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Der internationale Workshop „Understanding Sustainability Economics. Torwards Pluralism in Economics” naht mit schnellen Schritten.  Ein für seine Vorbereitung eingerichteter Blog wächst und gedeiht. Dort sind u. a. gut illustrierende PowerPointPresentationen zu finden, so von Peter Söderbaum  RLF28October2011SöderbaumIntroductory remarks(1)und Leif Bratt Why neoclassical economics is attractive(1). Im Vorfeld des Workshops wurde bzw. wird zu vier Fragen diskutiert: 1. Ursachen für die Attraktivität der Neoklassik;  2. Herausforderungen, Rollen und Grenzen einer Wirtschaftswissenschaft, die helfen will, Nachhaltigkeit zu realisieren; 3. Möglichkeiten, Hindernisse und Spielräume für Pluralismus in der Wirtschaftswissenschaft – in Forschung und Lehre – Strategien seiner Erlangung, um Wirtschaftswissenschaft pro Nachhaltigkeit zu befördern;  4. Schlussfolgerungen für eine alternative Wirtschaftspolitik.

Dazu hier ein kurzes Diskussionsangebot:

1. Ja, sicher hat z. B. Joachim Spangenberg Recht, wenn er – mit Bezug auf Christian Arnsperger und Yanis Varoufakis – auf den methodologischen Individualismus, den methodologischen Instrumentalismus und das methodologische Gleichgewichts-Axiom verweist. Und selbstverständlich ist Peter Söderbaum sehr zuzustimmen, wenn er den historischen Background der neoklassischen Wirtschaftswissenschaft betont. Dazu gehört, dass nunmehr schon Generationen von Menschen unter den Bedingungen hegemonialen Neoliberalismus aufgewachsen sind, gelernt und studiert haben.

Ergänzend möchte ich auf zwei Umstände verweisen: 1. Das neoliberal geprägte Denken wird noch durch die modernen Informations- und Kommunikationstechnologien befördert. Der Gebrauch des Personalcomputers ist schon so „dazugehörig“, so dass in seiner Funktionslogik gedacht wird – drück ich A, „macht“ der PC das; will ich jenes, muss ich auf B drücken … So werden formale Logik und Eindimensionalität bestärkt. 2. Die Technik ist attraktiv, weil sie uns Zeit spart. Wir sind schließlich unentwegt im Stress, searchen im Internet, sind im Zwang, unsere technische und immaterielle Ausstattung zu vervollkommnen. Auch in der Freizeit spielen wir mit der Technik. Wir kommen nicht dazu, in Ruhe zu denken, sind fasziniert von virtuellen Welten, unserer ökologiefeindlichen Mobilität und unseren Lebensweisen.

Wir sind die Gewinner der Globalisierung – warum sollen wir da die globale Konkurrenz und die sie begleitenden Dogmen in Frage stellen?

2. Wird Nachhaltigkeit ausgehend vom Brundtland-Bericht verstanden und dem Grundprinzip gefolgt, dass immer zuerst und zugleich die Lage der in unseren Gesellschaften und weltweit sozial Schwächsten verbessert, ihre Position gestärkt werden soll, wird deutlich: es geht um Wirtschaftswissenschaft, die gesellschaftspolitisch interveniert. Sie muss helfen, die Interessen an dergestalt verstandener nachhaltiger Entwicklung durchzusetzen. Das heißt, sie muss zugleich zum einen gesellschaftspolitische Kräfteverhältnisse verändern und  zum anderen Wirtschaften verändern helfen – die Ziele des Wirtschaftens, die Art und Weise, wie gewirtschaftet wird. Das heißt, dass Wirtschaftswissenschaft pro Nachhaltigkeit nur als wissenschaftliche und politische Kooperation mit den Akteuren anderer Wissenschaften, sehr verschiedener  Fachpolitiken und politisch um sozial und ökologische Nachhaltigkeit Kämpfenden entwickelt werden kann.

3. Die Möglichkeiten müssen erkämpft werden, denn es geht um die Durchsetzung von Interessen an sozialer und ökologischer Nachhaltigkeit in den Forschungs- und Lehreinrichtungen der Wirtschaftswissenschaft. Es ist zu unterscheiden zwischen Pluralismus in der Wirtschaftswissenschaft im Allgemeinen und Pluralismus in der Wirtschaftswissenschaft pro Nachhaltigkeit. Ersterer kann nur ein Kampfbegriff sein, um in den wirtschaftswissenschaftlichen Einrichtungen überhaupt gehört werden zu können. Das bedeutet keinesfalls, auf die wissenschaftliche und politische Auseinandersetzung mit den anderen Schulen, die politische Konkurrenz um Hegemonie zu verzichten. Der Pluralismus in der Wirtschaftswissenschaft pro Nachhaltigkeit ist zum einen Wettbewerb unter sozial unterschiedlichen Wirtschaftswissenschaftler/innen mit unterschiedlichen politischen Ansichten, Biographien, wissenschaftlichen Schulen und Erfahrungen. Sie führen ihren Wettbewerb um Einsichten und Einfluss auf wissenschaftliche und politische Schlussfolgerungen. Zum anderen ist dieser Pluralismus eine notwendige Folge von Komplexität. Es ist schwer vorstellbar, dass es in unserer komplexen Welt nur eine allgemein anerkannte geschlossene wirtschaftswissenschaftliche Theorie pro Nachhaltigkeit geben könnte, zumal Nachhaltigkeit ein umkämpfter Begriff auch unter den „echten Nachhaltigkeitsanhänger/innen“ ist.

Die Strategien zur Dursetzung von Pluralismus in Forschung und Lehre sind vor allem unterschiedliche politische Aktivitäten von Individuen, informellen und formellen Zusammenschlüssen „in der Wissenschaft“, „in der Lehre“, im kulturellen Bereich, in der sozialen Sphäre, in der offiziellen Politik und in den verschiedenen politischen Auseinandersetzungen.

4. Zunächst ist zu klären, wer was unter „Wirtschaftspolitik“ versteht. Ich verstehe darum das Ringen um die Durchsetzung von Interessen bei der Bestimmung der Ziele von Wirtschaftspolitik, der Organisation und Realisierung gesellschaftlicher Arbeit – der Erschließung von Ressourcen, ihrer Bewegung in der Produktion, Zirkulation, Distribution und Konsumtion. Ferner verstehe ich „sozial und ökologisch nachhaltige Entwicklung“ als gesellschaftliche Entwicklung – wozu die Entwicklung der Wirtschaftssphäre gehört – hin zu einer Gesellschaft der individuell Freien und sozial Gleichen, die solidarisch miteinander und im Einklang mit der Natur leben. Wirtschaftswissenschaftler/innen, die daran mitwirken wollen, müssen sich wie jede Bürgerin und jeder Bürger als politische und so als wirtschaftspolitische Akteure sehen und verhalten. Sie müssen ihr Wissen und ihre Kompetenzen einbringen, um Menschen über wirtschaftliche Zusammenhänge und Stoffwechselprozesse mit der Natur aufzuklären, ihr Denken und Verhalten zu beeinflussen. Das heißt, die Wirtschaftswissenschaftler/innen müssen ihre Wissenschaft betreiben, um politisch und wirtschaftspolitisch pro Nachhaltigkeit zu wirken. Sie müssen dies in Kooperation untereinander und mit Wissenschaftler/innen anderer Fachdisziplinen tun.

Die Wirtschaftspolitiker/innen im engeren Sinne des Wortes müssen ebenso um breite Kooperationen bemüht sein, insbesondere mit den Wirtschaftswissenschaftler/innen pro Nachhaltigkeit. Dabei können sie sich nicht auf eine konkrete Theorietradition stützen, sondern müssen bei jedem konkreten Problem für sich die Frage klären, welche Theorieschule ihnen welche Einsichten und Hilfen liefert und was das für sie bedeutet, wenn sie die sozialen und ökologischen Lebensbedingungen der Menschen, zuerst der sozial und global Schwächsten, demokratisch und solidarisch nachhaltig verbessern wollen. Dabei kann es durchaus möglich sein, dass sie auch in der Neoklassik Detailerklärungen finden, wenngleich sie sich mit den Anhänger/innen der Neoklassik und des Neoliberalismus insgesamt konsequent auseinandersetzen und um die geistig-kulturelle Hegemonie kämpfen.

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