Die RLS-Studie “Big Tech Goes to War. Uncovering the growing role of US and European technology firms in the military–industrial complex” ist nun erschienen. Und ich freue mich auf das baldige Erscheinen der deutschen Übersetzung. Noch vor Beginn des großen Krieges in Osteuropa hatte ich mit Stephanie Verlaan und Lucas Maaser über die Möglichkeit einer Studie gesprochen, die sich mit der Frage auseinandersetzt, wie auf der Ebene der Unternehmen eigentlich die Algorithmisierung der Kriegführung vorangetrieben wird: Welche Dynamiken wirken in ihnen, wie erleben es Beschäftigte, die dachten, sie würden für zivile Zwecke arbeiten? Konkret geht es um die Zusammenarbeit zwischen Pentagon und eigentlich auf primär zivile Märkte orientierte Big-Tech-Unternehmen.
Die dort beschrieben Initiativen datieren noch aus der Zeit der Post-1990-Weltordnung. Und doch ist diese konkrete Form der zivil-militärischen Zusammenarbeit auch für den Typus unserer gegenwärtigen Kriege relevant: Die analysierten Partnerschaften ermöglichen höhere technische und organisatorische Synergien zwischen beiden Sektoren. Eigentlich zivile Unternehmen, die das technisch neutrale Produkt der Algorithmisierung anbieten, lassen sich leichter in den Dienst der Rüstungsproduktion stellen, ohne dass sie zwingend zu inflexiblen Rüstungsunternehmen werden. Ein kleiner Teil der Studie nimmt auch die Entwicklungen auf deutschem und europäischen Feld in den Blick.
Auch die gegenwärtige Kriegführung in der Ukraine basiert (insbesondere auf Ebene der Operationsplanung und -ausführung) sehr wesentlich auf der Nutzung an sich ziviler IT-Strukturen – sei es der Internetzugang über Starlink, zu kommerziellen hochauflösenden Satellitenbildern und deren algorithmisierter Auswertung oder dem datenintensiven koordinierten Einsatz von Drohnen. Dies ermöglicht insbesondere der ukrainischen Seite, ihre Defizite (keine eigenen Militärsatelliten etc.) auszugleichen und damit das russische Großmachtprivileg abzuschwächen. Perspektivisch heißt der verbilligte Zugang zu solchen Technologien auch, dass Kriege auch zwischen Nicht-Großmächten mit hoher Intensität geführt werden können. Denn konventionelle und einfach zugängliche Waffensysteme können durch die Algorithmisierung der Operationsführung ungleich wirkungsvoller eingesetzt werden. Der Krieg um Bergkarabch zwischen Aserbaidschan und Armenien 2020 gab einen Vorgeschmack.