Der Begriff Mosaiklinke bezeichnet eine Metapher der politischen Rhetorik. Er zielt auf die theoretische Begründung und politische Beförderung eines gesellschaftlichen Akteurs, der seine Kernaufgabe in der Regulierung und Transformierung des globalisierten Finanzmarkt-Kapitalismus sieht. Als heterogener Kollektivakteur umfasst er diverse Organisationen, Initiativen und Bewegungen, die unter Wahrung eigener Identitäten gemeinsam an Projekten der Korrektur und Beseitigung finanzmarktkapitalistischer Deformationen arbeiten. Dabei akzeptiert die Mosaik-Metapher, dass auch kapitalistische Gesellschaften Prozessen der sozialen Differenzierung unterliegen, aus denen eigensinnige soziale Kontexte hervorgehen. Diese lassen sich im Anschluss an Pierre Bourdieu als soziale Felder fassen, die als relativ autonome soziale Welten innerhalb der Welt der Gesamtgesellschaft existieren. Dabei enthalten soziale Felder eigene Bewertungskriterien und Machtstrukturen und stellen Kampffelder zur Veränderung der internen Kräfteverhältnisse dar. Zugleich werden die feldinternen Entwicklungen durch die Dynamik der finanzmarktkapitalistischen Akkumulation geprägt, die die Imperative des kapitalistischen Verwertungsprozesses in die Felder und damit in nahezu alle Gesellschaftssphären hineinträgt.
Die Mosaiklinke kann als eine Assoziation von Feldakteuren begriffen werden, die auf die progressive Veränderung in ihren Feldern hinzuwirken haben, um feldübergreifende Handlungsmacht gegenüber den finanzmarktkapitalistischen Zwängen zu ermöglichen. Dabei sind sie nicht nur in spezifische Akteurskonstellationen und Logiken ihrer Handlungskontexte eingebunden. Zugleich haben die Gesellschaften des entwickelten Kapitalismus einen Grad an Komplexität erreicht, in dem kein Akteur a priori feldübergreifende Handlungskompetenz reklamieren kann. Daher setzt eine wirkungsmächtige Mosaiklinke kooperative Strategieorientierungen unter den Akteuren voraus. Das gilt etwa für die Gewerkschaften. In Deutschland konnten sie in der Akutphase der großen Krise des Finanzmarkt-Kapitalismus im Rahmen krisenkorporatistischer Arrangements ansehnliche Defensiverfolge bei der Wahrung der Einkommens- und Arbeitsplatzinteressen ihrer Mitglieder erringen. Weitergehende Forderungen – etwa nach wirtschaftdemokratischen Interventionen – scheiterten vor allem an fehlenden Machtressourcen und krisenkorporatistischen Konsenszwängen. Ein relevanter Beitrag der Gewerkschaften zur Beförderung einer gesellschaftlichen Mosaiklinken dürfte ohne ein Selbstverständnis als autonome Interessenvertretung der abhängigen Arbeit und eine Strategie der machtpolitischen Revitalisierung nicht realisierbar sein.
Auch andere potenzielle Mosaikakteure müssen Rollenverständnisse und Politikvorstellungen auf ihre mosaiklinke Eignung prüfen und gegebenenfalls erneuern. Sollen staatliche Interventionsmedien wie Recht, Geld und Normen für eine progressive Transformation des Finanzmarkt-Kapitalismus nutzbar gemacht werden, müssen in den politischen Arenen entsprechende Mehrheiten entstehen. Dabei sind die Parteien gefordert, in den politischen Entscheidungsverfahren eine Oppositionsrolle gegenüber den finanzmarktkapitalistischen Zumutungen wahrzunehmen und zugleich Impulse aus der Gesellschaft aufnehmen, um sie mit Erfahrungen, Kompetenzen und Ressourcen aus der parlamentarischen Arbeit zu verbinden und in Reforminitiativen und Transformationsprojekte einzubinden. Schließlich bedürfen traditionelle Vorstellungen von der Rolle kapitalismuskritischer Intellektueller der Erneuerung. Im mosaiklinken Formierungsprozess besteht die Schlüsselfunktion intellektueller Tätigkeit im Aufspüren und strategischen Bearbeiten jener transformatorischen Projekte, die auf die Korrektur und Transformierung des Finanzmarkt-Kapitalismus zielen und die kollektive Handlungsfähigkeit zwischen den mosaiklinken Feldakteuren befördern. Dies erfordert ein Rollenverständnis als integrativer Intellektueller.
Auch die Mosaiklinke steht vor der Notwendigkeit, die Grenzen der nationalstaatlichen Arenen zu überwinden. Das gilt bereits mit Blick auf Europa mit seinen fragmentierten Öffentlichkeiten, Organisationen und Politiken. Eine transnationale Politik gegen die neoliberale Krisenpolitik und für ein neues öko-soziales Entwicklungsmodell in Europa könnte hier defragmentierend wirken. Eine solche Politik könnte zur Herausbildung einer europäischen Gegenöffentlichkeit und damit zu einem »europäischen Demos« beitragen, ohne den Demokratiefortschritte in Europa nicht erreichbar sein dürften. Für eine europäische Mosaiklinke liegen hier zentrale Aufgaben. Auch sie hätte sich der Aufgabe einer Veränderung der Machtverhältnisse in den Nationalstaaten zu stellen, um die dortigen Reformpolitiken zu europaweiten Transformationsprojekten zu bündeln.
Zum Weiterlesen:
- Candeias, Maria (2010): Von der fragmentierten Linken zum Mosaik, in: Luxemburg, 3, S. 6-17.
- Urban, Hans-Jürgen (2009): Die Mosaiklinke. Vom Aufbruch der Gewerkschaften zur Erneuerung der Bewegung, in: Blätter für deutsche und internationale Politik, 5, 5. 71-78.
- Urban, Hans-Jürgen (2010): Lob der Kapitalismuskritik. Warum der Kapitalismus eine starke Mosaiklinke braucht, in: Luxemburg, 3, S. 18-29.