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Demokratisierung und Gerechtigkeit: Ran an die Rücklagen der Atomkonzerne

[1]Alex Demirović hat recht: Vergesst die Atomkraft, die ist durch, jetzt geht es um die Netze [2]. Und das stellen sich unmittelbar die großen Fragen von Gerechtigkeit und Demokratie. Gerechtigkeit: Ist es gerecht, wenn jetzt die Allgemeinheit per Steuern den großen Energiekonzernen die Fortsetzung ihrer Monopolpolitik im Energiemix minus Atomkraft subventioniert? Demokratie: Ist es demokratisch, wenn die Großen in Wirtschaft und Politik durchsetzen, dass nach der Ära der gigantomanischen Atomkraftwerke jetzt die Ära der gigantomanischen Öko-Kraftwerke mitsamt notwendigem Netzausbau folgt? Die Antwort heißt mit Sicherheit zweimal nein.

Gerecht wäre es hingegen, wenn der für den Atomausstieg notwendige Infrastrukturwandel nicht über Steuern oder den Strompreis, sondern aus den Rücklagen der Atomindustrie finanziert würde. Die vier großen Energiekonzerne bzw. ihr Vorgänger haben in den vergangenen Jahrzehnten insgesamt mehr als 30 Milliarden Euro steuerfrei an Rücklagen bilden können und dürfen das nach dem jüngsten Urteil des EuGH [3] bis heute. Die Antwort auf eine Kleine Anfrage von Mai 2010 [4] enthält den letzten öffentlich bekannten Stand der Rücklagen und viele weitere interessante Informationen und der Bundesrechnungshof [5]monierte [5]gerade vor zwei Wochen [5], “dass keine staatliche Stelle die Höhe der Rückstellungen sachgerecht beurteilen kann.” Über Jahre wurden Milliarden-Gewinne nicht versteuert, sondern als Rücklage deklariert. Das Geld, das über den Strompreis von den Stromverbrauchern aufgebracht wurde, ist eigentlich für die Demontage der Kraftwerke und für die Entsorgung des atomaren Mülls zweckbestimmt. Bisher haben die Konzerne damit beliebige investive Zwecke verfolgt: Die Kernkraftwerksbetreiber setzten es zunächst für den Aufkauf und die Neugründung von Unternehmen außerhalb des angestammten Energiegeschäfts ein. An erster Stelle standen dabei die Bereiche Entsorgung und Telekommunikation. Später konnten sich auf die Milliarden-Rücklagen stützen, um den Aufkauf anderer Energieversorger, die Expansion ins Gasgeschäft und die Festigung ihres Oligopols zu finanzieren. Wesentlich weniger zweckentfremdend wäre dieses Kapital eingesetzt für den Umbau der Energieinfrastruktur an der Schwelle des Atomausstiegs. In der Diskussion um die Kosten der Modernisierung der Stromnetze wabern hohe einstellige Milliardenbeträge durch die Welt – es blieben immer noch Milliarden für Demontage und Endlagerung.

Demokratisch wäre es, wenn vor der ganze Diskussion darum, wer die neuen Netze nun bezahlen muss, vielleicht auch mal darüber diskutiert würde, welche Energie wie wo unter welchen Bedingungen produziert und verbraucht werden soll. Eine linke Position in dieser Debatte wäre eine, die sich für dezentrale, differenzierte, standortspezifische Energiegewinnung stark macht. Ein dezentrales, demokratisches Energieregime würde die Strukturen der Energiewirtschaft so ändern, dass konzernförmiger, profitorientierter Energiemonopolismus unattraktiv und die nur in großem Stil praktizierbare Risikotechnologie Atomkraft de fakto verunmöglicht wäre.

Ein Schritt, um Gerechtigkeit und Demokratie verfahrenstechnisch und institutionell zusammenzubringen, wäre die (Teil-)Enteignung der Konzerne und die Überführung der Rücklagen in einen Atomausstiegs- und Energiestrukturwandelfonds.

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1 Kommentar Empfänger "Demokratisierung und Gerechtigkeit: Ran an die Rücklagen der Atomkonzerne"

#1 Pingback von Soso, die Atomkraft ist also Vergangenheit. Schön wär’s… | anti atom plenum berlin am November 4, 2014 00000011 2:40 am 141506881202Di, 04 Nov 2014 02:40:12 +0000

[…] Hier geht’s also zum Artikel Energiewende? Die Atomkraft ist Vergangenheit, nun geht es um die Netze – hier zum Artikel Demokratisierung und Gerechtigkeit: Ran an die Rücklagen der Atomkonzerne […]