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Mitte April haben die Kalifornische Universität Berkeley und der Rat der Green Growth Leaders, zu dem u. a. Erik Rasmussen und Anthony Giddens gehören, den Bericht „Shaping the Green Growth Economy“ veröffentlicht. Dort werden sechs verschiedene Definitionen[1] von „Grünem Wachstum“ ausgemacht und erklärt, dass „grüne Strategien Wachstum bewirken können“. Die Verfasser/innen definieren „Grünes Wachstum“ als ein Ergebnis, „das einem Transformationssystem erwächst“ (Rasmussen 2011) und ein Wachstum mit sich transformierenden Energiesystemen sein soll: „Die Transformation unserer heutigen emissionsintensiven, wenig effektiven Energiesysteme“ verlange Investitionen und gezielten Umbau. Sie würden Wachstum bedeuten und „die Wirtschaft befähigen, ihre Transformationspotenziale zu entdecken, ihre Möglichkeiten für Wertschöpfung und Wachstum zu mehren. Grünes Wachstum muss daher klären, wie das Grünen des Energie-Sektors zum Wachstumsmotor für die Wirtschaft insgesamt werden kann.“ (S. 5).

Die Green Growth Leader wollen nicht zuletzt den am 8.3. präsentierten „Fahrplan“ der Europäischen Kommission zur kohlenstoffarmen Wirtschaft präzisieren. Dieser setzt auf Fusionsenergie, CCS-Technologien, sichere AKW und erneuerbare Energien, die nicht unbedingt nachhaltig sein müssen. Die GG-Leader wollen gemeinsam mit der Europäischen Kommission über Investitionen und Innovationen die klimaschädlichen Emissionen der EU bis 2050 um 80% reduzieren – aber Faktor 10 ist gefordert!!! -,  Arbeitsplätze schaffen und insbesondere die Exportstruktur der Europäischen Union so verbessern, dass diese an globaler Konkurrenzfähigkeit gewinnt. Sie sagen, dass die „Transformation unserer heutigen Energiesysteme“ von den Märkten, Technologien und Regulationsstrukturen „parallele und komplementäre Veränderungen verlangt, die den Wirtschaften diktieren, wie Energie produziert, verteilt und konsumiert wird.“  (S. 5). Sie orientieren auf neue regenerative-Energie-Quellen, smarte Energienetze und wesentlich effektivere Instrumente sowohl zur Verteilung von Energie als auch zum Management und zur Optimierung des Energieverbrauches. Das sei vergleichbar mit der die Produktivkraftumwälzung durch die Eisenbahn oder das Internet.

Lord Giddens betont, dass es sich hierbei insbesondere um eine soziale Angelegenheit handele, denn es gelte, die „Inhalte in den Mainstream zu bringen“ , weshalb nicht nach „links-oder-rechts“ gefragt werden solle. Allerdings verzichten er und die übrigen GGL auf die Frage nach dem Ressourcen- und Flächenverbrauch ihres „Grünen Wachstums“ und sie „vergessen“ vor allem die Bekämpfung globaler Armut als dringliche Herausforderung.  Dies aber war das Anliegen der UNCTAD, als sie auf Grünes Wachstum in den globalen Armutsregionen drängte und vor Krisen-Sparprogrammen warnte, die die Interessen der global Schwächsten verletzen.

Lord Giddens’ enger Blick auf menschheitliche Existenzprobleme, seine Abgrenzung von den Linken im Ringen um Mehrheiten für „verantwortungsvolle Klimapolitik“, seine Hinweise an die Europäische Kommission für die Umsetzung ihrer Roadmap zur kohlenstoffarmen Gesellschaft sind konsistent, soll es darum gehen, in den globalen Industrieregionen „einen annehmbaren Lebensstil zu erhalten“.

Anthony Giddens verweist wie auch andere GG-Leader, der WBGU und die Europäische Kommission zwar gerne auf Karl Polanyis „The Great Transformation“, um für die „Transformation zur kohlenstoffarmen Wirtschaft Gesellschaft“ bzw. für ökologische Modernisierung zu werben. Allerdings soll dabei die Bewegung von Arbeit, Boden und Währungen nicht von ihrer Marktbestimmung – der Bestimmung durch die an und hinter den Märkten Mächtigsten – befreit werden. Die Macht- und Eigentumsverhältnisse in Bezug auf die  gesellschaftlichen Produktionsmittel sollen nicht verändert werden. Dies aber wäre keinesfalls im Sinne von Polanyi, der eine Gesellschaft ohne kapitalistische Produktionsweise wollte, wofür solche Aussagen stehen wie: „Die persönliche Freiheit muss um jeden Preis bewahrt werden, auch um den Preis der Effizienz in der Produktion, der Wirtschaftlichkeit in der Konsumtion oder der Zweckmäßigkeit in der Verwaltung.“ (Polanyi, 1978, 339) „ … Friede und Freiheit … müssen die erklärten Ziele der Gesellschaft werden, der wir zustreben.“ (Polanyi, 1978, 337)

„Das ergebene Ertragen der gesellschaftlichen Wirklichkeit gibt dem Menschen den unbezwinglichen Mut und die Kraft, alle Ungerechtigkeit und Unfreiheit, die sich beseitigen lassen, zu beseitigen.“ (Polanyi, 1978, 344)

Und so soll hier abgeschließend mit Polanyi gefragt werden, was getan werden kann und muss, damit die Menschheit nachhaltig so in die gesundende Biosphäre eingebettet wird, dass all ihre Mitglieder individuell frei, einander sozial gleich und solidarisch werden?


[1] a) Bekämpfung des Klimawandels durch CO2-Reduktion (IEA), b) Reduzierung der Treibhausgas-Emissionen, Schutz der Ökosysteme, Gesundheitsschutz und Ausbau der Humandienstleistungen (Shafik), c) wie b) zuzüglich anderer Güter (Congressional Budget Office), d) Gesamtheit von a), b), c) plus Reduzierung sämtlicher menschlicher Einwirkungen auf die Natur (Dänische Regierung 2009), e) Umweltschutz realisieren und Wirtschaftswachstum den natürlichen Grenzen anpassen (Daly, OECD, Weltbank), f) Carrying Capacity Rechnung tragen: den dynamischen Grenzen für ein für ein unbegrenztes Wirtschaftswachstum in begrenzten Räumen entsprechen (Arrow) – siehe (Green Growth Leaders 2011, 6)

Polanyi, Karl (1978), The Great Transformation. Politische und ökonomische Ursprünge von Gesellschaften und Wirtschaftssystemen, Frankfurt am Main

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