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Trau keinem über 30!“ so lautete eine der immer wieder zitierten Parolen der sog. „1968er“. Heute sind die damals in den langen 1960er Jahren Aktiven und Engagierten mehr als doppelt so alt und steuern auf das Alter zu, oder sind schon mittendrin. Die 1943 geborene Brümmerloh legt mit dieser Veröffentlichung ihre Dissertation an der Universität Hildesheim in Buchform vor. Das Buch hält nicht das, was es auf dem Umschlag verspricht, hat aber trotzdem einiges zu bieten.

Nach einigen Überlegungen zum Generationenbegriff stellt die Autorin im ersten Kapitel „die 68er“ vor. Dieses Kapitel können alle, die darüber einigermaßen Bescheid wissen, getrost überblättern, denn sie werden nichts Neues erfahren.

Danach folgt ein kurzer Abschnitt zum Thema „Alter“, dessen Definition und Konstruktion. Die einschlägige Forschung unterscheidet biologisches sprich körperliches, psychisches, sprich das selbst empfundene Alter und schließlich das soziale Alter, das jemand gesellschaftlich zugeschrieben wird. Dass Alter kein objektives Kriterium ist, dürfte einleuchtend sein, ein 34-jähriger Mann ist als Fußballspieler alt und als Politiker sehr jung. Dieser Teil, der auch Passagen zum „beruflichen Alter“ und, damit zusammenhängend zur „Auflösung kollektiver Lebenszeitregimes“ enthält, ist spannend zu lesen. So würden z.B. den jungen Alten (ca. 50 bis 60 Jahre alt) enorme mentale und ökonomische Potentiale zugeschrieben , während auf die „alten Alten“ jenes Defizitmodell (Gebrechlichkeit etc.) angewendet werde, das noch vor 20 oder 25 Jahren allen Alten zugeschrieben worden sei.

Im zweiten, dem Hauptteil des Buches werden dann vier Personen der Geburtsjahrgänge 1943 bis 1949 und ihre Biographien vorgestellt. Brümmerloh hat zwar insgesamt für ihre Forschung 12 Personen befragt, in ihr Buch aber nur die Ergebnisse von vier der ausführlichen Interviews aufgenommen. Es ist augenscheinlich, dass so eine schmale Basis für generalisierende Aussagen nicht ausreichend ist. Die vier Personen (drei Männer, eine Frau) werden zuerst nacheinander ausführlich in einer sog. „Fallrekonstruktion“ vorgestellt, die auch längere Originalzitate aus den Interviews enthält. Danach wird dann jeweils die „biografische Gesamtformung“ der Person untersucht, was im Buch zu gravierenden Wiederholungen führt.

Danach kontrastiert die Autorin die vier Biographien anhand des Bildungshintergrundes der Eltern, anhand des Geburtsortes, der Schulbildung, politischer Aktivität und etlicher anderer Faktoren. Als Ergebnis ermittelt sie zwei Gruppen. Die eine Gruppe hat einen relativ linearen Erwerbsverlauf, lebt derzeit in einer Partnerschaft und ist heute gut abgesichert und im Ehrenamt aktiv. Die andere lebt alleine, ist nicht ganz so gut abgesichert, unter anderem weil der Erwerbsverlauf unterbrochen wurde oder Berufswechsel stattfanden und lehnt ein Engagement über den Beruf hinaus ab. Teilweise werden hier bestimmte Umstände das dritte Mal aufgeführt.

Für alle vier Befragten sind die eigenen Eltern keine Vorbilder, damals nicht und heute, etwa wenn es ums Altern geht, erst recht nicht. Die Befragten wollen (derzeit) keine, mit einem schlechten Image verbundene gesellschaftliche Sonderstellung einnehmen, sie fühlen sich zwar alt bzw. sind am Ende ihres aktiven Berufslebens angelangt, sind aber noch relativ gesund. Das „Alter“ und erst Recht Pflegebedürftigkeit sind für sie allerdings kein Thema, dafür sind sie, so die Vermutung von Brümmerloh, vielleicht auch noch zu jung.

Es ist mehr als verwirrend, wenn nicht sogar ärgerlich, wenn die Autorin verallgemeinernd von „den 68ern“ schreibt, wenn sie die aus einer schmalen Datenbasis resultierenden Ergebnisse ihrer Befragung referiert oder interpretiert. Interessant sind für diejenigen, die sich damit noch gar nie beschäftigt haben, die Passagen über die Generationen und über „das Altern“. Wer Biographien mag, wird an den in diesem Buch vorgestellten seine Freude haben. Ein Buch über „die 68er“ und ihr Verhältnis zum Alter ist „…when I´m sixty for“ allerdings nicht. Leider. Denn ein spannendes und relevantes Thema wäre das.

Hannelore Brümmerloh: …when I´m sixty for. Die 68er in der Lebensphase Alter; Tectum Verlag, Marburg 2012, 237 S., 24,90 EUR, ISBN 978-38 2882 9572

Manuskript einer Rezension, die zuerst in FORUM Wissenschaft, Heft 2/2013 erschienen ist.

One Response to “Die 68er in der Lebensphase Alter (Rezension)”

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