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Wolfgang Schäuble überschreibt seinen Artikel in der FAZ vom 27.08.09 “Ohne Maß ist die Freiheit der Ruin”. Und er setzt fort: „Mit ein paar Justierungen an den Stellschrauben der Regulierung wird es nicht getan sein: Die Finanzwirtschaft muss in der Krise die Lasten übernehmen – und die Verantwortung.“ Das sind große Worte – wie aber sieht die Strategiediskussion der Eliten tatsächlich aus? Kann man, wie von vielen gehofft oder erwartet, von einem Zerbrechen der neoliberalen Hegemonie in Ideologie und gesellschaftlicher Praxis sprechen? Ist in den Eliten ein Umdenken zu spüren und wenn ja, in welche Richtung?
Schäubles Artikel ist eher ein Nachhall aus einer Phase der Unsicherheit. Nachdem im ersten Halbjahr 2009 noch große strategische Würfe, etwa die Wiederbelebung einer nach der Krise geläuterten Sozialen Marktwirtschaft, die ideologische Flanke der Krisenbewältigung prägten, macht sich in den letzten Wochen wieder die dumpfe schmutzige Kleinarbeit geltend. Dazu gehört auch der schon der traditionelle Vorstoß von Arbeitgeberverbänden mit Forderungen nach Deregulierungsschritten und Abbau von Sozialleistungen. Am 27.8.09 heißt es im Handelsblatt:
„Die deutsche Wirtschaft trommelt für einen neuen Anlauf zur Lockerung des Arbeitsrechts – und setzt das Reizthema Kündigungsschutz neu auf die Tagesordnung: Auf das akute wirtschaftspolitische Krisenmanagement müssten nun weitere Schritte folgen, „damit bei einer konjunkturellen Trendwende möglichst rasch ein beschäftigungswirksamer Aufschwung entstehen kann“, sagte Hannes Hesse, Hauptgeschäftsführer des Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA), dem Handelsblatt.“
Man kann dabei ein Auseinanderfallen von journalistischer, theoretischer und politisch-konzeptioneller Aufarbeitung der Krise beobachten. Während journalistisch die Skandalgeschichte aufgearbeitet wird, besinnt sich die Theorie auf die Komplexität der Sozialen Marktwirtschaft und die PolitikerInnen versuchen davon ausgehend ein wirksames, aber niemanden schmerzendes Maß an Regulierung zu kreieren.
Vor diesem Hintergrund ist die Nachdenklichkeit des Wolfgang Schäuble die Nachdenklichkeit eines Ideologen, eines derjenigen, die für das UnternehmerInnentum versucht zu denken. Das sollte man auch in Rechnung stellen, wenn man die Analysen der unternehmerInnennahen think tanks betrachtet.
Die aktuellen Stellungnahmen der UnternehmerInnenverbände als unmittelbare Vertreter von Kapitalinteressen sind weniger von Ideologie gebrochen und sprechen tatsächlich eine klare Sprache und sind ausgesprochen konfrontativ. Ihnen geht um einen Machtkampf – innerhalb des herrschenden Blocks, um den Staat wie auch gegen die Lohnabhängigen.
Dabei verfolgt man offenbar im Kampf untereinander eine Doppelstrategie. In erster Linie geht es offensichtlich nachwievor darum, die Schuld der Finanzunternehmen zu betonen:
„Und auch wir, die Wirtschaft, haben Fehler gemacht. Wir haben die Debatte über die eigentlichen Ursachen dieser Krise bisher nicht konsequent und offen genug geführt. Ich wende mich ausdrücklich an die Vertreter der Finanzwirtschaft: Sie müssen sich der Diskussion stellen und dazu beitragen, dass sich eine solche Krise auf den Finanzmärkten nicht wiederholt. Bisherige Aufklärungsversuche dürfen allenfalls ein Anfang sein.“ (Soziale Marktwirtschaft gestalten – Vertrauen zurückgewinnen; Rede von Arbeitgeberpräsident Dr. Dieter Hundt am 8. Juli 2009)
Mit dieser Reduktion des „unternehmerischen WIR“ liegt Hundt zweifelsfrei auf einer Linie mit der Bundesregierung, der EU-Kommission und vielen anderen KritikerInnen der Krisenprozesse.
Davor aber richtet Hundt seine Kritik an den Staat:
„Unsere Wirtschaftsordnung verlangt Wettbewerbsregeln, Ordnung und Kontrolle. Sie verlangt ausdrücklich nicht nach einem Staat, der alles regeln will und dabei das Wesentliche vergisst. Sie braucht statt dessen einen Staat, der Prioritäten setzt.
Zum Wesentlichen gehört die Regulierung der Finanzmärkte. Daran hat es national und international gemangelt, allen öffentlichen Warnungen – auch von Seiten der Kirchen – zum Trotz. Hier hat der Staat versagt. Hier liegt eine Ursache für die Finanzkrise.“ ebenda
Die Ursache liegt, so also die Auffassung der BDA, im Versagen des Staates, der nicht genauer beschriebene „Fehler“ bei der Wirtschaft, die ein paar Worte weiter auf die Finanzwirtschaft reduziert wird. Und die soll nicht etwa bezahlen, sondern dazu beitragen, „das sich das nicht wiederholt“.
Der Reduktion des „unternehmerischen Wir“ steht dann die Erweiterung des „verantwortlichen Wir“ auf die Gesellschaft insgesamt gegenüber. Diese offensive Inhaftungnahme datiert bereits um den Jahreswechsel 2008/2009, als es um das Konjunkturpaket 2 und um die Strategiebestimmung der CDU ging. Ideologisch ist sie mit der Neubelebung der Idee der Sozialen Marktwirtschaft in ihrem alten, patriarchal orientierten Sinne zu sehen.
Die offensive Inhaftungnahme wird nun durch die UnternehmerInnenverbände weiter untersetzt – und dies in einer Weise, die nicht überrascht, trotzdem aber Beachtung verdient.
„Wenn wir gestärkt aus der Krise hervorgehen wollen, brauchen wir Entlastungen statt unnützer Bürokratie, wettbewerbsfähige Rahmenbedingungen statt staatlicher Einmischungen in unternehmerisches Handeln. Nur so können wir die Krise meistern und den Standort Deutschland international attraktiv halten.“ (Deutschland vor der Entscheidung; Rede von Arbeitgeberpräsident Dr. Dieter Hundt am 3. Juni 2009)
Deutlicher sagt es der Verband deutscher Maschinen- und Anlagenbau bezogen auf die sozialen Sicherungssysteme in seinen Kernforderungen zur Bundestagswahl 2009:
„Der Altersdurchschnitt der Deutschen steigt, der Anteil der Erwerbstätigen an der Gesamtbevölkerung wird drastisch zurückgehen. Das setzt den sozialen Sicherungssystemen, die auf der Umlagefinanzierung beruhen, harte Grenzen. Die können auch durch einen höheren Steueranteil an der Finanzierung nicht nachhaltig überwunden werden. Der Staat wird sich auf Dauer auf die Absicherung der sozialen Grundrisiken Altersarmut, Krankheit und Arbeitslosigkeit beschränken müssen. Die Politik darf die Bürger nicht täuschen: An mehr Eigenverantwortung und Eigenvorsorge führt kein Weg vorbei.“
An gleicher Stelle wird vom Staat unumwunden eine Ausstiegsstrategie aus einer aktiven Konjunkturpolitik gefordert:
„Wir müssen alsbald zu einer Aufgabenteilung zwischen Staat und Privatsektor zurückkehren, die unserer Wirtschaftsordnung gerecht wird. Hier ist eine belastbare Selbstbindung erforderlich, aus der hervorgeht, wann und auf welchem Wege der Staat gedenkt, zu den bewährten Spielregeln der Marktwirtschaft zurückzukehren. Oder dort, wo die Spielregeln versagt haben, einen angemessenen Ordnungsrahmen zu schaffen.“ (vgl. dazu auch die Wirtschaftspolitischen Positionen des Verbandes)
Zum Teil geht es also um die Verteidigung von Deregulierungs- und Abbauschritten, zum Teil um neue, nächste Schritte. Tarifpolitik (Mindestlohnfrage und weitere Differenzierung der Tarifpolitik), öffentliche Haushalte, Steuerreform, Entlastung der „LeistungsträgerInnen“, Exportorientierung, Niedriglohnsektor, der mit den Hartz-Reformen entstanden ist, kurz – wesentliche Faktoren, die die Entstehung der Krise befördert haben, sollen fortgeschrieben werden. Es wird nicht offen ausgesprochen, wie diese Quadratur des Kreises gelingen soll – Steuersenkungen, Konsolidierung der öffentlichen Haushalte und gut ausgebildete, motivierte Beschäftigte, dazu vielleicht noch eine gute Infrastruktur als Standortfaktor sind gleichzeitig so nur schwer zu haben. Was ist der Kitt, der das Zusammenhalten soll – die Ideologie der Sozialen Marktwirtschaft. Nun wissen wir aber alle um die Unzuverlässigkeit der Ideologie…

Wo liegt das Besondere der gegenwärtigen Krise – und wo die Kontinuität?

Vor diesem Hintergrund ist doch ein Blick auf die Jahre der Weltwirtschaftskrise angebracht. Es ist zweifelsfrei richtig, dass jede Krise ein „historisches Unikat“ (Sabine Nuss) ist. Betrachtet man die Forderungen der Arbeitgeberverbände, fühlt man sich allerdings durchaus in die dreißiger Jahre zurückversetzt. So begrüßte der Deutsche Industrie- und Handelstag in einem Brief vom 8.Dezember 1932 an den Reichskanzler, die Reichsminister und den Reichsbankpräsidenten Steuergutscheine, Mehreinstellungsprämien, Investitionen in Sanierung von Wohnraum u.ä., stellte sie aber unter den Vorbehalt: „Die Überwindung der Arbeitslosigkeit wird auch weiterhin vor allem auf der Grundlage des Gedankens der verantwortlichen persönlichen Unternehmerleistung und ihrer Ermutigung und Entlastung versucht werden müssen.“ (Akten der Reichskanzlei. Weimarer Republik – Das Kabinett von Schleicher / Band 1 / Dokumente / Nr. 12 Der Deutsche Industrie- und Handelstag an den Reichskanzler, die Reichsminister und den Reichsbankpräsidenten. 8. Dezember 1932, S. 41-44)
Zwei Jahre zuvor betont die gleiche Organisation die Exportorientierung der deutschen Wirtschaft. (Akten der Reichskanzlei. Weimarer Republik – Die Kabinette Brüning I/II / Band 1 / Dokumente / Nr. 136 Der Deutsche Industrie- und Handelstag zum Wirtschafts- und Finanzplan der Reichsregierung und zur Handelspolitik. 9. Oktober 1930, S. 512-514) Diese waren wiederum Ausgangspunkt für Auseinandersetzungen zwischen Industrie und Landwirtschaft sowie beider mit den Gewerkschaften bezüglich der Realeinkommen und der Gestaltung der Arbeitsmarktpolitik. Auch der Streit um die Lösung der Bankenkrise drehte sich im Kernb um das Problem, wer letztlich bezahlen soll. Nur ein Schlaglicht: Staatssekretär Dr. Trendelenburg wandte sich in einem Chefgespräch beim Reichskanzler dagegen, dass die notwenige Sanierung der Großbanken für die Aktionäre „günstig“ verlaufen müsse und sagte dann: „Für die Aktienzusammenlegung kämen schließlich die öffentlichen Gelder in Frage, die aus der Aufhebung der Notensteuer verfügbar würden. Die Regierung müsse auch die Genehmigung zur Ausweitung der Satzung der Golddiskontbank geben. Die Öffentlichkeit würde bei dieser Sachlage kein rechtes Verständnis dafür haben, wenn die Zusammenlegung für die Aktionäre günstig wäre. Sie müßten nach privatwirtschaftlichen Grundsätzen die Folgen der Entwicklung tragen.“ (Akten der Reichskanzlei. Weimarer Republik – Die Kabinette Brüning I/II / Band 3 / Dokumente / Nr. 675 Chefbesprechung über die Bankensanierung vom 15. Februar 1932, S. 2296.)
Auch das „Wir“, also die Inhaftungnahme der Gesellschaft, finden wir hier wieder: „Die wirtschaftliche und politische Lage des Volkes erfordert dringend eine endliche grundsätzliche Wandlung der bisherigen Methoden der deutschen Finanz- und Sozialpolitik in ihrer Wirkung auf die deutsche Wirtschaft. Durch entschlossene und zielbewußte Zusammenfassung aller Kräfte muß die Steigerung der Produktivität der Gesamtwirtschaft erstrebt werden, die zur endgültigen Befreiung des deutschen Volkes durch Arbeit und Leistung unerläßlich ist. Dabei ist der Bedeutung der auf verantwortungsbewußten Persönlichkeiten beruhenden Wirtschaftsführung des gewerblichen Mittelstandes für die Gesamtwirtschaft und Volksgemeinschaft weit mehr als bisher Rechnung zu tragen.“ (Der Deutsche Handwerks- und Gewerbekammertag und der Reichsverband des deutschen Handwerks an den Reichskanzler. Hannover, 24. Juli 1931)

Dabei haben sich durchaus spezifische Momente in der gegenwärtigen Krise gezeigt, die sie eben auch als „historisches Unikat bestätigen“. Dazu gehören für Deutschland zweifelsfrei die bisher relativ(!) geringen sozialen Auswirkungen der Krise, das stabile Preisniveau, die relative Stabilität des Kreditsystems (trotz der enormen Verluste), die veränderte Rolle des Militärischen im Krisenverlauf sowie die relative Stabilität der Löhne und Sozialleistungen. Allerdings hängt letztere vor allem damit zusammen, dass die Reallöhne, und dies ist eine Besonderheit der vorhergehenden Phase des Krisenzyklus, in Deutschland über Jahre gesunken sind! Zu den historischen Besonderheiten gehört auch, dass der Klimawandel zu einer unmittelbaren Begrenzung der zur Lösung der Krise möglichen Richtungen künftiger Entwicklung geworden ist. Der Traum grenzenloser globaler Expansion hatte sich in einer gewissen Periode für Deutschland erfüllt, aber auf Kosten der Inlandsnachfrage. Möglich war dies durch eine starke Stellung in der EU und eine Orientierung der Handelspolitik an neoliberalen Prinzipien.
Diese Besonderheiten des Krisenverlaufs sind in erster Linie Ergebnis staatlicher Intervention, und, was die Löhne betrifft, der Gewerkschaften – nicht der „Wirtschaft“. Dies betrifft auch die Stellung Deutschlands in der EU. Und diese Interventionen sind die, die „die Wirtschaft“ ablehnt, da sie eben nur bestimmte Branchen begünstige und UnternehmerInnen daran hindere, krisenausbruchsauslösende Praktiken fortzusetzen. Es bleibt trotzdem als harter, auch für andere Wirtschaftsbereiche relevante Fakt, dass nur die Abwrackprämie den Konsum rettete. Die Financial Times Deutschland stellt dazu fest: „Doch Kauflaune und reales Konsumverhalten klaffen auseinander. Nicht nur die Ausgaben der Verbraucher auch die Umsätze der Einzelhändler sind im ersten Halbjahr gesunken. Bis Juni gingen die Erlöse der Händler um fast drei Prozent zurück. Eine schlechtere Bilanz für das erste Halbjahr hat es seit Beginn der Aufzeichnungen 1994 erst einmal gegeben.“. Und sie stellt weiter fest, und hier haben dann die Unternehmerverbände auf eigene Art in ihrer Kritik recht, dass damit die Autobranche keinesfalls gerettet sei. Analog gilt dies für die Erweiterung der Kurzarbeiter-Regelung, die in erster Linie von der Öffentlichkeit, nicht von „der Wirtschaft“ finanziert wurde. Und schließlich reduziert sich der Blick auf die globalen Krisen und auf die Herausforderungen der aufstrebenden Wirtschaftsfaktoren, wie China) auf die Fortsetzung der Exportstrategie.
Wir haben es also mit einer völlig normal historisch tatsächlich einzigartigen Krise zu tun – der „die Wirtschaft“ mit weitgehend alten Forderungen begegnet. Anders ist auch nicht die allergische Reaktion der BDA auf eine Studie des Statistischen Bundesamtes zu atypischer Beschäftigung zu verstehen. Das bloße Konstatieren von Fakten wird bereits in der Reaktion als gesellschaftspolitischer Angriff gedeutet.
Bedenklich ist, was passiert, wenn diese „alten Forderungen“ sich im gegebenen politischen Rahmen als nicht durchsetzbar erweisen. Die sich andeutende Konstellation verweist auf die Möglichkeit tiefgehender politischer Auseinandersetzungen auch innerhalb des herrschenden Lagers. Die, wie sich zeigt ähnlichen Auseinandersetzungen wurden Anfang der dreißiger Jahre durch die Errichtung der faschistischen Diktatur wenn nicht beendet, so doch entscheiden. Die in der Notverordnung der Regierung Papen 1932 beschlossenen Maßnahmen entfalteten erst unter der faschistischen Diktatur ihre Wirksamkeit. Das Konzept der Sozialen Marktwirtschaft (entstanden in den vierziger Jahren) war eine Gegenreaktion auf diese Art der Konfliktlösung. Sie war aber keinesfalls ein Paukenschlag, mit dem alle Probleme gelöst waren – vielmehr Teil einer letztlich auch durch die Besatzungsmächte abgesicherten, durch z.T. harte Auseinandersetzungen geprägten gesellschaftlichen Umgestaltung, die das „Oben“ und „Unten“ keinesfalls aufheben sollte.
Wie wird also die Art der Widerspruchslösung vor dem skizzierten Hintergrund aussehen können? Weitgehende Einigkeit besteht, dass der Aufschwung sich langsam entwickeln wird – strittig ist das Maß der Langsamkeit und die Möglichkeit kurzer Ausbrüche bei insgesamt depressiver Tendenz. Was Deutschland betrifft, so wird der Aufschwung zur Zeit vor allem gefühlt – die realen Zahlen lassen bestenfalls eine Stabilisierung vermuten.

Das zu erwartende Hinschleppen von Lösungen kann fatale Folgen haben. Zweifelsfrei werden zwei Konfliktlinien dabei entscheidend sein: die Auseinandersetzung um die Umverteilung von Unten nach oben sowie die weitere Aushöhlung sozialer Rechte auf der einen und um die der Rolle des Staates auf der anderen Seite. Beides wird mit einer anhaltenden Auseinandersetzung um die Bewahrung demokratischer Rechte verbunden sein. Die jüngsten Diskussionen um den Einsatz der Bundeswehr Außen wie Innen oder um Maßstäbe des Datenschutzes (in Unternehmen wie im Staat) sind hier nur ein Aspekt. Die Praxis der Vergabe der Mittel aus den Konjunkturpaketen wie auch die Stützungsmaßnahmen für krisengeschwächte Unternehmen mögen formal demokratisch gedeckt sein, real verlaufen sie in einem demokratiefreien Raum. Dazu muss unbedingt die fortschreitende mehr oder weniger offensichtliche Akzeptanz rechtsextremer Werte in einem nennenswerten Teil der Bevölkerung sowie die strukturelle Konsolidierung der rechtsextremen und neofaschistischen Bewegungen gesehen werden. Das Wahlergebnis der NPD in Sachsen sollte keinesfalls unterschätzt werden. Die Botschaft ist: es gibt eine Realität, die diese politischen Positionen hervorbringt, die keinesfalls mit der Krise zusammenhängt sondern tiefere Wurzeln haben muss (sonst wäre das Ergebnis der NPD anders ausgefallen). Es ist wirklich NEOfaschismus, ein neuer Faschismus. Dieser Gesichtspunkt spielt jedoch in den Krisenstrategien der Herrschenden, „der Wirtschaft“, derzeit keine Rolle. Offiziell wird Rechtsextremismus zu einem Problem der Sozialarbeit gemacht. Auch dies sollte als Moment des Besonderen der Krisen 2007ff. verstanden werden.

Man kommt also zu dem Schluss, dass der herrschende Block zwar schnell reagiert hat und in der Sozialen Marktwirtschaft schnell eine ideologische Formel gefunden hat, um eine von ihm dominierte Lösungsrichtung zu beschrieben. Die Handelnden des Blockes, „die Wirtschaft“, verstehen dies aber nur als Hülle eines „Weiter so“. Hier liegt die Grenze für den Ideologen Schäuble. Dies wird vor allem bei langsamer Konjunkturerholung eine Reihe scharfer Widersprüche quer durch die verschiedenen sozialen Schichten produzieren, wie sich auch in historischen Rückblicken zeigt. Vor dem Hintergrund der Schwäche der linken Bewegungen dürfte so die Auseinandersetzung um die Verteidigung der Demokratie und die um die Rolle des Staates der entscheidende Punkt sein, an dem auch andere Kreise ein sinnvolles Bündnisprojekt zu einer anderen Art der Krisenüberwindung sehen könnten. Sabine Nuss fasste die Problematik in einem treffenden Bild: „In der Privatisierungskrise – wie in der Wirtschaftskrise – kommt der Staat zu sich selbst“ (in “Krise der Privatisierung – Rückkehr des Öffentlichen“ S.25 ) Es geht um dieses „selbst“. Vielleicht wird das zu einer historischen Besonderheit der derzeitigen Krise werden.

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