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“Laufende Atomkraftwerke sind praktisch wie Gelddruckmaschinen, sie werfen im Normalbetrieb gewaltige Gewinne ab. Was davor und danach Kosten verursacht, wird sozialisiert. Forschung und Endlager zahlt der Staat, die Folgen eines Unfalls trägt die Gesellschaft, weil keine Versicherungsgesellschaft der Welt dieses Risiko übernehmen würde.” (FAS vom 13. März 2011, S.59)

Die FAS hat recht, auch wenn das Argument noch nicht genau und radikal genug ist. Vielleicht gäbe es Versicherungen, die das Haftungsrisiko übernehmen würden. Allerdings wären die Prämien so hoch, dass die Atomkraftwerke eben keine Gelddruckmaschinen mehr wären: In der Schweiz werden – laut Basler Zeitung vom 15.3.2011 – 1,8 Mrd. CHF Versicherungssumme pro Anlage verlangt, in Deutschland 2,5 Mrd. Euro. Für die Schweiz wurde 1995 veranschlagt, dass ein GAU etwa 4,3 Billionen CHF kosten würde, das Zehnfache der BIP. Die Verstrahlung Zürichs würde 40 Mrd. CHF kosten. Das würde die Kosten eines AKW in der Nähe von Zürich pro Jahr um 100 Mio. CHF erhöhen, wenn eine entsprechende Versicherung abgeschlossen würde. Faktisch genießt die Atomkraft also einen Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Energieformen, weil es diese Prämie nicht zahlen muß. Dabei sind noch nicht einmal all die Subventionen bei der Entwicklung, Herstellung, dem Betrieb und der Endlagerung mitbedacht. In der Schweiz wurde offensiv mit der Vergesellschaftung der Kosten umgegangen, eine höhere Haftungssumme als die 1,8 Mrd. CHF lehnte der Gesetzgeber ab mit auf den Volksentscheid. Der für Umwelt zuständige sozialdemokratische Minister Leuenberger argumentierte 2008, daß das Stimmvolk sich in Volksentscheiden für die Atomkraft ausgesprochen habe und die Abwälzung und Sozialisierung der Kosten deswegen vertretbar sei. Ein etwas absurder Gedanke, der nahelegt, es sei allein ein finanzielles Problem, das dann von den einzelnen Bürgern verkraftet werden müßte. Wie offensichtlich ist, wird noch sehr viel mehr sozialisiert als nur ein Geldbetrag. Die Frage stellt sich, wie weit eine Bevölkerung in Kenntnis über die Gefahren der Technologie ist und angemessen entscheidet.

In der Schweiz oder in Deutschland hätte eine Kernschmelze wegen der noch größeren Besiedlungsdichte oder Nähe einiger der AKW zu Städten und Infrastrukturen möglicherweise noch schlimmere Folgen als in Fukushima – soweit eine Aussage überhaupt Sinn macht. Es sind ja nur kurze Distanzen vom AKW Biblis zu Rhein, Autobahnen und Eisenbahn, also zentralen Verkehrsachsen, die nicht mehr nutzbar wären. Es wäre also nicht mehr möglich nach der Einrichtung einer 10- oder 20-Kilometer-Zone von Frankfurt nach Mannheim oder Freiburg zu fahren – weder auf der Autobahn noch in der Bahn. Ein Supergau und eine Evakuierung einer Stadt wie Tokio erscheint unvorstellbar – und doch rückt letztere sie in handgreifliche Nähe, wenn Journalisten von Zeitungen und Nachrichtensendern abgezogen werden. Wäre es nicht richtig, daß alle diejenigen, die sich mutig, rational, objektiv für diese gefährliche Hochtechnologie immer eingesetzt haben, jetzt in Tokio blieben und berichten würden. Sie könnten es dem Leiter der Eidgenössischen Nuklearsicherheitsinspektorat gleich tun. Der hatte noch vor wenigen Tagen in mehreren Talkshows behauptet, etwas Tschernobyl Vergleichbares könnte in Fukushima nicht geschehen, weil es sich um einen völlig anderen Reaktortyp handele. Eine Kernschmelze sei nicht zu erwarten. Das trägt nicht zur Aufklärung bei.

Herr Röttgen hat auf der Pressekonferenz verlauten lassen, daß die Vorgänge in Japan eine neue Bewertungsgrundlage für die Beurteilung von AKW geschaffen hätten. Warum eigentlich? Die Bevölkerung ist ziemlich gut aufgeklärt und gegen die Atomkraft. Es gibt eine breit verankerte Bewegung gegen diese Form der Energiegewinnung. Von Herrn Röttgen und der Bundesregierung ist eine Entschuldigung und eine Respektbezeugung vor denjenigen zu erwarten, die sich viele Tage und Nächte gegen diese Energie engagiert haben, die von den Medien als irrational beschimpft wurden, die im Namen des Volkes vom Staat verfolgt und bespitzelt, verprügelt und krankenhausreif geschlagen wurden, die aber mit ihren Protesten Unendliches zur Aufklärung über die Gefahren dieser Technologie beigetragen haben.

One Response to “Atomkraftwerke und Volksentscheid”

  1. […] Dazu schreibt Alex Demirovic: Die FAS hat recht, auch wenn das Argument noch nicht genau und radikal genug ist. Vielleicht gäbe es Versicherungen, die das Haftungsrisiko übernehmen würden. Allerdings wären die Prämien so hoch, dass die Atomkraftwerke eben keine Gelddruckmaschinen mehr wären. Weiterlesen auf dem blog des IfG […]

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