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Euro, Euro, Eurokrise …

Die Teilnehmer an der dritten Stufe der Wirtschafts- und Währungsunion „bilden eine Solidargemeinschaft in dem Sinne, dass die Stabilität der europäischen Währung durch strikte Haushaltsdisziplin in allen Teilnehmerländern zuverlässig und auf Dauer gesichert ist.“ So hieß es 1995 im erfolgreichen Vorschlag des damaligen deutschen Finanzministers „zu einem Stabilitätspakt für Europa“. Die Teilnehmer verpflichteten sich zu „folgenden gemeinsamen Eckpunkten ihrer Finanzpolitik:

– Nachhaltige Unterstützung der Geldpolitik der Europäischen Zentralbank durch Ausgabendisziplin und Stetigkeit des Staatssektors;

– Schonung der Finanzmärkte durch die öffentliche Hand zur Förderung der Investitionen in den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft;

– Begrenzung der Staatsquote, der Defizite und der Steuer- und Abgabenlast im Rahmen der nationalen Interessen und der jeweiligen Ausgangslage, um Handlungsspielräume für Staat und Private zu gewinnen

und Wachstum und Stabilität zu verbessern;

– Vorrang bei den Staatsausgaben für wirtschaftsnahe öffentliche Investitionen und die Förderung privater Investitionen, um die Infrastruktur und den Standort Europa nachhaltig auszubauen.“

Damit ist geklärt, dass der Stabilitäts- und Wachstumspakt die vorrangige Aufgabe hat, eine Abkehr von neoliberal geprägter Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik zu verhindern. Der dies verschleiernde Ausdruck ist „Rückfall in den haushaltspolitischen Schlendrian“ (Waigel). Theo Waigel wollte schon damals härtere Sanktionen und „eine stärkere Automatik“. Das aber wollten Frankreichs Regierende nicht.

Der „Stabilitäts- und Wachstumspakt“ reduzierte ein Stück Niederlage von Helmut Kohl, der 1992 in seiner Regierungserklärung zum Maastrichter Vertrag sagte: „Jeder in Europa muss sich darüber im Klaren sein: Alles, was wir bisher wirtschaftlich erreicht haben, können wir auf Dauer nur bewahren, wenn wir es auch politisch absichern: Eine Wirtschaftsunion ist nur lebensfähig, wenn sie sich auf eine Politische Union stützen kann!“.

Die in den 90iger Jahren von der PDS und anderen Linken artikulierten Forderungen, die Wirtschafts- und Währungsunion über zusätzliche Pakte um eine verbindlich geregelte soziale/beschäftigungspolitische und ökologische Dimension zu ergänzen, wurden kaum gehört. Sie sollten erklären helfen, dass die „Solidarunion“ Solidarität verhindert bzw. dass Solidarität neoliberal umgedeutet wurde. Die PDS und andere wollten die Sozial-/Beschäftigungs- und Umweltunion nicht auf die Euroländer beschränken.

Allerdings haben auch sie die Diskussion zur „Finalität“ der EU nur inkonsequent geführt. Diese Frage steht heute dringlicher denn je. Die Linken in Deutschland sollten also dazu intensiv arbeiten und zugleich immer wieder an die Geschichte der Wirtschafts- und Währungsunion erinnern: Die WWU sollte den Wechselkurschwankungen in der Gemeinschaft entgegenwirken und war mit der D-Mark als Stabilitätsanker verknüpft. Das begründete wesentlich, dass die WWU-Konstruktion auf „deutsche Interessen“ zurückgeht. Theo Waigel ist da ganz offen:  „Die Wirtschafts- und Währungsunion war mit deutscher Handschrift geschrieben und die Statuten der Europäischen Zentralbank entsprachen  den Vorschriften der Deutschen Bundesbank.“ Und inmitten turbulenter Eurokrise sagt Finanzminister a. D.: „Auch ich erinnere mich gerne an die D-Mark. Sie hat uns jahrzehntelang Stabilität und Wohlstand garantiert. Aber Helmut Kohl und ich haben die D-Mark doch nicht aus Jux und Dollerei aufgegeben! Die Entscheidung für den Euro als Gemeinschaftswährung war und bleibt richtig für uns als ein Land, das mehr als die Hälfte seiner Güter nach Europa ausführt. Die ständigen Währungsschwankungen waren für die exportabhängige deutsche Wirtschaft eine starke Belastung und hatten Arbeitsplätze gekostet. Ohne den Euro hätten wir heute ein Wachstum wie die Schweiz von ein bis zwei Prozent statt drei bis vier Prozent.“

Der hohe D-Mark-Kurs hatte die deutsche Exportindustrie belastet. Sie erlangte Preisvorteile dank Euro und ist an der politischen Absicherung ihrer Vorteile interessiert. Insbesondere ihre mächtigsten Akteure haben in Waigel einen Fürsprecher, der zur Eurokrise sagt: „Das ist keine Krise des Stabilitätspaktes, sondern zuallererst eine Krise der Institutionen, die seine Überwachung hätten sicherstellen sollen. … natürlich hätten die EU-Kommission und andere Institutionen Griechenlands Haushaltszahlen viel früher hinterfragen müssen.“ In einem anderem Interview sagte er zum jüngsten Gipfel: „Was jetzt in Brüssel beschlossen worden ist, ist … nicht mehr als die Festigung des Stabilitätsregelwerkes.“

Nach diesem Regelwerk kann – siehe die obigen WSP-Kriterien – ein Staat (als „so gut wie) bankrott“ gelten, obwohl die stofflichen Voraussetzungen für funktionierenden wirtschaftlichen Alltag vorhanden sind.

Wie das „Stabilitätsnetzwerk gefestigt“ wurde, sollte auch uns auch interessieren. Nicht deshalb, weil Theo Weigel meint: „Deutschland hat zum ersten Mal seit Jahrhunderten die Chance, eine produktive Rolle in Europa zu spielen und Europa entscheidend voran zu bringen.“

Nein, es geht hier um das Verständnis dafür, wie die EU hierarchischer und deutscher wird, weil die Regierenden gegen die Krisenfolgen mit neoliberalen Mitteln vorgehen. Dabei gewinnen die Stärkeren an Einfluss, die diesen dann repressiv gebrauchen und sichern wollen. Dies begann und lief trotz Rederei von europäischer Wirtschaftsregierung in der „Mannschaft Merkel“ zunächst sehr schleppen. Man wollte den Gebeutelten lieber drohen und disziplinieren als helfen. Allerdings verlangte selbst der schnöde Eigennutz, den Maastricht- und Stabilitätskriterien-„Sündern“ bzw. den gescheiterten „nationalen Institutionen“ Hilfen zu gewähren – allerdings zu neoliberal begründeten Bedingungen. Das zog sich bis zum Sommer 2011 hin, in dem die Rettungsschirme immer weiter aufgestockt und aufgespannt werden mussten. Seit August geht man in medial inszenierter Vertrautheit mit Sarkozy immer offensiver vor: Eurozonen-Tagungen, Verbindlichkeitsforderungen, nationale Schuldenbremsen, parlamentarische Selbstverpflichtungen, Vorschläge zu neuen EuGH-Verpflichtungen, „politische-Union-Beschwörungen“, Vertragsveränderungs-Forderungen, Tempo-machen, EFSF-Hebel-Ergänzungen, Referendum-weg-erpressen, Euro-Plus-Pakte …

„Längst funktioniert der deutsche Regierungsapparat wie eine heimliche EU-Präsidentschaft.“ (Andreas Rinke, 20.12.2011, DGAP)

Die Linken in Deutschland setzen sich dennoch nicht notwendig offensiv-internationalistisch mit der Regierung Merkel auseinander. Es wird auch an ihnen liegen, ob bei der Joint European Conference von Gewerkschaften und sozialen Bewegungen Ende März Positionen vorliegen, die erklären: „Es gibt Alternativen zum Umgang mit der Eurokrise, die zugleich die Ursachen für die Finanzkrise angreifen. Es ist möglich, die Prinzipien und Institutionen der WWU grundsätzlich zu reformieren und zugleich nachhaltig gegen soziale und ökologische Zerstörung vorzugehen. Allerdings gibt es keine einfachen Lösungen und weder MAN noch DER STAAT werden das Notwendige und Mögliche tun. Es gilt daher, eine linke Initiative zu entwickeln, die dem Motto „Reclaim the Budget, Stop and Roll Back Privatisation“ folgt.

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