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In einem etwas weiteren Sinne ist der Umgang mit Rosa Luxemburg einer der auslösenden Momente des Untergangs von DDR und SED 1989/1990. Am 17. Januar 1988 hatten DDR-Oppositionelle unter Nutzung des Luxemburg-Zitats „Freiheit ist immer Freiheit der Andersdenkenden“ gegen repressive Praktiken in der DDR protestiert. Von da an erodierten Partei und Staat immer schneller. Zwar war Luxemburg in der DDR „nie weg“ – aber für die Politik spielten ihre Auffassungen kaum eine Rolle.

Die Besinnung auf ihr Erbe steht daher zu Recht auch am Beginn der Formierung der PDS. Vor den Volkskammerwahlen am 18. März 1990, und nach Parteitagen und anderen Katastrophen, wollte die AG Junge GenossInnen mit dem „Rosa-Luxemburg-Tag“ am 10. März 1990 ein Zeichen für die Erneuerung der Partei und den „Bruch mit dem Stalinismus als System“ setzen. Der ehemalige Sitz des ZK der SED, heute Außenministerium, wurde zu einem öffentlichen Raum von Diskussion und Kultur. Die Zeitschrift der „AG Junge GenossInnen“ widmete diesem Tag einen eigenen Abschnitt in der Ausgabe 7.

Organisiert wurde das alles vor allem von Leuten in der Alterspanne von knapp 20 bis Mitte 30, die dabei z.T. auch ihre Erfahrungen aus den Festivals des Politischen Liedes mit einbrachten – was man der Gestaltung und der inhaltlichen Ausrichtung der Veranstaltung durchaus anmerkte.

Diskutiert wurde über die Zukunft der Parteizeitung „Neues Deutschland“, über die Schicksale von Opfern des Stalinismus, Homosexualität und Politik, Rosa Luxemburg und demokratischen Sozialismus, Leben auf Kosten der 3. Welt, Geschichte der Komintern, Geschlechtergerechtigkeit und Familie oder das Verhältnis zum Rechtsstaat. (hier das Programmheft) Nicht selbstverständlich war der große Zulauf, vor allem auch jüngerer Menschen.

Im Bericht des ND heißt es:

„Im Großen Saal debattierte man zunächst unter dem Motto „Denkt doch mal an unsere Kinder” Fragen der Bildungsreform. Die sozialen Errungenschaften der DDR dürften nicht über Bord geworfen werden, nur weil ein BRD-Kanzler dies wolle, betonte Gregor Gysi. Er trat für eine Bildung unabhängig vom Geldbeutel der Eltern ein… Mit sowjetischen Genossen wurde über die Geschichte der Komintern gesprochen. Prof. Dr. Annelies Laschitza vom Institut für Geschichte der Arbeiterbewegung zog junge Leute mit Ausführungen darüber, was Rosa Luxemburg uns heute für einen demokratischen Sozialismus zu sagen hat, in Bann. Nimmt man nur das Engagement dieser großen Denkerin für außerparlamentarische Initiativen zum Erreichen und zur Sicherung von Demokratie… Am späten Abend, als der Große Saal knüppeldicke voll war, setzte sich ein Mann ans Klavier, heiß erwartet von seinen Fans: Rio Reiser, Rocksänger aus der BRD. In seinem Gruß, den er uns sang: „Der Traum ist aus, aber ich werde alles geben, daß er Wirklichkeit wird”, bündelte sich vieles an Hoffnungen. Und die Sympathie und Begeisterung, die ihm das Publikum entgegenbrachte, galt nicht bloß dem Star Rio Reiser, der auf dieser PDS- Fete nur für den Preis seines Hotelbettes spielte. Mitgebracht hatte er seine Leidenschaft — und eine DDR-Fahne.“

Die Aktion markierte ein neues Verständnis des Öffentlichen für die Partei und steht damit auch für ein neues Verständnis politischer Bildung. Schon seit November 1989 arbeitete das Konsultations- und Informationszentrum als Schnittstelle zur Öffentlichkeit. Aus den Trümmern von Parteihochschule und Akademie für Gesellschaftswissenschaften entstanden dann im Laufe der ersten Monate des Jahres 1990 das podium progressiv als Organ der Kommission für Politische Bildung des Parteivorstandes der PDS, das wiederum einer der Vorläufer der heutigen Rosa-Luxemburg-Stiftung ist.

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