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Ende Gelände: We shut shit down; Hamburg 2022 [Rezension]

[1]2015 besetzte Ende Gelände [2] erstmals den Kohletagebau in Garzweiler. Seit diesem Zeitpunkt tritt der in Ortsgruppen und thematischen Arbeitsgemeinschaften organisierte Zusammenschluss unter diesem Namen auf – inzwischen ist er schon fast eine Marke geworden ist. 2016 fanden Proteste in der Lausitz statt, 2017 wieder in Garzweiler, hier erstmals mit thematisch definierten Aktionen auch über den vermeintlich eigentlichen Gegenstand (die praktische Kritik an der aktuellen Energiewirtschaft) hinaus, unter anderem zu Sexismus und Ko(h)lonialismus.
Das hier vorliegende Buch mit größtenteils 2020 verfassten Texten soll Bewegungsgeschichte festhalten und die vielen gemachten Erfahrungen teilen. Die Texte stammen von einer (anonymen) Arbeitsgruppe, die ausdrücklich nicht für die Bewegung sprechen kann und will. Im ersten Kapitel werden die verschiedenen Aktionen vorgestellt und nacherzählt. Im zweiten die politischen Strategien, die «Ende Gelände» verfolgt. Hier ist zum einen die professionelle und aktive Presse- und Öffentlichkeitsarbeit zu nennen, und ebenso der zivile Ungehorsam, der unter dem Motto «Nicht legal, aber legitim» blockierend in die Abläufe des fossilen Kapitalismus eingreift. Nach «innen» wird auf eine gute Gruppenstruktur und ein förderliches Gruppenklima geachtet, und auf Vorbereitung auf und den solidarischen Umgang mit Repression.
Im dritten Kapitel werden die Inhalte vertieft: Kohle, Staat, Rassismus und Kolonialismus und wie diese zusammenhängen. Als Schlussfolgerung wird – wieder einmal – klar, dass ein Systemwechsel notwendig ist, um Klimagerechtigkeit zu erreichen, ja überhaupt erreichen zu können. Als letztes Kapitel folgt ein Ausblick, der die bisherigen Thesen zusammenfasst. Hier wird deutlich, dass «Ende Gelände» eine aktive, dezentrale und professionelle Organisierung ist, die Staat und Industrie vor Herausforderungen stellt – und die das Thema der Energieversorgung wieder auf die politische Agenda gebracht und den Kohleausstieg beschleunigt hat.
Politisch möchte «Ende Gelände» perspektivisch soziale Bewegungen verbinden, indem Bewegungen zu verschiedenen Themen voneinander Kenntnis erlangen, sich unterstützen und drittens in eine gemeinsame Planung kommen. Ein Glossar, das um die 50 für die Texte wichtige Begriffe kurz erklärt, schließt diese Veröffentlichung ab.
Sympathisch ist die zugängliche und deshalb schöne Sprache des Buches, dem eine große Leser*innenschaft zu wünschen ist – da es anschaulich zeigt, dass soziale Bewegungen Geschichte schreiben. Die Botschaft lautet: Gemeinsam können viele eine ganz andere Welt erstreiten: «Let’s be careful with each other so we can be dangerous together» – also lasst uns umsichtig miteinander sein, damit wir gemeinsam gefährlich sein können, und zusammen alle zerstörerischen und unterdrückerischen Verhältnisse überwinden.

Bernd Hüttner [3]

Ende Gelände: We shut shit down; Edition Nautilus, Hamburg 2022, 208 Seiten, 16 Euro

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