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Wenn Gutes von Schlechtem kommt: Musk, Twitter und Mastodon

Mastodon Logo-TierTwitter, die nur vermeintlich bisher gerade noch OKe Blasenproduktionsmaschine [1], wird für viele mit der Übernahme durch den rechts-libertären Multi-Milliardär Musk endlich inakzeptabel [2].

Auch die Interessen der Twitter-Nutzer ändern sich und machen die Plattform für Werbekunden weniger attraktiv. Für sie waren bislang Themen wie Nachrichten, Sport und Unterhaltung relevant. Die Nutzer wollten dagegen weniger davon wissen und interessierten sich zunehmend stärker für Kryptowährungen, »Nacktheit« und Pornographie. Große Anzeigenkunden wie Dyson, PBS Kids und Forbes hätten ihre Werbung ausgesetzt, hieß es bei Reuters, weil Twitter-Accounts zu Kinderpornographie aufriefen.”
Quelle: Junge Welt vom 3.11.2022, S. 15 [3]

Es kommt die Frage nach Alternativen auf – und die Gelegenheit für ein schon seit langem etabliertes Freie-Software-Projekt, aus dem Schatten des Monopolkonzerns zu treten: Mastodon. Die kurze Antwort: Klar, Mastodon ist cool.

Ein Mastodon ist ein Ur-Elefant, daher wird im Fediversum getrötet und nicht getwittert. Das Fediversum ist die Alternative zum Uni-Versum: Nicht einer kontrolliert alles, sondern viele Server (“Instanzen”), die alle ihr Getröte miteinander austauschen, hängen dezentral miteinander zusammen. Es gibt Instanzen zur freien Anmeldung. Es gibt welche, da muss ich mich bewerben. Es gibt welche, die probieren ein thematisches oder ein regionales Profil darzustellen. Und das Wichtigste: Wenn ich will, kann ich mit meinem Profil von einer Instanz zur anderen umziehen, ohne von Null anfangen zu müssen. Denn die Instanzen stehen nicht in Konkurrenz zueinander. Ab einer gewissen Größe ist es ein Nachteil, weiter zu wachsen, denn ein großer Server wird irgendwann unhandlich. Andere haben schon ausgeführt, dass das für Datenschutz bzw. -sparsamkeit nur Vorteile [4] bedeutet.

Wer gar keine passende Instanz findet, oder niemandem fremdem vertrauen will, kann auch einfach selbst eine Mastodon-Instanz betreiben – öffentlich oder nur für die eigene Familie, WG, Firma, Organisation. Und alles ist Open Source, alles nicht privatisierbarer Code, da gibts auch nichts einzuwenden auf der Ebene der Kritik der Eigentumsverhältnisse an den digitalen Produktionsmitteln.

Übergang und Umstieg
Ich bin gar nicht auf Twitter. Manchmal will ich aber dort was lesen, wenns das nirgendwo anders gibt. Das mach ich dann am Computer im Webbrowser und nutze einen vorschaltbaren Proxy. Der schirmt mich gegen die Server des Konzerns ab. Für Twitter ist nur die Anfrage des Proxy zu sehen, meine Daten gehen nicht durch bis zu Twitter. Das geht einfach: Für die Proxy-Abfrage einfach twitter.com [5] durch nitter.net [6] ersetzen, also z.b.: nitter.net/E3K19 [7] für den Tracker-freien Feed der Berliner AG gegen Eigenbedarfskündigungen (die Links muss man nicht händisch ändern, kann man ein Browser-Plugin [8] machen lassen). Auch Nitter lässt sich selbst hosten, wenn man nitter.net [6] nicht vertrauen will, Infos dazu auf den Entwicklungs-Seiten von Nitter [9].

Mit mobilem Gerät aktive Twitterer_innen, die sich experimentier- und ggf. umstiegswillig zeigen, könnten vielleicht einen schleichenden Übergang ausprobieren: Zunächst Twitter-App deinstallieren. Dann Twidere installieren (nur für Android, erhältlich auch auf dem sowieso empfehlenswerten, auf Freie Software spezialisierten App-Portal F-Droid [10] verfügbar). Twidere dann sowohl mit dem Mastodon- als auch mit dem Twitter-Konto verbinden. Das ergibt einen einheitlichen Feed, der sowohl Tweets als auch Toots in umgekehrter chronologischer Reihenfolge enthält. Kein Tracking, keine Profilerstellung, keine maschinelle Auswertung von Vorlieben. Soll eine Nachricht veröffentlicht werden, gibts die Entscheidungsmöglichkeit, an beide Plattformen zu senden oder eben nicht. Ein Statement wäre es, eine Umzugsankündigung zu twittern und dann nur noch auf Mastodon zu posten. Spricht ja nichts dagegen, z.B. nur noch auf @mentions auf Twitter zu antworten – erst mal noch. (Anmerkung für iOS-User: Leider gibts keine vergleichbare Dual-Use-App für Apple-Geräte. Dort also zum Lesen Twitter- und Mastodon-App der Wahl [11] nebeneinander benutzen. Zum Posten gibts eine gemeinsame App, Linky for Twitter and Mastodon [12].)

Zwischenfazit
Wer das schnelle, schmutzige Posten nicht lassen kann, der oder die darf nun tröten statt twittern: Mastodon ist sinnvoll und machts möglich.
Wer ab und zu doch nochmal Twitter lesen will: Nitter-Server der eigenen Wahl vorschalten.

Hier noch mein kurzer Praxisbericht:
Netzfüralle hab ich auf der Mastodon-Instanz Berlin.social [13] angemeldet. Das Profil habe ich als “Bot” deklariert, weil ich es automatisch mit den Blogbeiträgen von hier bestücken werde. Ich habe nicht vor in die Welt der Kurzpostings einzusteigen, auch wenn ein Tröt nicht nur lauter 😉 sondern mit 500 Zeichen auch deutlich länger als ein Tweet sein darf. Das Profil sollte als @netzfueralle@berlin.social [14] zu finden sein, egal von welcher Instanz aus. Berlin.social ist eine große Instanz. Wers lieber klein, aber fein (und visualisierungs-nerdig) haben will, nehme z.B. socialserver.science [15], alleine wegen des tollen Titelbanners.

Wer sich selber eine Instanz suchen will, für den oder die hält instances.social [16] einen Wizard und eine Liste sehr vieler öffentlicher Instanzen bereit. Sieh und staune, die Gewerkschaft Verdi bzw. die dort angesiedelte DJU [17] ist mit eigener Instanz vorne mit dabei, ein Mensch aus der Linken [18] und die Partei [19]-Konkurrenz auch. Bei letzteren muss man sich bewerben, kann sich nicht direkt automatisch registrieren. Die Instanz des Chaos Computer Clubs [20] hingegen ist schon wegen Überfüllung geschlossen, scheint so ab 10k Registrierungen Sinn zu machen.

Aber wie gesagt, ist ja eigentlich egal, auf welcher Instanz wer startet, ist lediglich sowas wie eine leichte identitäre Duftmarke, die das Profil mit der Instanz setzt – zur Not bleibt die Instanz immer wechselbar mit allen Einstellungen und Kontakten. Denn nur Twitter macht den Umzug unnötig schwer durch fehlende Exportmöglichkeit. Import-Export zwischen Mastodon-Instanzen kostet hingegen nur wenige Klicks und ist Teil der vorinstallierten Möglichkeiten in den Profil-Einstellungen.

Wie immer bei Freier Software geht auch selbst hosten, sogar ganz komfortabel plug-n-play-förmig, dank der Server-Installations- und Konfigurations-Oberläche Yunohost [21] muss niemand mehr Admin-Guru und Security-Crack sein, um einen sicheren, stabilen Server am Start zu haben, z.B. zuhause hinter dem eigenen Router. Ein etwas dickerer Upstream-Kanal in der Internetanbindung als in den Billigpaketen der Provider ist dabei hilfreich, um für mehr als nur sich selbst und den engsten Freundeskreis zu hosten. Als Server-Hardware und für den energiesparenden 24/7-Betrieb eignet sich ein gebrauchter kleiner Thin Client [22], wie sie auch in der RLS auf den Schreibtischen stehen und regelmäßig zu 100tausenden ausgemustert werden und bestenfalls auf den Gebrauchtmärkten landen, obwohl sie noch technisch einwandfrei sind (“sozusagen moralischen Verschleiß [23]” nennt Marx dieses Phänomen im ersten Band des Kapitals auf Seite 426). Solche ausrangierten Geräte sind dort entsprechend günstig für ca. 20 bis 40 Euro zu haben (ich hab gute Erfahrung mit einem kleinen Dell [24] gemacht).

 

(FAQ:

Frage: Warum gibts hier noch keinen Button, um diesen Beitrag auf Mastodon zu teilen?
Antwort: Ich warte noch auf die Umsetzung des Mastodon-Service im hier verwendeten Shariff-Plugin [25].

Frage: Warum bastelts du keinen Button mit der Hand?
Antwort: Mach ich ab sofort, siehe unten!)

 


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