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Wie überall auf der Welt wurden Streiks auch in Lateinamerika spätestens im 20. Jahrhundert zum zentralen Instrument der Arbeiter*innen. Und auch dort waren und sind streikende Kolleg*innen immer wieder von Repression betroffen. Am schlimmsten sicherlich unter den zivil-militärischen Diktaturen, die in den 1970er- und 1980er-Jahren in den meisten Ländern Süd- und Mittelamerikas regierten. Doch die Verfolgung, Inhaftierung und Ermordung kämpferischer Kolleg*innen war keineswegs ein Alleinstellungsmerkmal der Militärs. Auch unter sogenannten „demokratischen“ Regierungen waren und sind sie an der Tagesordnung. So war das zivil regierte Kolumbien noch in jüngster Zeit weltweit das gefährlichste Land für organisierte Arbeiter*innen und andere soziale Gruppen, die für ihre Rechte eintreten.

Aber die Geschichte der Streiks in Lateinamerika ist nicht nur eine von Verfolgung und Gewalt. Viele Arbeitskämpfe waren erfolgreich. Aktive Kolleg*innen und Gewerkschaften konnten damit bessere Löhne, Gesundheitsschutz und Arbeitszeitverkürzungen durchsetzen. Große Streiks konnten Diktaturen ins Wanken bringen, wie etwa die der Metallarbeiter im Großraum São Paulo 1978 bis 1980, oder leiteten einen politischen Wandel ein, wie in den letzten Jahren in Chile und Kolumbien.

Weil die Arbeitskämpfe weniger reglementiert sind als in Mitteleuropa und die Gewerkschaften oft nur geringe oder gar keine Streikgelder zahlen können, müssen Streiks in Lateinamerika viel stärker in soziale Strukturen eingebunden sein, um Aussicht auf Erfolg zu haben. Fast immer, wenn in Lateinamerika gestreikt wird, organisieren die Gewerkschaften Suppenküchen, um die Streikenden und ihre Angehörigen mit Essen zu versorgen, oft gemeinsam mit den Nachbarschaften bestreikter Betriebe und anderer Zusammenhänge wie Unis oder Kirchengemeinden. Häufig unterstützen Künstler*innen die Kolleg*innen mit Konzerten, Straßentheater oder Workshops.

Manche in Lateinamerika praktizierte Streik- und Aktionsformen könnten auch anregend für europäische Kolleg*innen sein. Während die von der „Gewerkschaft der Lokführer“ im Deutschen Beamtenbund organisierten Bahnstreiks auf immer weniger Akzeptanz in der Bevölkerung stießen, sind die U-Bahn-Streiks in Buenos Aires populär. Die argentinischen Kolleg*innen lassen nämlich die Bahnen fahren, öffnen aber die Sperren und Drehkreuze an den Bahnsteigen, sodass die Leute ohne Fahrscheine fahren können. So geht Streik für alle!

Der Schwerpunkt der ila 476 hat einen Umfang von 30 Seiten. Die Juni-Ausgabe mit insgesamt 50 Seiten kann für 6 Euro bei ila, Heerstraße 205, 53111 Bonn, 0228-658613, ila-bonn(ätt)online.de, www.ila-web.de bestellt werden.

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