt steigen, so dass Maßnahmen gegen Armut und soziale Ausgrenzung realisiert werden. Die Unternehmenssteuern sollen bis auf 28 Prozent erhöht werden.
4) Die Subvention für eine Zusatzrentenzahlung wird beginnend mit den 20 Prozent höheren Renten allmählich auslaufen. Das Renteneintrittsalter wird ebenso allmählich auf 67 Jahre erhöht, die Frühverrentung wird abgeschafft. Privilegierte Rentenbezieher/innen werden politisch nicht weiter gestützt.
5) In Konfrontation zu den Gläubigern, die eine Re-Regulierung der Arbeitsverhältnisse ausschließen, stellt der griechische Regierungsvorschlag den Mindestlohn auf bisherigem Niveau wieder her. Tarifautonomie soll wieder eingeführt werden.
Hinzu kommen ein Investitionsprogramm und eine Schuldenstreichung ohne Kürzung der Strukturfonds. Solche Kapitalverkehrskontrollen, die die Souveränität des Landes einschränken würden, werden ausgeschlossen. Siehe auch die Rede des Premierministers Alexis Tsipras.
Da leider auch von Politiker/innen der Linken bzw. DER LINKEN. immer wieder erklärt wird, dass Syriza bei der sozial gerechten Besteuerung von Vermögen und Einkommen säumig sei, hier ein Beitrag, der aufklärt und klarstellt. Und dann ein Beitrag, der sich fundiert mit dem linken „Pro Grexit“ auseinandersetzt.