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Die EU-Nachrichten der letzten zehn Sommer-Tage ermutigen nicht: die Abschiebung von Roma aus Frankreich und der italienische Applaus dafür lassen Sorgen und Empörung wachsen. Das gilt leider auch für den kaum wahrnehmbaren Protest dagegen – sind die Linken immer noch im Sommerloch?

Zum Negativbefund kommen bedenkliche Staatsbürgerschaftspraktiken, Diskussionen zur Renationalisierung des Europäischen Sozialfonds, die Debatte zur Pakistan-Hilfe …  Immer geht es um Entsolidarisierung, um alte und neue Konflikte, die dann mit neuer Repression beantwortet werden.

Dabei wäre problemlösendes EU-Engagement möglich und ist dringend vonnöten.

Am 19.8. begann Frankreich Roma, in der Regel EU-Bürger/innen, nach Rumänien und Bulgarien auszuweisen. 300 Euro pro Erwachsenen und 100 Euro pro Kind sollen die menschenverachtende und fremdenfeindliche Aktion versüßen. Der französische Staatssekretär Lellouche meint befinden zu dürfen, wer Roma sei und wer nicht – seiner Aussage von 2,5 Millionen Roma in Rumänien stehen offizielle 535 Tsd. gegenüber.

Ginge es nach Lellouche, sollten Bulgarien und Rumänien nicht, wie vorgesehen, im März 2011 Schengen-Mitglieder werden. Er ersinnt Sonderauflagen, was auf italienische Unterstützung zielt. Dort gilt seit 2008 der obligatorische Fingerabdruck für Roma.

Rumäniens Regierung ihrerseits nährt Nationalismus und Konflikte mittels Staatsbürgerschaftspolitik. 17.000 Bürger/innen Moldawiens erhielten schon die rumänische Staatsbürgerschaft, ca. eine Million warten noch. Der Nachbarstaat, einst ein Teil Rumäniens, gerät unter neuen sozialen Druck. Die „frischen“ Staats- und EU-Bürger/innen erhöhen das Angebot auf den Arbeitsmärkten der Union.

Das einzig Positive wäre die Legalisierung von sich illegal in der EU aufhaltenden Moldawier/innen, die ohne jede Rechte „schwarz“ schuften.

Sofia verleiht seine Staatsbürgerschaft an bulgarischstämmige Mazedonier/innen, Ungarn an ungarischstämmige Bürger/innen der Slowakei.

„Wir“ definieren uns also wieder stärker ethnisch, die Folgen interessieren „uns“ später. Allerdings können „wir“ bereits sehen, dass derartige Praktiken die Öffentlichkeit in den Nachbarländern verunsichern und vor allem Fachkräfte aus den Nicht-EU-Ländern abziehen.

Dass Millionen Menschen in Pakistan sofortige Hilfe brauchen, bedarf keines Beweises. Würde diese großzügig mobilisiert und ggf. – aus Zeit- und Kapazitätsgründen – mit Hilfe militärischer Kapazitäten transportiert und erwiesen, würden die Katastrophen-Opfer nichts dagegen haben. Das sollte auch für Linke in der EU zutreffen – würden gleichzeitig Schritte in Richtung militärischer Nichtangriffsfähigkeit gegangen. Sarkozys Initiative pro europäische Katastrophenbekämpfung und Aufbauhilfe wäre also zu unterstützen, aber nicht bedingungslos. Denn sie lässt Militarisierung zu.

Auch wenn im globalen Vergleich die Hilfe der EU für die Flutopfer groß anmutet, ist sie es gemessen an dem Ausmaß der Katastrophe keinesfalls. Dringend notwendige Solidarität wird eher zögerlich erwiesen.

Solidarität wird auch in der EU kleiner geschrieben, wie nicht nur Griechenland beweist. In Deutschland ist die wachsende Unterstützung für die Verfassungsklage gegen den Eurozonen-Schirm kein öffentliches Thema mehr, im Unterschied zur gescholtenen „uneinsichtigen“ Slowakei.

Allerdings sind aus Deutschland wieder Forderungen nach einer Reform der Kohäsionspolitik zu vernehmen. Der dazugehörige Europäische Sozialfonds macht 8% des EU-Haushalts aus und beträgt 75 Milliarden Euro für den Zeitraum 2007-2013. Er dient der Förderung von Beschäftigung und sozialer Eingliederung in allen EU-Regionen.

Nun meinen manche VIPs in Deutschland und anderen „großen alten EU-Ländern“, dass diese Mittel ausschließlich für die Beschäftigung und nach Maßgabe der Staaten eingesetzt werden sollten.

Der ESF soll also renationalisiert und sektoriell umgewidmet werden. Das hat in der Versammlung der Regionen, in Polen, Tschechien, Ungarn und in der Slowakei die Befürchtungen gemehrt, ab 2014 noch weniger für Beschäftigung und soziale Integration in den Regionen tun zu können. Die vier Länder haben daher bei der Europäischen Kommission die Beibehaltung der bisherigen Praxis gefordert.

Sie haben außerdem gemeinsam mit vier weiteren neuen EU-Mitgliedern sowie mit Schweden gefordert: die öffentlichen Zuschüsse zwecks Schließung jener Deckungslücke, die den öffentlichen Rentenversicherungen dadurch entsteht, dass ein Teil der Rentenbeiträge in private Kassen fließt, sollen nicht voll als Staatsschuld angerechnet werden. Schließlich habe der IWF die Rentenreform gefordert, die das Defizit mehrt.

Und das Defizit soll nun herhalten, um weitere Privatisierung und Entsolidarisierung zu legitimieren.

Man braucht das aber nicht zu akzeptieren. Eigene Arbeit an alternativen Strategien muss auch und insbesondere beim Streit zum Umgang mit der Staatsschuld ansetzen.

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