Es sieht nicht gut aus mit der kapitalistischen Wirtschaftsweise: aufgeblähte Finanzmärkte sind weiterhin außer Rand und Band, Volkswirtschaften stürzen gleich reihenweise ab und verantwortliche PolitikerInnen basteln an immer gigantischeren Fonds zur Rettung der Banken und Eliten, deren Schulden sie den einfachen BürgerInnen aufbürden. Doch die Krise habe auch andere Auswirkungen, denn »es gibt wieder eine Bewegung hin zu einer solidarischen, menschengerechten und zukunftsfähigen Ökonomie«, behaupten zumindest die AutorInnen von »Wirtschaft zum Glück«, einer aktuellen Sammlung von Reportagen und Berichten aus verschiedenen Regionen und Ländern Europas – einige auch aus Indien, China und Nicaragua: Beispiele von alternativ-ökonomischen Unternehmen und Zusammenschlüssen von Kooperativen zeigen auf, wie eine andere Wirtschaft möglich ist.
Beispielsweise sind da die Frauen des indischen Kooperativenverbands Sewa, die ihre eigene Akademie aufgebaut haben. Außerdem wird die italienische Provinz Reggio Emilia vorgestellt, in der von Genossenschaften ein Drittel der regionalen Wertschöpfung erwirtschaftet wird. Im österreichischen Waldviertel trotzt eine Schuhfabrik mit neuen Ideen der Deindustrialisierung. Im Umland von Genf arbeiten immer mehr BäuerInnen und GemüsegärtnerInnen direkt mit den KonsumentInnen zusammen und verändern so die Lebensmittelversorgung der westschweizerischen Region. In China erprobt ein Dorf den solidarischen Tourismus – gegen alle Behinderungen von oben.
Es sind interessante Beispiele aus unterschiedlichen Branchen mit dem gemeinsamen Nenner, dass hier nicht für den Profit eines möglicherweise anonymen Eigentümers geschuftet wird, sondern dass der Mensch wieder im Mittelpunkt des Wirtschaftens steht. Wer im vorliegenden Buch programmatische Grundsätze oder wirtschaftspolitische Leitlinien zum »solidarischen Arbeiten« erwartet, wird jedoch (weitgehend) enttäuscht sein. Da muss dann der skizzenhafte Blick in das frühere Programm der Sozialdemokratischen Partei der Schweiz genügen, die 1982 noch sehr deutlich formulierte: »Selbstverwaltung ist ein grundlegendes Prinzip, mit dem wir Demokratie erweitern und vertiefen wollen.« Der Autor Pit Wuhrer stellt dazu nüchtern fest, dass diese Sätze kaum praktische Auswirkungen hatten in den Folgejahren, und dennoch ist er in seiner Einleitung des Buches optimistisch: Seit kurzem manifestiere sich in vielen Ländern die Erkenntnis, dass »gesellschaftlicher Wandel nur von unten kommen kann.« Außerdem trage das Ende der fordistischen Massenfertigung in Großbetrieben dazu bei, dass es »schon lange keine so guten Voraussetzungen für die solidarische Ökonomie« gegeben habe wie heute. Die im Buch gesammelten Beispiele sollen sowohl Ermunterung zum Nachahmen als auch Material zur kritischen Auseinandersetzung mit dem bisher Erreichten sein. Durch die bunte Mischung werden zwar all diejenigen enttäuscht, die nach einem Rezeptbuch suchen, doch für CONTRASTE-LeserInnen dürfte die Erkenntnis des Autors nicht unbekannt sein, dass »man schon selber etwas tun muss«. Zur Unterstützung des Wandels wären weitere Bücher dieser Art sicher hilfreich.
Peter Streiff
Bettina Dyttrich, Pit Wuhrer (Hrsg.): Wirtschaft zum Glück – Solidarisch arbeiten heute, weltweit. Rotpunktverlag in Zusammenarbeit mit der Wochenzeitung WOZ, Zürich 2012, 272 Seiten, 22,00 €.
Der Text erschien zuerst in CONTRASTE, der bundesweiten Zeitung für Selbstorganisation (Ausgabe 346/7, Juli/August 2013). Wir danken dem Autor für die Erlaubnis zur Veröffentlichung auf mehring1.
RT @ifg_rls: Wirtschaft zum Glück (Rezension): Es sieht nicht gut aus mit der kapitalistischen Wirtschaftsweise: aufgeb… t.co/kHRk…
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