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Linux bei Karl Marx

P1050484 [1]Das größte Linux-Event 2015 in diesem Land (so Heise.de [2]): die Chemnitzer Linux-Tage. Ist ja quasi um die Ecke! Also nix wie hin und so all den Projekte, die mir sonst nur als mehr oder minder flüchtige Webseiten vor den Augen vorbei flimmern, in Gestalt ihrer Macher- und AktivistInnen begegnen. Meine Auswahl aus dem vollgepackten Programm [3] mag beliebig wirken bzw. einen roten Faden vermissen lassen. Aber keine der Veranstaltungen hat mich enttäuscht oder gelangweilt, und die Zusammenhänge ergaben sich oft in den Flurgesprächen bzw. zwischen den Ständen, an denen Debian, Ubuntu und Co. ihre Alternativen zum Internet der Großkonzerne und der Massenüberwachung präsentierten.

Los gings für mich am Samstag morgen im Einsteigerforum mit einem Vortrag zur Frage UNIX nur ein Spiel? Die bewusst einfachen Konzepte von UNIX [4] und anschließend der praktischen Ergänzung dessen durch Machtvolle Befehle – die Welt der Linux-Kommandozeile [5]. Dann reichte es nur zur Diskussion um GitLab als alternative Entwicklungsplattform zu Github.com [6], da sich die beiden Veranstaltungen teilweise zeitlich überschnitten. Nach dem Mittagessen ließ ich mir zusammen mit einem Hörsaal voll weiterer Interessenten erklären, Wie man von Windows auf Kubuntu wechselt [7]. Parallel dazu diskutierte die Community Geldfragen, denn Linux und Co. ist zwar Frei. [aber] Nicht umsonst! – Open Source in der Wirtschaft [8]. Auch die RLS hat Schwierigkeiten bei der Unterstützung von (F)OSS-Projekten, denn spenden darf sie nicht und die Projekte können oft gar nicht so einfach Rechnungen schreiben, die den Kriterien einer durch bundesdeutsche Ministerien geprüften Verwaltung genügen. So verhindert der Amtschimmel die finanzielle Förderung von (Software-)Alternativen im Kapitalismus und über ihn hinaus. Mit derartigem Erfahrungsaustausch ging der Nachmittag dann über in die Linux-Nacht [9].

Am nächsten Morgen wollte ich dann mal Zugang zu einer Diskussion finden, die seit Monaten die Linux-Community bewegt, deren Bedeutung mir aber bisher nicht wirklich klar war: Big vs. Simple: Die Schlacht um den init-Daemon [10]. Irgendwie gehts (mal wieder) um die Weltherrschaft. So viel verstehe ich jetzt. Immerhin. Dann hatte ich das seltene Glück, in die Vorstellung eines großartigen Performers zu stolpern. Ohne vorgefertigte feste Folien und ohne doppelten Boden, dafür mit dem Herzen auf der Zunge, ging es um Docker: Containervirtualisierung in hip [11]. Es wurde Zeit, mich wieder etwas auf den Boden der auch für meine eigene Praxis relevanten Tatsachen zurückzubekommen. Das gelang dem Vortrag eines der Macher hinter mailbox.org [12], neben posteo.de [13] einem weiteren kleineren, dafür aber umso sicherheits- und datensouveränitäts-sensibleren Email-Provider, mit der Stoßrichtung Kampf dem Passwort. Die Authentifizierug der Zukunft [14]. Mindestens ebenso praxisrelevant war dann auch die letzte Vorlesung mit Workshopcharakter: Es ging um gnuplot – Ein Bild sagt mehr als 1000 Zahlen … [15]: Ein leistungsfähiges Visualisierungswerkzeug für die Kommandozeile, mit dem es sich antreten lässt gegen die scheibar überwältigenden Wellen von Big Data, ob es sich nun um Sensordaten aus der Bienenwaage handelt oder um Sozialstrukturdaten rund um die Auswertung von Wahlkämpfen.

gnuplot ist Freie Software, die Fragen, die ich über die Visualisierung mit einem solchen Werkzeug an meine Big Data-Bestände richte, bleiben also genau so vertraulich wie ich das entscheide, und die Daten bleiben mein, da die Auswertung nicht auf den Servern oder in den Services irgendwelcher Konzerne abläuft. Die in der Software ausbuchstabierten Algorithmen sind die zentralen Produktionsmittel des informationellen Kapitalismus. Dass es letzterem nicht gelingt, sich komplett abzusperren gegen Anomalien und Aneignungspraxen, wie ich sie in Freier und Offener Software (FOSS – Free and Open Source Software) erkenne, halte ich für einen der wenigen gegenwärtigen gesellschaftlichen Hoffnungsschimmer (getarnt im Gewand der Technik). Auf Veranstaltungen wie diesen Linuxtagen, in den vielen kurzen Begegnungen im Ausstellungsbereich [16] tritt mir diese Technik tatsächlich als soziale Bewegung gegenüber.

 

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