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Entwicklungspolitik als Dauerbrenner (?)

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„Nach unseren Berechnungen sind 2012 weitere drei Milliarden Euro notwendig, um die internationalen Vereinbarungen zur Klima- und Entwicklungsfinanzierung einzuhalten.“

Dies erklärte VENRO, der Verband Entwicklungspolitik Deutscher Nichtregierungsorganisationen e.V.,  in seiner Stellungnahme zum Bundeshaushalt 2012 [2]. Europas Exportmeister liegt im Vergleich zu anderen europäischen Ländern in Sachen  Klima- und Entwicklungsfinanzierung auf Platz 13. Besserung ist nicht geplant:

Nach dem Entwurf der mittelfristigen Finanzplanung wird der BMZ[1] [3]-Etat ab 2013 dramatisch sinken: Er soll 2013 um 580,66 Millionen Euro (9,2 Prozent) unter dem Ansatz für 2012 liegen. Der negative Trend setzt sich 2014 und 2015 fort. Im Jahr der Erreichung der Millenniums-Entwicklungsziele, im Jahr 2015, soll der BMZ-Etat um 482,34 Millionen Euro (7,6 Prozent) unter dem Ansatz für 2012 liegen.“ (S. 2).

VENRO zeigt, was Deutschland leisten muss und leisten kann, um seine internationalen Verpflichtungen zu erfüllen:

  • Bereits bei der Verabschiedung des Haushalts sollten für den ‚Globalen Fonds zur Bekämpfung von AIDS, Tuberkulose und Malaria (GFATM)‘ (Titel 896 07) mindestens die versprochenen 200 Millionen Euro eingestellt werden …
  • Um eine Engagementförderung zu erreichen sollte der hierfür zentral verantwortliche Titel ‚Förderung der entwicklungspolitischen Bildung‘ (Titel 684 71) verdoppelt werden …
  • Die Einnahmen im Sondervermögen ‚Energie- und Klimafonds‘ sollten zu einem Drittel für die internationale Klimafinanzierung bereitgestellt werden …
  • Die Mittel für den ‚Internationalen Klima- und Umweltschutz‘ (Titel 687 01- 332) im Sondervermögen ‚Energie und Klimafonds‘ müssen zusätzlich bereitgestellt werden.“ (S. 2-3)

Darüber hinaus fordert VENRO mehr Mittel für Frieden, Stabilität und Menschenrechte und für eine Stärkung des deutschen multilateralen Engagements im Rahmen der UN-Aktivitäten zur Regulierung der Bevölkerungsentwicklung. Dass 2010 die Zielgrößte Gender im BMZ-Haushalt einfach gestrichen wurde, nimmt der Verband nicht hin. Ferner verlangt er den Ausbau der NGO-Förderung zur Engagementförderung.

Allerdings bleibt es bei diesen richtigen Forderungen, denn es gibt nur den Adressaten Deutscher Bundestag. Warum aber soll dieser in seiner Zusammensetzung auch 1,0% des BIP für die Entwicklungs- und Klimafinanzierung anstreben?

Dass kluge Forderungen ohne die Aktivierung und Mobilisierung von Akteuren außerhalb des Deutschen Bundestages wenig Aussicht auf Realisierung haben, bedarf sicher keiner großartigen Erklärung. Allerdings verzichtet VENRO in seiner Stellungnahme darauf, diese Einsicht zu artikulieren.

Dieser Tage hat nun WEED, die NGO für Weltwirtschaft und wirtschaftliche Entwicklung die Zusammenfassung „Wie Niebel die deutsche Hilfe umkrempelt“ veröffentlicht.

Dort wird gezeigt, dass die Bundesregierung mit ihrer angestrebten Verlagerung von der multilateralen zur bilateralen Entwicklungszusammenarbeit (EZ), Budgethilfe tendenziell reduziert und die Projektkooperation mit deutschen Unternehmen forciert. So wächst die Zahl bilateraler Projekte, was multilateraler Kooperation und Solidarisierung abträglich ist. Die Bundesregierung will

eine bessere Arbeitsteilung der Geber in den Empfängerländern … Jedes EU-Mitglied soll sich in seiner EZ in einem Land auf maximal drei Sektoren konzentrieren. Zugleich soll die Zahl der Kooperationsländer reduziert werden.“

So wächst die Gefahr, dass man sich aus einzelnen bisherigen Partnerländern verabschiedet und damit EZ-Mittel für die dortige Umsetzung der MDG schwinden, denn eine kompensierende Steigerung der ODA kann kaum erwartet werden. Sie soll ja weiter sinken trotz gegenteiliger internationaler Versprechen.

Der Anteil der bilateralen ODA Deutschlands, die an die Lieferung bestimmter Güter und Dienstleistungen gebunden ist, lag 2009 bei 27%, und damit wesentlich über dem Durchschnitt aller westlichen Geber. Von den bilateralen TZ-Mitteln Deutschlands (‚Technische Hilfe‘) waren sogar 51% liefergebunden – mehr als in jedem anderen OECD-Geberland. Durch die verstärkte Kooperation des BMZ mit der Privatwirtschaft kann sich dieses Problem verschärfen. Denn in den Fällen, in denen EZ-Mittel gezielt nur an deutsche oder europäische Unternehmen vergeben werden, beispielsweise im Rahmen von PPP-Vorhaben, besteht faktisch Lieferbindung.“

Ergo: Entwicklungspolitik als Wirtschaftsförderung deutscher Unternehmen, insbesondere deutscher Konzerne. Das erklärt dann auch den Trend, Verantwortung für die Folgen dieser Politik auf die Regierungen der Partnerländer zu delegieren.

Wirtschaftsförderung für Konzerne, instabile Finanzmärkte, „Kapitalflucht“ in Steueroasen, zunehmende globale Ernährungsunsicherheit und globale Erderwärmung gehören zusammen. Die offizielle Entwicklungspolitik scheint dies nicht sehen und/oder dies hinnehmen bzw. davor kapitulieren zu wollen. Das entwicklungspolitische Gesamtkonzept des BMZ ist ein Beleg dafür. Das Ministerium verweist auf notwendige Kohärenz mit anderen Politikfeldern. Allerdings ringt die Bundesregierung um Kohärenz im Interesse „der Wirtschaft“ und „der Sicherheit“.

Hinter diesen Begriffen stehen die Herrschenden mit ihren Interessen. Sie lassen sich von den soliden Recherchen verschiedener NGO wenig beeindrucken. Die Linken sollten daher sowohl diese Recherchen für die Arbeit an ihren Konzepten nutzen als auch um strategische Kooperation mit konkreten NGO bemüht sein, diese für politische Bündnisse gewinnen bzw. erhalten wollen.


[1] [4] BMZ: Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

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[…] (EPAs), der Freihandels- und Investitionsabkommen als fromme Wünsche an. Dazu war kürzlich in mehring zu lesen.  Aber die neokolonialen EU-Handelshilfen, die Wirtschaftspartnerschaftsabkommen und die […]