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Am 13. vor dem letzten Gipfel

… der EU-Regierungsspitzen im Jahre 2010 (16./17.12). In seinem Vorfeld interessieren die Mainstream-Medien eher wenig die Ergebnisse des EU-Jahres zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung – trotz Konsenskonferenz gegen Obdachlosigkeit vom 9./10.12. -, die UN-Klimakonferenz von Cancùn, die Auswirkungen des neuen NATO-Strategiepapiers, die Folgen der praktizierten bzw. angestrebten Freihandelsabkommen mit Indien und afrikanischen Staaten für die Realisierung der Millennium Entwicklungsziele – ungeachtet der deutlichen Umfragewerte zu den politischen Prioritäten der EU-Bürger/innen. Weitaus mehr erregen „die Medien“ der Umgang mit der Schuldenkrise in der EU, primär von Mitgliedern des gemeinsamen Währungsraumes. Auf den Streit kann man sich seit letzter Woche noch intensiver konzentrieren, denn die COP16 ist vorbei und der EU-Haushalt 2011 ist nun so gut wie geklärt: die Minister der Mitgliedsländer kamen dem Europäischen Parlament entgegen. So könnten 2011 der Ausgabenrahmen um 2,91% gegenüber 2010 wachsen und ein Flexibilitätsmechanismus von 0,03% des Gesamthaushaltes zur Anwendung kommen.

Die öffentliche Aufmerksamkeit richtet sich auf die Einrichtung einer ständigen Anleihe-Fazilität für verschuldete Staaten, auf die damit verbundene Ergänzung zum Artikel 136 des Lissabonner Vertrages und den Streit um die Eurobonds.

In scharfem Kontrast zum eingeschränkten Blickwinkel steht das Memorandum 2010/11 der Arbeitsgruppe alternativer Wirtschaftswissenschaftler/innen, in dem die globalen Probleme wichtige Themen sind und das ein konkretes solidarisches Herangehen an die Krisenproblematik vorschlägt (www.euromemo.eu).

Auf der Tagung des Europäischen Rates vom Oktober unterbreiteten die hohen Repräsentanten von Deutschland und Frankreich den Vorschlag, ein dauerhaftes Hilfssystem zu etablieren, um hochverschuldeten Euroländern ab Mitte 2013 Unterstützung zu geben. Dann läuft die Regelung zum 750-Mrd. Euro -Rettungsschirm von IWF und EU aus. Dass Artikel 136 des Lissabonner Vertrages entsprechend geändert werden soll, war und ist Konsens. Ebenfalls ist Konsens, dass dafür ein vereinfachtes Verfahren zur Anwendung kommen soll.

Die Europäische Kommission legte den Finanzministern Ende November einen Vorschlag auf den Tisch. Danach soll der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM) in Zusammenarbeit von Europäischer Kommission und Europäischer Zentralbank 2016 evaluiert werden. Diese hatte bis zum 1.12. bereits 67 Mrd. Euro Staatsanleihen von „Problemländern“ wie Griechenland, Irland und Portugal aufgekauft, um „die Märkte zu beruhigen“.

Der ESM soll in Anspruch genommen werden können, wenn der „hilfsbedürftige Euro-Staat“ ein strenges Wirtschafts- und Finanz-Anpassungsprogramm vorlegt. Das IWF-Vokabular ist nicht zufällig, denn der ESM soll IWF-konform sein. Im Falle eines Liquiditätsproblems sollen IWF, EZB und Europäische Kommission gemeinsam eine Schulden-Nachhaltigkeitsanalyse erarbeiten, in der festgestellt wird, ob das Anpassungsprogramm ausreichend erfolgversprechend ist, um die alten und neuen Schulden abzubauen. Ist es das, können auch private Gläubiger gewonnen werden.

Ergibt die Analyse, dass ein Mitgliedsland insolvent werden könnte, müsste es mit den privaten Gläubigern einen umfassenden IWF-gemäßen Plan erarbeiten, um aus dem ESM Liquiditätsunterstützung erhalten zu können. Im Falle der Insolvenz eines Staates würden Kollektive Aktionsbestimmungen (CAC) zur Wirkung kommen: Bei qualifizierter Mehrheit sollen die CAC den Gläubigern eine Änderung der Zahlungsbedingungen – Zinsnachlässe, Schuldenstundung usw. gestatten können. Das Risiko der Umschuldung würde mittels CAC nicht erhöht.

Zwei Sätze sind für die Abschlusserklärung der Europäischen Ratstagung vorgeschlagen: „Die Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist, können einen Stabilitätsmechanismus einführen, der die Stabilität der Euro-Zone als Ganzes sichert. Die Bewilligung finanzieller Hilfen wird dabei unter strikte Bedingungen gestellt.“

Das alles ist sehr allgemein und bis Mitte 2013 kann noch viel passieren. So steht insbesondere die Frage, ob der Rettungsschirm ausreichend sei. Es wird sogar von einer notwendigen Verdoppelung gesprochen und Deutschlands Regierende schreien auf.

Der Chef der Europäischen Kommission Barroso und Eurogruppen-Chef Juncker haben sich nachdrücklich dafür ausgesprochen, Eurobonds einzuführen. Damit würde die Wirtschafts- und Währungsunion im kollektiven Namen und auf ihre Rechnung Kredite an den Finanzmärkten aufnehmen und dem bedürftigen Schulden-Staat weitergeben. Dieser würde also bei einer solchen Praxis zinsgünstiger Kapital bekommen, aber die anderen müssten Lasten tragen und haften. Das ist den Regierenden in Berlin und Paris zuviel Solidarität und “Transfer-Union”-Gefahr: „Wir müssen sicherstellen, dass wir Deutschen die Hand auf unserer eigenen Kasse behalten“, sagt Westerwelle in der „Wirtschaftswoche“. Schäuble wiederholt fast wörtlich die Kanzlerin und sekundiert gegenüber ARD „Wir dürfen das Zinsrisiko nicht vergemeinschaften.“ Warum denn nicht, wenn wir in einer Gemeinschaft leben und Frau Merkel sagt: „Es ist ein Geist, der uns alle eint: Scheitert der Euro, scheitert Europa“?

Aber die Genannten denken an Wahlen und Sarrazin, der deutlich sagt, was Frau Merkel so deutlich nicht sagen darf. Sie will aber die Stimmen seiner Anhänger/innen und betreibt ohnehin eine Politik, die sozialdarwinistische und nationalistische Züge trägt – trotz ihrer Sympathie für „Frankreich“, die Sympathie für Sarkozy-Politik ist. Da man primitiv tut, wenn man Stimmungen gegen Roma und Menschen mit migrantischem Hintergrund schürt, aber weiß, was für „die Wirtschaft“ gut ist, verkündet man gemeinsam, dass die Wirtschaftspolitik in der EU besser verzahnt, die Fiskalpolitik mehr aufeinander abgestimmt, die Arbeitsmarktpolitik mehr kollektiv betrieben werden müssen …

Regierende Politik für nachhaltige Profitsicherung ist zwangsläufig widersprüchlich, auch wenn man mehr Konsistenz in der EU-Politik fordert. „Nachhaltige Profitsicherung“ und verantwortungsvolle sozial gerechte Klimapolitik gehen schwer zusammen. Die EU-Klimaschutz-Zielstellungen sind der Problemlage völlig unangemessen. Auch eine Politik, die der Schlussfolgerung von Severin Fischer/Jo Leinen folgt: „Klimaschutz im eigenen wirtschaftlichen Interesse lautet das neue Motto.“ (library.fes.de/pdf-files/id/ipa/07635.pdf, S.8)

Das oben genannte Europäische Memorandum 2010/11 bringt Klima- und Umweltpolitik, Wirtschaftspolitik und Armutsbekämpfung zusammen. So wird insbesondere vorgeschlagen, im Rahmen eines „Plans für Nachhaltigkeit“ den Stabilitäts- und Wachstumspakt zu streichen – nicht einfach durch einen Pakt zum Ausgleich der Handels- und Leistungsbilanzen zu ersetzen, der Integrationsprozesse und internationale Hilfen erneut behindern könnte.

Ein “Plan für Nachhaltigkeit” kann auch das Miteinander jener Akteure befördern, die zusammengehören, um die EU zu einem globalen Akteur zu machen, der solidarisch und gerecht globale Probleme lösen hilft.

One Response to “Am 13. vor dem letzten Gipfel”

  1. […] Der Weltklimagipfel in Kopenhagen ist gescheitert Chaos herrscht im Plenum und Verzweiflung bei den Mehring1 » Blog Archiv » Am 13 vor dem letzten GipfelAuf den Streit kann man sich seit letzter Woche noch intensiver konzentrieren denn die COP16 ist […]

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