Feed on
Posts
Comments

Wohin geht die Fahrt?

Die FTD zitierte gestern den Sachverständigenrat mit folgenden Worten: „”Steuersenkungsversprechen ohne solide Gegenfinanzierung, wie sie sich im Koalitionsvertrag finden, sind unseriös.” Bei der Einkommensteuer stehe die Haushaltssanierung größeren Reformen entgegen. “Auch wenn es die neue Bundesregierung nicht wahr haben will: Ohne harte Einschnitte bei den öffentlichen Ausgaben oder ohne Erhöhungen von Steuern oder anderen Abgaben kann eine Konsolidierung der staatlichen Haushalte nicht gelingen.”“
Nun ist dies keine überraschende Feststellung. Schon der gesunde Menschenverstand – und an dieser Stelle hat er mal recht – legt diesen Schluss nahe. Selbst wenn man den Koalitionsvertrag zum Bezugspunkt nimmt zeigt sich allein in diesem Detail, dass die Weichenstellungen für die zukünftige Entwicklung keineswegs eindeutig gestellt sind. Das Vertrauen in eine aufschwungsinduzierte Auflösung der Staatsverschuldung zur Abdeckung der Steuererleichterungen ist erst einmal nur Ideologie. Niemand kann heute ernsthaft behaupten, dass das Auslaufen des Abschwungs von Dauer ist (auch wenn dies erst einmal wahrscheinlich scheint) und dass es schnell zu einem derartig wirksamen Aufschwung kommen würde. Es sprechen gewichtige Argumente dagegen. Dazu gehört neben der anhaltenden Schwäche des US-Finanzsystems vor allem die Frage, inwieweit die Konjunkturpakete lediglich eine Illusion vom Krisenende produziert zu haben. Einigkeit besteht auch darin, dass sich die Bedingungen für einen exportgestützten Aufschwung in Deutschland verschlechtert haben. Zwar dürfte in den letzten Monaten die Krise genutzt worden sein, um eine neue Rationalisierungs- und Innovationswelle anzuschieben. Die Übernahmen in verschiedenen Wirtschaftszweigen und die offensichtlich intensive Arbeit an neuen und dabei auch „grünen“ Technologien sind äußere Zeichen dessen. Das wird aber eher zuerst zu einer weiteren Arbeitsverdichtung und zu Personalabbau in den Unternehmen führen. Damit setzt sich in Deutschland die Agenda-2010-Logik fort – starke Wirtschaftsposition bei anhaltendem Druck und anhaltender Umverteilung.
Die im März bzw. Juni getroffenen Einschätzungen des IfG zu möglichen Szenarien der Entwicklung sind so nachwievor aktuell. Die Koalitionsvereinbarung legt in ihrer Tendenz autoritäre Lösungswege der Krise nahe. Mit umfangreichen Prüfaufträgen zu „Staatsaufgabenkritik“ werden weite Tore für weitere Privatisierungsschübe nicht nur öffentlichen Eigentums, sondern auch staatlicher Funktionen geöffnet. Betrachtet man dies in Kombination mit der Gleichsetzung von Nazi-Diktatur und DDR sowie das Vorhaben, durch die Einführung von „Extremismusbekämpfungsprogrammen“ Rechtsextremismus mit linkem Protest gleichzustellen, so verstärkt sich dieser Eindruck. Es findet sich in der Koalitionsvereinbarung nicht eine tragfähige Aussage, die auf eine Stärkung der Demokratie durch neue Wege der BürgerInnenbeteiligung hinauslaufen würde. Gerade im Krisenkontext wäre das eigentlich ein wichtiges inneres Gegengewicht im „herrschenden Block“. Die schwache Gestaltung des Abschnittes IV der Koalitionsvereinbarung spricht so auch für eine weitgehende Paralysierung des BürgerInnenrechteflügels in der FDP.
Damit kommen wir wieder zum Ausgangspunkt unserer Überlegungen zurück. Wenn die Kanzlerin den Bericht der Sachverständigen mit viel Ruhe entgegenzunehmen scheint, sollte gerade das beunruhigen. Es impliziert die Akzeptanz autoritärer Krisenlösungsmuster. Die fehlende Antwort auf die Frage nach dem Weg der Haushaltskonsolidierung bei gleichzeitiger Betonung der Rolle von Ausstiegsstrategien aus der andeutungsweise aktiven Beteiligungspolitik bedeutet, dass die Frage nach der zukünftigen Rolle des Staates bewußt offen gehalten wird. Das wiederum deutet auf eine Verschärfung poltischer Auseinandersetzungen hin. Die linken Bewegungen und Gewerkschaften werden nach gegenwärtiger Lage nicht der aktive Ausgangspunkt sein – wir werden es mit „sozialer Unruhe von oben“ zu tun haben. Und die wird wieder über haushaltspolitische „Sachzwänge“ und standortnationalistische Parolen verkauft werden.

Leave a Reply

You must be logged in to post a comment.

Facebook IconTwitter IconView Our Identi.ca Timeline