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Sandner, Ginner (Hrsg.): Emanzipatorische Bildung. Wege aus der sozialen Ungleichheit; Wien 2021 [Rezension]

[1]Die 15 Beiträge dieses lesenswerten Buches kreisen um das Verhältnis von Bildung zu sozialer Ungleichheit. Dabei wird von der letztlich sozialdemokratischen Grundthese ausgegangen, soziale Ungleichheit vertrage sich nicht mit der Vorstellung, dass Demokratie auf politischer Gleichheit beruhe, ja stehe im Widerspruch dazu. Der Gedanke, dass Armut und Abwertung durchaus gewollt ist, und auch zur Disziplinierung aller anderen dient, wird nicht deutlich genug ausgesprochen.
In vielen der Artikel wird die ungleiche Verteilung von Vermögen und Einkommen angesprochen und kritisiert, ebenso die soziale Vererbung von Bildung eindrücklich nachgewiesen. Diese resultiert zum einen aus der Selektion bei den Bildungsübergängen (meist schon im Alter von zehn Jahren) und noch mehr aus der auf Kinder aus der Mittel- und Oberschicht ausgerichteten kulturellen Grammatik des Unterrichts und des gesamten «Systems Schule» (und später auch der Hochschulen).
Gleichzeitig wird im Buch – sozusagen als Kontrast – für verschiedene Bildungszweige (gewerkschaftliche Bildung, berufliche und Erwachsenenbildung, Hochschulen etc.) und Schule allgemein die aktuelle Situation dargestellt. Die AutorInnen diskutieren, inwiefern «Bildung» zum Abbau von sozialer Ungleichheit einerseits beitragen kann und wie der Selektivität des Bildungssystems andererseits begegnet werden könnte. Bildung wird dabei nicht auf Employability [2], also die Aus- und Zurichtung auf den kapitalistischen Arbeitsmarkt reduziert, sondern solle Orientierungswissen erzeugen und so Kritik- und Urteilsfähigkeit stärken. Artikel zu Scham und Klassismus, wie auch zu Bildung und Rassismus bzw. und Geschlecht vertiefen wichtige Aspekte.
Der Widerspruch, dass Bildung zum einen ein Gegenmittel gegen soziale Ungleichheit und Ausschlüsse sein kann, aber ebenso bewiesen ist, dass Bildung soziale Ungleichheit strukturell oftmals verstärkt, wird gestreift, aber nicht wirklich aufgelöst.
Das Buch (Leseprobe und Inhaltsverzeichnis als PDF [3]) ist in einer wissenschaftlichen pädagogisch-soziologischen Sprache geschrieben, sein Gegenstand ist zwar Österreich, seine Inhalte dürften aber auf Deutschland übertragbar sein. Die Leserin findet durch die Lektüre eher wenig über, wie der Titel vermuten lassen könnte, emanzipatorische Bildung bzw. deren Methoden.
Stattdessen wird klar, und es wird auch so ausgesprochen, dass es in diesem Politikfeld nicht (nur) um individuelle Chancengleichheit gehen kann, sondern es um grundlegende Umverteilung gehen muss, und damit für eine viel weiter und grundlegender gedachte Verteilungsgerechtigkeit gestritten werden muss.

Günther Sandner, Boris Ginner (Hrsg.): Emanzipatorische Bildung. Wege aus der sozialen Ungleichheit; mandelbaum Verlag, Wien 2021, 200 Seiten, 18 EUR

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