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“Eurokrisen-Workshop” folgt Projekt

[1]Wenn in den Stellungnahmen linker Parteien, auch und insbesondere seitens der Europäischen Linkspartei [2] bzw. der Vorsitzenden ihrer Mitgliedsparteien [3], zum jüngsten EU-Gipfel noch immer von den so verheerenden Finanzmärkten die Rede ist, zeugt das von großem Klärungsbedarf. Schließlich sind es nicht „Märkte“, sondern konkrete Akteure, die für Bevölkerungsmehrheiten verheerend agieren.

Der internationale Workshop „Krise, Krisen, Eurokrise“ am 16. und 17.12. (und informell am 18.12.) konnte zumindest punktuell helfen, mehr Klarheit zu schaffen. Er hat sich als geeigneter Ort zur Weitergabe von Informationen und Einsichten, für lebhafte wissenschaftliche Debatte und zur Verabredung weiterer Kooperation (insbesondere am 18.12.) erwiesen. Dafür zu danken ist insbesondere Lutz Brangsch und Michael Brie (IfG), Miren Etxezarreta und Miguel Otero-Iglesias (Spanien), Trevor Evans (EuroMemorandum),  John Grahl und Bob Jessop (UK), Andreas Heil (Keynes Gesellschaft), Mathis Heinrich (RLS-Stipendiat), Stephan Lindner (Attac), Magnus Ryner (Schweden), Mariana Santos (Portugal), Leo Seserko (Slowenien), Catherine Sifakis (Frankreich), Paul Sweeney (Irland), Theofanis Tasis und Leonidas Vatikiotis (Griechenland),  Peter Wahl (WEED), Frieder Otto Wolf (Berlin), Gabi Zimmer (MdEP) und Mislav Zitko (Kroatien). Sie haben geholfen, mindestens zwei „linke“ Defizite zu reduzieren. Diese Defizite können wie folgt umrissen werden:  die Konstruktion der Wirtschafts- und Währungsunion wurde bzw. wird nicht notwendig radikal kritisiert. Die Linken entwickeln ihre Politik nach wie vor fixiert auf Reaktion statt auf Aktion, auf das jeweils nationale parlamentarische System statt auf die Veränderung von Hegemonie in ihren Ländern und in der EU. In der EU und ihren Mitgliedsländern gibt es keine linke Kultur der permanenten gemeinsamen Suche nach politischen Handlungsmöglichkeiten und den Wegen ihrer Nutzung.

Im Zentrum des Workshops standen daher drei Fragen: a) die Kritik der Wirtschafts- und Währungsunion als die EU-Entwicklung prägenden Schritt bzw. prägende Säule, b) die Kritik der neuen Unionsmethode und damit der ungleichmächtigen Beziehungen unter ihren Mitgliedsländern, zwischen ihnen und der Europäischen Union, c) die Zukunft der EU – insbesondere im Kontext mit der „Eurokrisen-Bekämpfung“.

In der Diskussion gelang es zugleich, mehr Klarheit zu folgenden vier Problemen zu schaffen: zur ökonomischen und politikökonomischen Bedeutung verfehlter Maastricht-Kriterien und des “Staatsbankrottes”; zu den Folgen der “Eurokrise” für die weitere europäische Integration; zu Kriterien realitätstauglicher Alternativen zur regierenden “EuroKrisen-Bearbeitung”, auch unter Berücksichtigung des bestehenden EU-Rechts; zu gegenwärtig möglichen politischen Schritten, um gerechte Problemlösungen einzuleiten und dabei zugleich gesellschaftspolitische Kräfteverhältnisse zu verändern.

Für den Erfolg des Workshops sorgten die umfangreiche Kommunikation im Vorfeld, die rechtzeitige Vorlage fundierter Texte, gut vorbereitete Redebeiträge, lebhafte Diskussion, gute Laune und Humor. Die Kommunikation im Workshop-Vorfeld betraf nicht erst zuletzt vier weitere Fragen: Wie verhielten sich die Linken in „Deinem Wohnland“ zu den EU-Vertrags-Verhandlungen (Maastrichter Vertrag), inwiefern werden seine Grundaussagen bzw. die betreffenden Festlegungen im Lissabonner Vertrag gegenwärtig diskutiert? Was sind die einschneidenden Veränderungen in der EU-Entwicklung und in der Entwicklung „Deines Wohnlandes“ seit a) Annahme des Maastrichter Vertrages und b) seit Ausbruch der Finanz- und Wirtschaftskrise 2007? Wie haben die Linken diese Probleme und diese Entwicklung reflektiert? Was sind Deiner Meinung nach tragfähige linke Alternativen zum Umgang mit der Eurokrise und zur Entwicklung der EU? Wo siehst Du Anknüpfungspunkte für tragfähige Lösungen in der aktuellen Diskussion und in den Vorschlägen der Linken?

Das wichtigste Ergebnis des Workshops ist, dass man sich zur Arbeit an einem für alle interessierten emanzipativ-Linken bzw. demokratischen SozialistInnen offenen Projekt vereinbart hat. Es stellt „Schulden“ und Teilhabe an den Bedingungen für ein selbstbestimmtes Leben in Würde, in solidarischem Miteinander und vernünftigem Umgang mit der Natur diametral gegenüber. Es knüpft an zwei bereits seit Jahren laufende Diskurse „Ecological Debt“ bzw. „Debt of the Global North related to the Global South“ und an „verschuldete öffentliche Haushalte und Privatisierung“ an. Durch die gegenwärtige globale Finanzkrise, insbesondere durch die Verschuldungskrise im Euro-Raum bzw. die „Eurokrise“, durch die fortschreitende Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlagen und andererseits durch die weltweit agierenden Bewegungen gegen soziale und ökologische Zerstörung, zur Aneignung des Öffentlichen – wie z. B. Free Public Transports – haben diese Diskurse neue Dimensionen und Ergänzungen erfahren. „Schuldenaudit“, Referenden gegen Privatisierung bzw. für Rekommunalisierung, Europäische BürgerInneninitiative zur Wasserversorgung in öffentlichen Händen, Partizipation an politischen Entscheidungen sind nur wenige Stichworte für zivilgesellschaftliche Aktivitäten. Da sind Wissenschaftler/innen gefordert, zu analysieren, wie sich Akteure und Akteurskonstellationen, Ressourcenbewegungen, gesellschaftliche Verhältnisse, natürliche Lebensbedingungen im Zusammenhang mit „Verschuldung“ verändern; was das für “Wachstum” und vor allem für die Linken bedeutet, wo und wie diese hier und heute ansetzen können und sollten, um Hegemonie zu verändern, die Hauptverantwortlichen an sozialer und ökologischer Zerstörung nachhaltig zu bekämpfen.

Gegenwärtig wird inteniv daran gearbeitet, das offene Projekt zu konzipieren. Es soll insbesondere an zwei bisherige anknüpfen: an das Buchprojekt “Den Krisen entkommen. Sozialökologische Transformation” und an das laufende “Lasst uns über Alternativen reden”. So soll es insbesondere die Beteiligten am “Söderbaum-Workshop” (RLF Intro [4]; fow Ecological Economics and the Critical Theory of Modern Society 10 2011 [5]; RLF – 2011 28102011 [6]) und am Workshop “For Free Public Transports” zur weiteren Kooperation einladen.

 

 

 

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1 Kommentar Empfänger "“Eurokrisen-Workshop” folgt Projekt"

#1 Pingback von Vorbereitung auf Dezember | Mehring1 am Juli 17, 2015 00000007 11:03 am 143713101911Fr, 17 Jul 2015 11:03:39 +0000

[…] der RLS, das genutzt wurde, um die Krisenanalyse des IfG zu qualifizieren. Sein Titel „Krise, Krise, EuroKrise“ orientierte auf die Frage, wie sich seit Ausbruch der globalen Finanzkrise die […]