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Gestern tagte der Rat zum Thema „Umwelt“, heute konnte die Presseerklärung studiert werden. Der schwedische Umweltminister und amtierende Ratspräsident Andreas Carlgren wertete den Klimagipfel als „Katastrophe“, denn es wurden keine konkreten Ziele zur Minderung klimaschädlicher Gase vereinbart. Die Europäische Union müsse nunmehr alternative Klimaschutz-Wege suchen. Sein deutscher Kollege Röttgen sprach von einer großen Enttäuschung und machte Mut: „… aber es ist auch noch nichts verloren.”

Das können jene nicht so sehen, deren natürliche Lebensbedingungen selbst bei einer globalen Erwärmung von noch unter zwei Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Niveau geschwunden sind und in den nächsten Jahren schwinden werden: durch einen Rückgang von 20-30% der Wasserverfügbarkeit im Mittelmeerraum und im südlichen Afrika, durch eine abrupte Verringerung der Ernteerträge in den Tropen, von ca. 5 bis 10% in Afrika. Weitere 40-60 Millionen Menschen werden in Afrika der Malaria ausgesetzt, zusätzliche 10 Millionen Menschen den Sturmfluten. 15-40% aller Arten sind vom Aussterben bedroht.

Eurosolar-Präsident und SPD-Energiepolitiker Herrmann Scheer hatte vor dem Treffen der Umweltminister/innen erklärt: „Was in Kopenhagen passierte, war nicht wirklich überraschend, sondern vorprogrammiert. Es bringt nichts, nun nachträglich einzelne Regierungen – die USA oder China – für das Scheitern verantwortlich zu machen. Die Ursache für das kollektive Versagen liegt im falschen Ansatz dieser nunmehr 15. Weltklimakonferenz binnen 15 Jahren.

Was solche Weltkonferenzen von Beginn an lähmt, ist der praktisch aussichtslose Versuch, einen Handlungskonsens unter allen beteiligten Regierungen für ein einheitliches Weltregime zu finden. Denn die Ausgangsbedingungen zwischen Industrie-, Schwellen- und Entwicklungsländern sind extrem verschieden, abgesehen von ihren geografischen, sozialen und kulturellen Besonderheiten. Hinzu kommen
Verstrickungen mit aktuellen wirtschaftlichen Interessen, die auf die Klimakrise einwirken. Darum musste die Weltklimakonferenz in Kopenhagen ebenso beschämend kläglich enden wie einen Monat vorher die Welternährungskonferenz in Rom und wie alle vergleichbaren UN-Konferenzen der vergangenen Jahre.

Klimaschutz erfordert gänzlich neue Produktionsweisen und grundlegende wirtschaftliche Strukturveränderungen. Der untaugliche Versuch, über die Zuteilung von Emissionsrechten den weltweiten CO2-Ausstoß zu kontrollieren, wird vergeblich bleiben.

Die falsche Ausgangsbasis der Weltklimakonferenzen war und ist: dass die Veränderung der Produktionsweisen durch den Wechsel zu emissionsfreien Erneuerbaren Energien als wirtschaftliche Last gilt. Die zwangsläufige Folge dieses Denkfehlers ist ein endloses Gefeilsche um die Lastenverteilung. Dabei kann allenfalls ein Minimalkonsens erzielt werden, der hinter den Erwartungen und Anforderungen zurückbleiben muss. Das richtige Vorgehen wäre, den grundlegenden Wechsel der Energiebasis als Chance zu verstehen. Sie muss in jedem einzelnen Land unter den jeweiligen konkreten volkswirtschaftlichen Bedingungen ergriffen werden.“

Es geht nicht allein um die Produktion, sondern auch und insbesondere um Konsumtionsstrukturen und Lebensweisen. Kopenhagen hat erneut gezeigt, dass in den BRIC-Staaten jene herrschen, die sich an den Lebensweisen im globalen Norden orientieren, dafür in ihren Ländern indigene Völker rechtlos halten und Menschen vertreiben.

Die Lebensweisen im globalen Norden sind bei Scheer nie wirklich ernsthaft Thema, auch nicht die ökologischen Schulden des globalen Nordens gegenüber dem Süden.

Röttgen setzt gedanklich zumindest teilweise bei Scheer an und rief seine Kollegen zur “Koalitionsbildung der Gleichgesinnten” auf. Man müsse gemeinsam z. B. mit Japan und Südkorea vorangehen. So solle die EU ihr derzeitiges Minderungsziel für Kohlendioxid von 20 Prozent bis 2020 im Vergleich zu 1990 – also vor dem wirtschaftlichen Zusammenbruch in Mittel- und Osteuropa – nachbessern. “Unser Interesse ist, dass wir möglichst 30 Prozent europaweit haben”. Röttgen verwies auf die Selbstverpflichtung Deutschlands, die Treibhausgase bis 2020 um 40 Prozent – den wirtschaftlichen Niedergang in Ostdeutschland als ökologische Errungenschaft gerechnet – abzubauen.

Auch die Deutsche Umwelthilfe forderte, dass die EU-Staats- und Regierungschefs das 30-Prozent-Ziel auf einem Sondergipfel im Januar beschließen. Geplant ist lediglich ein informelles Umweltminister/innen-Treffen Mitte Januar im spanischen Sevilla.

Länder wie Frankreich und Belgien verlangen erneut Exportzölle für Länder mit niedrigeren Umweltstandards wie China. Dies stört Röttgen und Carlgren: “Wir setzen auf die Entfaltung der Marktkräfte und nicht auf die Behinderung”.

Das ist nur konsequent, zumal dem BDI selbst Röttgen zu weit geht: „Die deutsche Industrie wünscht sich im Interesse des weltweiten Klimaschutzes und eines qualifizierten Wachstums eine bindende Vereinbarung mit ambitionierten Zielen“, sagte sein Präsident Hans-Peter Keitel und warnte die EU vor einer Erhöhung ihrer Klimaschutz-Ziele. Eine zu ehrgeizige deutsche Position könne Europa Zugeständnisse abverlangen, die „zu weit“ gingen. Ein deutsches 40 Prozent-Ziel lehnt der Bundesverband der Deutschen Industrie ab.

Wie wäre es mit einer Demonstration der Linken zum BDI? Es ist doch klar, dass er verlogen mit „Arbeitsplätzen“ gegen Umweltziele argumentieren wird – wie viele andere im Deutschen Bundestag auch … Oder rüsten sich die Linken nun nur zu Aktionen anlässlich der geplanten Klimakonferenz im Juni in Bonn? Ihr Ruf „wir wollen nicht auf Kosten der Lebensbedingungen anderer Menschen leben – deshalb wollen wir anders leben“ ist nur kaum hörbar, seine Umsetzung in Politik noch weniger erlebbar.

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