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Von Herbert Klemisch

Die Forderung nach Arbeitszeitverkürzung spielt in der deutschen Nachkriegsgeschichte immer wieder eine Rolle. «Samstags gehört Vati mir» war die erste gewerkschaftliche Kampagne zur Einführung der 5-Tage-Woche in den 60iger Jahren. Anfang der 80iger Jahre ging es um die Einführung der 35-Stunden-Woche, die leider in vielen Betrieben und Branchen immer noch nicht umgesetzt ist. Dabei kann Arbeitszeitverkürzung eine Lösung für viele Probleme wie Fachkräftemangel, Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben und eine Klimawende ohne Angst vor Arbeitsplatzverlust sein.
Heute ist die Debatte um Arbeitszeitverkürzung wieder brisant, denn ihre Umsetzung kann unter günstigen Rahmenbedingungen ein Beitrag zu sozialer Gerechtigkeit, Geschlechtergerechtigkeit, zur Reduzierung des Fachkräftemangel aber auch zu Klima- und Ressourcenschonung sein. Damit ist sie aktueller und notwendiger denn je. Unter welchen Voraussetzungen Arbeitszeitverkürzung gelingen kann, dazu gibt die vorliegende Publikation viele hilfreiche Anregungen.
Entstanden ist der Band aus dem Arbeitszusammenhang der attac Arbeitsgruppe «ArbeitFairTeilen»; er verbindet Beiträge ausgewiesener Expert*innen aus Gewerkschaft, Wissenschaft und sozialen Bewegungen.

Nach einem instruktiven Beitrag der Herausgeber*innen ist der Band in drei Themenblöcke unterteilt. Der erste Teil beschäftigt sich mit Modellversuchen, nämlich der Beschreibung des britischen Großversuchs zur Einführung der Vier-Tage-Woche und der Analyse der Debatte der IG Metall um das Konzept der Vier-Tage-Woche. Im zweiten Teil werden von den Autor*innen Berührungspunkte zu anderen gesellschaftlichen Themen in den Fokus genommen. So stellt Beate Zimpelmann etwa den Zusammenhang mit Geschlechter- und Klimapolitik unter dem Begriff der «Ganzen Arbeit» her. Philip Frey begründet die ökologische Grenzen der Arbeit und Steffen Liebig arbeitet unter dem Motto «Kürzer Arbeiten für die sozial-ökologische Transformation» die Konvergenzpunkte von Gewerkschafts- und Klimabewegung heraus.
Der dritte Teil vereint unter der Überschrift «Gesellschaftliche Transformationsprojekte» Beiträge, die das Gesamtprojekt einer Arbeitszeitverkürzung in den Fokus nehmen, u.a. entwickelt Nina Treu mit dem «konzeptwerk neue ökonomie» Umsetzungsschritte und räumt mit klassischen Vorurteilen und Gegenpositionen auf. Abgeschlossen wird der Band mit einem Ausblick auf Zeit im Jahr 2048.
Der Band besticht durch seine klare Struktur, die gute Lesbarkeit der Beiträge und seine fundierten Analysen, die auch die Zusammenhänge mit anderen gesellschaftspolitischen Themen wie Klimaschutz, Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben etc. immer wieder deutlich herausarbeiten. Und es gibt viele praktische Anregungen zur Argumentation und zur Umsetzung, die den Band für alle diejenigen, die sich für eine Verkürzung der Arbeitszeit einsetzen, unverzichtbar macht.

Margareta Steinrücke/Beate Zimpelmann (Hrsg.), Weniger Arbeiten, mehr Leben! Die neue Aktualität von Arbeitszeitverkürzung; VSA Verlag, Hamburg 2024, 160 Seiten, 16,80 Euro

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