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Anmerkungen zum EU-Gipfel

Der EU-Gipfel von Ende Oktober ist in mehrfacher Hinsicht (erneut  desillusionierend und) interessant. Er wirft nicht zuletzt die Frage auf, wie jene Spielräume, die der Lissabonner Vertragstext bietet, genutzt werden können, um gegen jene Ursachen vorzugehen, die uns nötigen, ihn abzulehnen. Diese Überlegung macht nur Sinn, arbeiten die Linken an einer Strategie zur EU-Politik und konzentrieren sich dabei nicht vorrangig auf diese oder ähnliche Fragen. Für eine solche Strategiearbeit sind folgende Botschaften und Tatsachen der Europäischen Ratstagung relevant: 1) Die EU müsse als globaler Akteur ihre Fähigkeiten ausbauen, kohärenter und strategischer handeln – so wie in ihrer Sicherheitsstrategie herausgestellt sei. Leitlinien für den Europäischen Auswärtigen Dienst sollten dabei helfen. Allerdings erklären die Regierenden nicht, dass Sicherheit auch davon abhängt, ob sich andere sicher fühlen (können). 2) „Der Klimawandel schreitet schneller voran als erwartet“, sagt der Europäische Rat und wiederholt Feststellungen, Imperative und Versprechen. Aber er verzichtet auf konkrete Zahlen zu garantierten EU-Hilfen für Entwicklungsländer, um sich dem Klimawandel anzupassen und die Emissionen atmosphärischer Verschmutzung zu reduzieren. Man verweist auf erforderliche internationale Unterstützung, fordert gerechte Lastenverteilung auf globaler Ebene und verkündet keinerlei einseitige Vorleistungen. Man sagt viel Richtiges, aber wertet die Erfahrungen aus dem Umgang mit dem Kyoto-Protokoll nicht konsequent aus. So “übersieht” man, dass Klimazerstörung, Karbon-Handel und Finanzkrisen einander bestärken. 3) „Alle internationalen Vertragsparteien sollten sich bei der Bereitstellung von Finanzmitteln für Klimaschutzmaßnahmen auch dazu verpflichten, dass die Finanzierung die Armutsbekämpfung und weitere Fortschritte bei der Verwirklichung der Millenniums-Entwicklungsziele weder untergräbt noch gefährdet“, erklären die Regierenden und unternehmen gar wenig, um den ohnehin viel zu moderat angesetzten Millennium Develoment Goals auch nur ein Stückchen näher zu kommen. Im Gegenteil, die Schere öffnet sich weiter. 4) Trotz langer Passagen zur Vorbereitung auf den Kopenhagener Klimagipfel wiederholt man die Phrasen von Wachstum, Arbeitsplätzen und einer florierenden Wirtschaft als Bedingung für gesellschaftlichen Wohlstand. Dafür seien langfristig tragende öffentliche Finanzen von hoher Bedeutung, weshalb soziale Sicherungssysteme weiter zu privatisieren wären und aus den öffentlichen Konjunkturprogrammen “geordnet auszusteigen” sei. 5) Angesichts fortschreitender Krisen wird ein zunehmender Druck zu Migration ausgemacht. Zugleich aber rufen die Regierenden weiter nach FRONTEX und halten an einer Migrationspolitik fest, die menschenverachtend ist und “Sicherheitsrisiken” mehrt.

Ansätze zu Alternativen und so zur Arbeit an Strategien ihrer Umsetzung wären Engagement und so Initiativen dafür, dass 1) vor den Küsten der EU nicht weiter Menschen ertrinken, und sich die EU nicht mit Lagern vor unliebsamen Flüchtlingen, Migrantinnen und Migranten ‚schützt’. Menschenrechtswidrige FRONTEX-Einsätze müssen sofort eingestellt, die ‚Shame-Directive’ aufgehoben werden; 2) die  Vervollkommnung der Grundrechte-Charta in Sachen soziale Rechte, Rechte von Ausländerinnen und Ausländern und Schutz der individuellen Freiheitsrechte  unverzüglich beginnt; 3) eine spezifische Primärenergie- und CO2-Steuer sowie eine Steuer auf Finanzmarkt-Transaktionen eingeführt und über sie Finanzmittel zur Unterstützung der global Ärmsten mobilisiert werden; 4) die Europäische Union unverzüglich auf alle Maßnahmen und Projekte verzichtet, die ihre militärische Angriffsfähigkeit erhöhen; 5) die EU sofort deutlich macht, dass sie die Prioritäten ihrer Außenpolitik überdenkt – insbesondere durch den Ausstieg ihrer Mitgliedsländer aus Militäreinsätzen, die Auflösung der Battle Groups und durch ein Moratorium über ihre Sicherheitsstrategie; 6) sie ihre Strategie ‚Global Europe’ zurück nimmt und ihre Politik der ‚ungleichen Verträge’ beendet, die neokoloniale Abhängigkeitsverhältnisse festigen und ausbauen. Alle Außenwirtschaftsverträge mit armen Ländern, die nicht dazu dienen, die Millennium Development Ziele zu erlangen, sollen einem Moratorium unterliegen.

Mit den Moratorien soll es möglich werden, eine breite öffentliche Diskussion über neue Wege in der Außenpolitik, in der Außenwirtschafts- und Entwicklungspolitik zu beginnen, bestehende Verträge zu revidieren und Verhandlungen zu neuen Zielen und neuen Bedingungen aufzunehmen.

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