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Die European Think Tanks Group hat in der letzten Woche ihre Studie „Neue Herausforderungen, neue Ansätze: Die nächsten Schritte in der Europäischen Entwicklungszusammenarbeit“ veröffentlicht. Darin ist einmal mehr von „neuem Denken“ die Rede. Allerdings werden drei alte miteinander verknüpfte Widersprüche in neuer Schärfe sichtbar: a) Entwicklungspolitik wird aus den eigenen – wirtschaftlichen – Interessen der EU und ihrer Mitgliedsländer begründet, wobei die Interessen der global Armen untergeordnet sind; b) es wird auf mehr Politik-Kohärenz und –Koordinierung gedrängt und dabei insbesondere mit einem globalen Führungsanspruch argumentiert. Dieser aber ist entwicklungspolitisch kontraproduktiv; c) es werden Politikinstrumente vorgeschlagen, die bei anderen politischen Prioritäten durchaus effektiv Entwicklung fördern könnten, jedoch bei wirtschaftlicher Liberalisierung letztendlich Probleme zuspitzen. Es wird erklärt, dass die Freihandelsabkommen mit den AKP-Staaten die Millennium Development Goals erreichen helfen sollen, obgleich der Group die Risiken durch „Erosion von Handelspräferenzen“ bekannt sind.

Probleme werden mit dem Lissabonner Vertrag noch verstärkt, der einerseits neue Strukturen wie den entwicklungspolitisch nutzbaren Europäischen Auswärtigen Dienst bringt, andererseits bei seiner neoliberalen Ausrichtung und den Finanzierungszwängen gerade auf das Entwicklungsbudget und die Entwicklungspolitik drückt.

Das erwähnte „neue Denken“ soll dreierlei anerkennen: 1) die (zu gering angesetzten) MDG bleiben „wesentlicher Maßstab für Fortschritt“ – allerdings werden sie nicht erfüllt; 2) die Erlangung der MDG und anderer Entwicklungsziele, insbesondere in Sachen Klimawandel, Lebensverhältnisse in expandierenden Städten, Umgang mit dem demographischen Wandel, mit Pandemien und Nahrungsmittelkrisen, erfordern vernetztes Denken und Handeln – das ist mehr Wunsch als tatsächliche politische Orientierung; 3) globale Probleme können nur durch globale Kooperation gemildert und gelöst werden – hier kommt die EU ihren Verpflichtungen nicht entsprechend nach.

Probleme werden durch kontraproduktive Subventionen weiter zugespitzt.

Die Studie der Think Tanks Group offenbart zwei weitere Widersprüche: Einerseits bekräftigt sie die neun Hauptbereiche des Europäischen Konsens’ über Entwicklung aus dem Jahre 2005,[1] andererseits behandelt sie die konkreten Probleme nicht entsprechend dieser Bereiche. Einerseits verweist sie auf die politische Rolle der UN, der die besonderen entwicklungspolitischen Möglichkeiten der EU zugute kommen sollen, andererseits wird die innovative Orientierung des UNCTAD-Berichts 2009 zu den am wenigsten entwickelten Ländern ignoriert. Hier geht es um den Fokus auf den Entwicklung fördernden Staat, den öffentlichen Sektor und entsprechende Investitionen.

Zu den in der Studie behandelten Problembereichen und den Empfehlungen der Think Tanks Group:

Problembereich Empfehlung der Think Tanks Group
Klimawandel und Entwicklung –          Umsetzungslücke zwischen eigener Strategie und Politik überwinden

–          Transfers mit Bezug zum Klimawandel zusätzlich zur ODA leisten

Frieden, Sicherheit und Konflikt –          verantwortungsvoll auf fragile Staaten reagieren

–          zur „globalen Friedens- und Sicherheitsarchitektur beitragen

–          Konflikte beenden helfen

Entwicklungsorientierte Handelspolitik in einer Welt –          EPAs auf MDG fokussieren

–          Politik der EU-Staaten koordinieren

–          neue europäische Instrumente entwickeln

Zusammenarbeit mit dem privaten Sektor –          Inclusive Business entwickeln

–          Empowerment der Armen stärken und qualifizieren

Entwicklungsfreundliche Migrationspolitik –          Probleme bei der legalen Einwanderung zügig lösen

–          Migrationspolitik entwicklungspolitisch gestalten

Zukunft der Entwicklungspartnerschaften –          Geist des Cotonou-Abkommens beleben und neue Partnerschaften schaffen

–          EU-Afrika-Strategie von 2007 konsequent umsetzen

–          mehr Süd-Süd-Partnerschaften fördern

Bei der Entwicklungsfinanzierung wird die EU ihr Ziel 2010 nicht erreichen. Sie stellt insgesamt rund 60% der weltweiten Entwicklungshilfe, aber brachte gerade einmal 0,4% ihres BNE dafür auf. Das sind 100 Euro pro EU-Bürger/in.

„ … die Lehre aus der Ratifizierung des Vertrags von Lissabon ist, dass die EU eher Plattform für Koordination denn für Zentralisierung sein sollte.

Quer zu den vielen Empfehlungen des Berichts sind fünf Bereiche zu nennen, die Priorität verdienen:

Erstens, die EU kann und sollte beim Nachdenken über die Zukunft der internationalen Entwicklungspolitik eine Führungsrolle ausfüllen.

Zweitens, der neue europäische Rahmen sollte ein echtes Momentum für Politik-kohärenz in der Entwicklungspolitik schaffen.

Drittens, bestehenden Entwicklungspartnerschaften sollte neues Leben eingehaucht werden.

Viertens, Finanzierungszusagen sollten eingehalten werden, zugleich sind die Zielgenauigkeit und Effizienz der Ausgaben zu verbessern.

Fünftens, die Koordination zwischen den Mitgliedstaaten sollte verbessert werden, so dass die EU wirklich als Einheit funktioniert.“


[1] Handel und regionale Integration, Umwelt und nachhaltiges Management der natürlichen Ressourcen, Infrastruktur, Kommunikation und Transport, Wasser und Energie, Ländliche Entwicklung, Raumordnung, Landwirtschaft und Ernährungssicherung, Governance, Demokratie, Menschenrechte und Unterstützung wirtschaftlicher und institutioneller Reformen, Konfliktprävention und fragile Staaten, Menschliche Entwicklung

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