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Ausgangspunkt dieser Studie ist die interessante – und politisch bedeutsame – Beobachtung, dass es zwar seit Jahren eine enorme Beschäftigung kritischer Wissenschaft und sozialer Bewegungen mit Städten und Urbanisierung gibt, etwas vergleichbares aber für ländliche Räume bei weitem nicht stattfindet. Diesem Umstand will die vorliegende Publikation abhelfen und Debatten kritischer Sozialwissenschaften zum Thema im englischsprachigen Raum nach Deutschland «importieren».
Die drei AutorInnen benennen zuerst die für sie wichtigen Konzepte einer kritischen Landforschung: Politische Ökonomie, politische Ökologie und auf Diskursanalyse und der Kritik von Repräsentation und Zuschreibungen beruhende. Danach fächern sie die Trends auf, die heute ländliche Räume dominieren: Ungleiche Entwicklung, Globalisierung und Ernährungsregimes; Strukturwandel und Industrialisierung der Landwirtschaft; Armut; Wandel der Geschlechterverhältnisse und in vielen, gerade touristisch geprägten Regionen, Gentrifizierung. Machtverhältnisse werden benannt, und auch Populismus als Phänomen vor allem absteigender ländlicher Regionen beschrieben. In einem dritten Schritt werden Selbstorganisation und (neue) soziale Bewegungen, Commons, Munizipalismus und ein «Recht auf Dorf» als alternative Entwicklungsstrategien skizziert.
Das Büchlein ist kompakt und lesenswert; aber es ist, wie die Autor*innen , selbst schreiben, vor allem eine Literaturstudie, die das Ziel hat, internationale kritische Debatten in den deutschsprachigen Raum hinein bekannt zu machen. Trotzdem wirkt es aber etwas befremdlich, wenn die vorhandene deutschsprachige Literatur zum Thema, die es ja durchaus, etwa im intellektuellen Umfeld des Agrarbündnisses, von Werner Bätzing, oder etwas älter, von der damaligen Arbeitsgemeinschaft für Ländliche Entwicklung am Fachbereich Stadtplanung/Landschaftsplanung der Gesamthochschule Kassel (Onno Poppinga, Detlev Ipsen, Ulf Hahne und viele andere) gibt, nicht berücksichtigt wird. Das Literaturverzeichnis des vorliegenden Bandes umfasst über 20 Seiten, enthält aber nur eine handvoll deutschsprachiger Titel. Viele die, wie die Autor*innen dieser Studie, an einer anderen, alternativen, sozial-ökologischen Landpolitik interessiert sind, werden aber wohl kaum englische Fachliteratur lesen. So dürfte diese Studie vor allem im akademischen Raum Resonanz finden. Der Befund, dass ländliche Räume wichtig für emanzipatorische Politik und eine gesellschaftliche Linke sind, wird mit diesem Buch noch aktueller.

Lisa Maschke / Michael Mießner / Matthias Naumann: Kritische Landforschung. Konzeptionelle Zugänge, empirische Problemlagen und politische Perspektiven; transcript Verlag, Bielefeld 2020, 150 S., 19,50 EUR

2019 haben Mießner und Naumann mit Kritische Geographien ländlicher Entwicklung (Münster) einen weiteren Band zum Thema herausgegeben. Rezension hier.

 

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