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Griechenland frei zur Plünderung

[1]Während die griechische Regierung mit den größten Privatisierungsankündigungen [2] der Neuzeit Investoren weltweit feuchte Träume beschert und mitteleuropäische Experten die Verfahrenstipps einreichen (Juncker, SPIEGEL: “Treuhand nach deutschem Vorbild [3]“), läßt die FTD einen ihrer Kolumnisten die Wahrheit über die ach so teuren Rettungspakete ausplaudern, an denen wohl niemand mehr verdient als die Bundesregierung selbst:

Für Theatralik sind die Griechen zuständig. Die Deutschen können das allerdings auch – wenn es darum geht zu wehklagen, wie viel der deutsche Steuerzahler noch für Griechenland zahlen muss. Und Abgeordnete im Bundestagsrücksitz meckern, dass sie nicht mehr zustimmen könnten, weil unsere große Hilfsbereitschaft jetzt die Schmerzgrenze erreiche. Das muss so eine Art Phantomschmerz sein. (…) Bei genauerem Hinsehen haben die Deutschen ja nach wie vor nichts bezahlt. Im Gegenteil: Wir kriegen sogar was, und die Krisengewinne werden größer. Vielleicht wäre es fürs allgemeine deutsche Bauchgefühl hilfreich, wenn der Finanzminister seinen Griechengewinn da einfach mal ans Volk ausschüttet, sagen wir, an jeden “Bild”-Leser einzeln. Und die FDP. (…) Die KfW hat im Auftrag der Regierung in den ersten zwölf Monaten 8,4 Mrd. Euro Kredite an Griechenland verkauft. Zu einem flexiblen Zins, der über fünf Prozent liegt, damit ist aktuell die Rendite gut zwei Prozentpunkte höher als auf deutsche Staatsanleihen. Wunderbar: Das macht immerhin schon knapp 500 Mio. Euro Gewinn, die von der KfW nach Abzug üblicher Gebühren an den Bund überwiesen werden. (…) Nimmt man das alles zusammen, ergibt das locker 10 Mrd. Euro Griechenbonus für uns. Selbst wenn Schäuble davon nur die Hälfte rausrücken würde, bekäme jeder “Bild”-Leser mal eben 1700 Euro – direkt vom Griechen sozusagen. (…) Daran ändert auch der Verweis nichts, dass die Deutschen künftig zum Kapital des Rettungsfonds ESM mehr Geld beitragen sollen. Das ist eine reine Vermögensübertragung – kein Geld, das futsch ist. Jetzt werden Sie sagen, dass das alles kippt, wenn der Grieche Pleite macht. Mag sein. Nur machen wir trotzdem bisher Gewinn. Und die Erfahrung lehrt, dass ein Staat wie Deutschland über den Vorrang als Kreditgeber eher gut bei einer Insolvenz wegkommt.“ Die ganze Kolumne in der Financial Times lesen. [4]

Bleibt zu hoffen, dass sich nicht nur die migrantischen [5], sondern alle Menschen in Griechenland weiter mutig wehren [1] gegen diese Ungerechtigkeit.

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3 Kommentare (Öffnen | Schließen)

3 Kommentare Empfänger "Griechenland frei zur Plünderung"

#1 Kommentar von Judith Dellheim am Mai 24, 2011 00000005 3:25 pm 130625075103Di, 24 Mai 2011 15:25:51 +0000

Mit Griechenland wird in Deutschland “Solidarität” weiter reaktionär-nationalistisch umgedeutet: Der Professor für Volkswirtschaft an der Helmut-Schmidt-Universität Dirk Meyer hat per Interview mit EurActiv (13.5.2011) der Kanzlerin wenige Tage vor ihrer nationalistisch-populistischen Rede von Meschede am 17.5.2011 “wissenschaftliche” Argumente geliefert:

Die EU kann keine Vollkaskoversicherung zum Nulltarif bieten. Wenn jetzt griechische Banken, Versicherungskassen und Pensionskassen erheblich von einem Staatsbankrott in Mitleidenschaft gezogen werden, so liegt das in der Natur der Sache. Eine Hilfe durch die EZB für systemrelevante Banken könnte notwendig werden, dann aber nur aus Eigeninteresse der finanzierenden Staaten. …
Wenn wir jetzt die griechischen Pensionsfonds retten würden, würden Rentner profitieren, deren Bezüge von Anfang an gar nicht seriös zu finanzieren waren. Zugleich würde man hier die Zukunftschancen junger Menschen beschränken …
Um es klar zu sagen: Es geht auf der einen Seite um die Kinder der Hartz-IV-Familien, deren Chancen der deutsche Staat dann nicht mehr verbessern kann, was wiederum das deutsche System um Jahrzehnte zurückwirft?”

Die Kanzlerin legte dann – nicht zuletzt Westerwelles Reden vom Februar folgend – nach:

Es geht auch darum, dass man in Ländern wie Griechenland, Spanien, Portugal nicht früher in Rente gehen kann als in Deutschland, sondern dass alle sich auch ein wenig gleich anstrengen – das ist wichtig. Wir können nicht eine Währung haben und der eine kriegt ganz viel Urlaub und der andere ganz wenig.”

Der deutsche Finanzminister Schäuble erklärte einen Tag später beim Brüsseler Wirtschaftsforum am 18.5.2011:

Ja, wir haben zu große Ungleichgewichte zwischen den Staaten. Aber das darf nicht bedeuten, dass die Wettbewerbsfähigkeit der erfolgreichen Länder empfindlich beeinflusst wird. Ja, die Ereignisse haben gezeigt, dass die gemeinsame Währung nicht ohne Solidarität zwischen den Mitgliedsländern überleben kann. Aber diese Solidarität kann nur verhindern, dass die Krise eines Landes zur Krise der Eurozone wird. Ein Mitgliedsland muss bereit sein, mit den Ursachen seiner Probleme selbst fertig zu werden.”

#2 Kommentar von Jens Alsen am Mai 26, 2011 00000005 2:22 pm 130641973902Do, 26 Mai 2011 14:22:19 +0000

anbei eine Position zu Privatisierung, wie ich sie lange nicht in der Mainstreampresse gelesen habe. Jakob Schlandt von der Berliner Zeitung schreibt:

Entgegen der weit verbreiteten Auffassung lohnen sich Privatisierungen für den Staat oft nicht – auch in wirtschaftlicher Hinsicht. Jüngst beschäftigte sich damit zum Beispiel der US-Ökonom John Quiggin in seinem Buch Zombie Economics. Das Problem: Die Verkaufserlöse liegen oft deutlich niedriger als der Wert der Einnahmen, die der Staat in Zukunft erzielen könnte. Auch die vermeintlich höhere Effizienz privater Betreiber kommt häufig nur zustande, weil Löhne gekürzt oder Jobs gar komplett gestrichen werden – dann fehlen dem Staat aber Steuereinnahmen und der Binnenkonsum sowie die Sozialsysteme werden belastet.”

In dem Beitrag finden sich auch Auszüge aus der [15].

#3 Kommentar von Mario Candeias am Mai 31, 2011 00000005 6:11 am 130682227006Di, 31 Mai 2011 06:11:10 +0000

Klaus Staeck schlägt in die gleiche Kerbe:

So verbrennen die Griechen die schönen Euros” oder “Hier bettelt der Grieche um unsere Milliarden”. So hetzt das größte deutsche Massenblatt gegen die vermeintlich geldgierigen “Pleite-Griechen”. Nicht bestimmte Politiker oder Staatsbeamte werden für die Finanzkrise angeprangert, sondern gut elf Millionen Griechen. Bild und viele andere Blätter interessieren sich kaum für die wahren Schuldigen.” [16]