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Revolution in Ägypten

Die Frankfurter Allgemeine Zeitung hat früher über „Revolution“ in Bezug auf Tunesien und Ägypten geschrieben, als vielen Linken hierzulande das bewusst geworden ist. Links zu sein bedeutete immer, solidarisch mit Revolutionären zu sein, wo immer sie in der Welt für eine gerechte Sache kämpften. Haben wir zu spät gemerkt, was da jetzt vorgeht?

Wenn man in die Geschichte schaut, merkt man jedoch: Revolutionen kommen immer so plötzlich. König Karl I. von England hatte wegen seiner absolutistischen Ansprüche von 1629 bis 1640 ohne Parlament regiert. Der Kriegsführung in Schottland wegen brauchte er zusätzliches Geld, das nur über neue Steuern zu erlangen war, wofür er wiederum die Zustimmung des Parlaments brauchte. Das berief er 1640 ein. Dieses verhielt sich jedoch unbotmäßig. Es kam zum Bürgerkrieg zwischen den Heeren des Königs und des Parlaments unter Oliver Cromwell, und nach dem Sieg des Parlamentsheeres wurde Karl I. im Jahre 1649 geköpft. In Frankreich hatten die spätabsolutistische Misswirtschaft und die Kriege gegen England in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts die Staatsfinanzen erschöpft. König Ludwig XVI. musste die „Generalstände“ einberufen, das seit dem 17. Jahrhundert nicht mehr bemühte Ständeparlament Frankreichs, mit dem Ergebnis, dass ebenfalls die Rechte des Parlaments gegen die des Königs durchgesetzt wurden, und auf dem Höhepunkt der Revolution Ludwig XVI. 1791 hingerichtet wurde. Der Zar Russlands, der österreichische Kaiser und der deutsche Kaiser wurden durch Revolutionen im Gefolge des ersten Weltkrieges und mit ihm verbundenen Zerrüttungen gestürzt. Der Kaiser von Äthiopien, Haile Selassie, verlor 1974 nach großen Hungersnöten im Lande durch einen Aufstand revolutionärer Offiziere seinen Thron. Der Kaiser von Iran, Mohammed Resa, wurde 1979 durch eine Volksrevolution gestürzt, deren offensichtlicher Hintergrund die fehlenden Menschenrechte und bürgerlichen Freiheiten waren. Dass daraus ein islamistisches Regime hervorging, ist nicht den Gründen der iranischen Revolution, sondern ihrem Verlauf geschuldet.

Nach all den Umwälzungen, Umbrüchen und Konvulsionen des 20. Jahrhunderts ist nicht mehr eindeutig zu sagen, ob Revolutionen „Lokomotiven der Geschichte“ sind, wie Karl Marx meinte, oder aber „der Griff des in diesem Zuge reisenden Menschengeschlechts nach der Notbremse“, wie Walter Benjamin einwandte. Insofern sind die Gründe für den Ausbruch einer Revolution und die für ihr Ergebnis nicht notwendig dieselben, im Gegenteil.

Im Unterschied zu den Revolutionsenthusiasten des 19. Jahrhunderts wissen wir aber heute, dass echte Revolutionen, die zum Zusammenbruch der alten Ordnung und zur Entstehung einer neuen führen, weder notwendig aus den jeweiligen wirtschaftlichen und sozialen Verhältnissen folgen (der politische „Überbau“ kann auch auf dem Wege von Kompromissen und Reformen umgewälzt werden, wenn die politischen Verhältnisse es hergeben und die zuvor herrschenden Kreise es mitmachen), noch durch eine revolutionäre Avantgarde bewusst und zielgerichtet herbeigeführt werden können. Die Subjekte der Veränderung, der Revolution, bilden sich in aller Regel im Prozess der Veränderung bzw. der Revolution selbst heraus. Gleichwohl gilt auch im 21. Jahrhundert, dass Revolutionen dann ausbrechen, wenn „die oben“ nicht mehr auf die alte Weise herrschen können und „die unten“ nicht mehr in der alten Weise leben wollen (Lenin). Das findet jetzt gerade in arabischen Ländern statt.

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