Feed on
Posts
Comments

Merkel baut Mauern

Den Linken in der Europäischen Union, insbesondere in Deutschland und in Frankreich, kann nur empfohlen werden, die Materialien des Spitzentreffens zwischen Merkel und Sarkozy vom Dienstag gründlich auszuwerten: ihr gemeinsames Schreiben an den EU-Präsidenten Van Rompuy, die Pressekonferenz und Presseerklärungen sowie die Medienberichte. Nicht, weil die einzelnen Vorschläge überraschen – sie sind bis auf Nuancen und eine personifizierte Kampfansage Wiederholungen. Das Alarmierende sind der Machtanspruch gegenüber den anderen und die Aggressivität, mit der eigene Positionen und vermeintlich notwendige Maßnahmen artikuliert werden. Das erklärt auch die personifizierte Kampfansage gegen den ständigen Vorsitzenden der Eurogruppe Jean Claude Juncker – einem Neoliberalen mit sozial-konservativen Werten und demokratischer Kultur. Er soll durch den EU-Präsidenten Van Rompuy ersetzt werden. Dieser will Schuldenbremsen in den nationalen Verfassungen und damit würde dem Rest der EU noch deutlicher werden, dass die Eurozone wichtiger als die EU sei. Es geht um eine forcierte neoliberale Politik, die nationalistische Kräfte und Stimmungen in Deutschland und Frankreich bedient, mittels weiterer Zentralisierung politischer Entscheidungen und Repression die Märkte besser funktionieren lässt und diesen politischen Kurs sichert. Schließlich soll die herrschende Politik fortgeschrieben und damit die ihre Ausrichtung auf Wachstum, globale Konkurrenzfähigkeit, Abbau von Sozialleistungen und Demokratie weiter verstärkt werden. Die so erneut angepeitschte Vertiefung von sozialen, inner-europäischen und globalen Spaltungen wird in Kauf genommen und wiederum mit wachsender Repression beantwortet bzw. verknüpft. Die großen alten EU-Länder Deutschland und Frankreich wollen enger kooperieren, um die Vormachtstellung ihrer Herrschenden zu stärken.

Da äußert sich Sarkozy stereotyp: „Als ich in Deutschland war, habe ich immer von der Achtung gesprochen, die die Franzosen hinsichtlich des Erfolges und des Fleißes unserer deutschen Freunde haben.“ – Die „deutschen Freunde“ haben nie an die griechische Bevölkerung die erforderlichen Reparationen für ihre Verbrechen gezahlt. –

Merkel erklärt ebenso stereotyp: „Ziel ist es, das Vertrauen der Märkte durch Handeln zu gewinnen.“ Doch wer bitte sind „die Märkte“, die ja gegen Nationalismus zu sprechen scheinen? Es geht um die wirtschaftlich und wirtschaftspolitisch Stärksten, die die Regeln an den Märkten bestimmen und über die Märkte ihr Kapital bestmöglich verwerten (wollen). Gleichfalls stereotyp und scheinbar wertneutral sagt dann Frau Kanzlerin: „Der Euro ist die Grundlage unseres Wohlstandes – und unsere Zukunft.“

Ja, Deutschland ist ein Gewinner der Wirtschafts- und Währungsunion, deren Konstruktion und rechtliche Regelung so angelegt waren, dass neoliberale Wirtschaftspolitik zementiert wurde. Die Maastricht-Kriterien bzw. der Stabilität- und Wachstumspakt sollen die Länder daran hindern, ihre Wirtschaftspolitik an nachhaltiger Entwicklung zu orientieren. Der Pakt wurde in den letzten Monaten verschärft und soll weiter verschärft werden. Merkel bekennt: „Die Mitgliedstaaten der Eurozone müssen mit höherer Verbindlichkeit sicherstellen, dass sie den verschärften Stabilitäts- und Wachstumspakt einhalten“. Und an anderer Stelle setzt sie fort, dass man sichern müsse, dass die Wirtschafts- und Finanzpolitik „in den nächsten Jahren nicht von der tagespolitischen Mehrheit abhängt, sondern … dass sich Länder gemeinsam verpflichten, ganz gleich, wie die Mehrheitsverhältnisse sind, diese Regeln als oberste Prinzipien einzuhalten.“ Deshalb soll es mehr deutsch-französische Treffen, mehr Eurozonen-Gipfel, „Schuldenbremsen“ nach deutschem Vorbild, mehr Repressionen und mehr Rechte für die Europäische Kommission geben.

Scheinbar sachlich wird im Schreiben von Merkel und Sarkozy an Van Rompuy vorgeschlagen:“ Auf der Grundlage ihrer Verpflichtungen aus dem Euro Plus-Pakt werden alle Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets bis Sommer 2012 eine finanzpolitische Regelung für einen ausgeglichenen Haushalt in ihr innerstaatliches Recht aufnehmen. Grundsätzlich wird diese Regel in die Verfassung der Mitgliedstaaten geschrieben oder in Recht gleichen Ranges … Die Regel sollte die Vorgaben des Stabilitäts- und Wachstumspaktes umsetzen und sicherstellen, dass jeder Mitgliedstaat des Euro-Währungsgebiets seinen Haushalt so schnell wie möglich ausgleicht … Im Einklang mit dem verbesserten Stabilitäts- und Wachstumspakt müssen alle Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets, deren Schuldenstand den Referenzwert übersteigt, bis Ende 2011 einen Anpassungspfad zum Abbau ihrer Staatsschuld unter den Referenzwert vorlegen und offenlegen, wie mit den Auswirkungen der alternden Bevölkerung auf die langfristige Schuldentragfähigkeit umgegangen wird.“ Im Klartext heißt das weiterführend: unsoziale Rentenreform und Sarkozy kündigte auch gleich Schritte in Sachen Rentenreform und Abbau des öffentlichen Dienstes an.

Wie selbstverständlich soll der Struktur- und Kohäsionsfonds weiter umgewidmet und mit Repressionen gegen jene verbunden werden, die dem Euro-plus-Pakt nicht entsprechen. Deutlicher als im Brief an Van Rompuy sagt Merkel: „Wir wollen eine Ausrichtung des Struktur- und des Kohäsionsfonds dergestalt, dass die Wettbewerbsfähigkeit und das Wachstum gestärkt werden, wir wollen, dass die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit ab 2013 in einer Neuausrichtung der Strukturfonds sichergestellt wird. Außerdem schlagen wir vor, dass die Kommission bei den Mitgliedstaaten, die bei der Umsetzung des Stabilitäts- und Wachstumspakts Schwächen aufweisen, ein stärkeres Mitspracherecht bekommt, das bei Programmländern bis hin zu einem Eingriffsrecht geht, um dann auch wirklich die Verwendung der Mittel im Sinne von Wettbewerbsfähigkeit und Wachstum sicherzustellen.“

Die Ankündigungen zu mehr Koordinierung der Wirtschafts- und Steuerpolitik bzw. zur makroökonomischen Koordinierung wären ja zu begrüßen, wären sie gegen Konkurrenzzwänge gerichtet, aber das Gegenteil ist der Fall und so wiederholt  Merkel ihr Verständnis von Solidarität: „Einmal geht es um die Solidarität mit denen, die Schwierigkeiten haben, weil wir den Euro als unsere gemeinsame Währung verteidigen, weil wir nicht wollen dass er als Ganzes in Gefahr kommt, und auf der anderen Seite geht es immer um die eigenen Anstrengungen.“

Klartext: Erst der Euro, dann die Menschen. Die Linken sollten endlich nachhaltig artikulieren: „Erst die Menschen, dann der Euro“ und diese Forderung politikwirksam machen – nicht nur, aber auch nicht zuletzt in Wahlkämpfen.

One Response to “Merkel baut Mauern”

  1. […] der Eurozone und; grosszügige Unterstützung für Projekte Mehring1 » Blog Archiv » Merkel baut MauernDie großen alten EULänder Deutschland und Frankreich wollen enger kooperieren um die […]

Leave a Reply

You must be logged in to post a comment.

Facebook IconTwitter IconView Our Identi.ca Timeline