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Vor dem große Opportunismus?

Nach den Bundestagswahlen ist weniger denn je klar, wohin sich Deutschland entwickeln wird. Die Staatsverschuldung steigt und alle wollen vor allem Steuern senken – das ist die Botschaft der letzten Tage. In dieser Unbedarftheit ist das schon erschreckend. Der IWF hat da eine deutlichere Sprache: er sieht steigende Arbeitslosigkeit und kaum Spielraum für wachsende Exporte. Mithin besteht offensichtlich kein zwingender Zusammenhang zwischen dem erwarteten Wachstum in Asien und der Wirtschaftsentwicklung in Europa. Das war zu erwarten, nutzten doch China und Indien die Krise, um die Binnenmärkte zu stärken.
Was angesichts dieser Situation von den künftigen Regierungsparteien angeboten wird, ist erbärmlich. Zu erwarten ist ein opportunistisches, freundlich ausgedrückt pragmatisches, Schwanken zwischen verschiedenen Politikangeboten: ein wenig Steuersenkung, ein wenig Repression, dann wieder Flicken an der sozialen Sicherung, um den politischen Druck zu mindern (z.B. Erhaltung des Mindestlohnes), Privatisierung und Deprivatisierung … Die künftige Bundesregierung wird gefangen bleiben zwischen ideologischen Glaubenssätzen der sozialen Marktwirtschaft, freidemokratischen Phantasien von marktwirtschaftlicher Selbstregulierung, der Notwendigkeit der Sicherung politischer Stabilität und den harten ökonomischen Interessen in der Standortkonkurrenz. Die Klarheit einer Agenda 2010 wird in keiner Richtung erreicht werden. Diese labilen Verhältnisse können sich als außerordentlich gefährlich für die bürgerliche Demokratie erweisen, da ja entschieden gehandelt werden muss, dann und wann. Hier wiederum könnte sich die Regierungsbeteiligung der FDP als Korrektiv erweisen – so eigentümlich das im konkreten Fall dann auch aussehen mag.
Die Beschlüsse des G20-Gipfels dürften da auch nicht sehr hilfreich sein. Die Fixierung auf die Finanzmarktregulierung – und das noch in weicher Form – deuten darauf hin, dass von einem Abschied von finanzinvestorengetriebenen Kapitalismus noch nicht die Rede sein kann. Vielmehr scheinen wir in eine Phase des Lavierens einzutreten, begleitet von depressiver wirtschaftlicher Entwicklung – kein Problem wird gelöst, aber auch keine Eskalation zugelassen.
Irgendwie erinnert dies an die Phase der Globalsteuerung unter Karl Schiller, die sich schließlich als Übergangsperiode erwies. Nach vielen Jahren H. Kohl wurde dieser Übergang zu einem neuen Akkumulationstyp aber wiederum von einer sozialdemokratischen Regierung unter Beteiligung der Grünen in der Agenda 2010 vollendet. Ein wichtiger Unterschied dürfte darin bestehen, dass mit der Agenda 2010 ein sozialstruktureller Umwälzungsprozess vollendet wurde, indem das Prekariat in den Hartz-Gesetzen „fixiert“ wurde. Die damit verbundenen Spaltungen unter den Lohnabhängigen haben neue Organisationsformen der Solidarisierung hervorgebracht (bzw. werden sie hervorbringen), die in den nächsten Jahren ihre politische Wirksamkeit unter Beweis zu stellen haben werden.

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