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Von den Schwierigkeiten moralischer Praxis in Zeiten der Krise

[1]Wolfgang Haug zum Fünfundsiebzigsten.

Es war der Sommer des Jahres 1975. Aus Leningrad kommend, wo ich ein erstes Jahr des Philosophiestudiums mit Marx und Sokrates hinter mich gebracht hatte, besuchte ich die Leipziger Universitätsbuchhandlung und kaufte für 12,80 Mark der DDR ein kleines rotes Büchlein – Wolfgang Fritz Haugs »Vorlesungen zur Einführung ins ›Kapital‹«. Noch war Haug von der SED nicht zur Persona non grata erklärt worden, noch waren seine Bücher käuflich, bevor die DDR-Führung weiter an politischer Souveränität verlor. Und so kam ich in Berührung mit dem lebendigen Marxismus jenseits der »Großen Mauer« genauso, wie ich über Evald Il’enkov [2] und Vladimir Bibler [3], Helmut Seidel [4], Lothar Kühne [5] und Dieter Klein [6] vom lebendigem Marxismus diesseits derselben herausgefordert wurde. Den Dank dafür und für alle weitere bereichernde Konfrontation mit diesem Marxismus kann ich nicht abtragen, aber ich bin heute hier, um ihn wie schon vor zehn Jahren öffentlich zu dokumentieren.  Und ich möchte auch im Namen der Rosa-Luxemburg-Stiftung sagen: Das Werk von Wolfgang Fritz Haug und das ständige eingreifende Sprechen und Schreiben von Wolf sind für die Rosa-Luxemburg-Stiftung entscheidende Bezugspunkte einer solidarisch-kritischen sozialistischen Praxis. Die PDS und dann die Rosa-Luxemburg-Stiftung haben das Projekt des Historisch-kritischen Wörterbuchs des Marxismus (das HKWM [7]) seit bald zwanzig Jahren unterstützt und von ihrer Seite dazu beigetragen, die Sicherheit für die Fortführung dieses wichtigsten Projekts des internationalen Marxismus zu schaffen.
In seinem Text »Marx, Ethik und ideologische Formbestimmtheit von Moral« [8] wählt Wolfgang Fritz Haug in Umformulierung einer Pointe von Nietzsche die These: »Der Effekt ist die Moral.« Und er begründet dies so:

»Das Umkämpfte auf diesem Kampffeld ist letztlich die Vergesellschaftung. Im Effekt haftet die Moralform an allem Vergesellschaftungshandeln, ohne dass explizit zwischen der Verständigung über die Gestaltung der je eigenen Verhältnisse und der Sozialisation in die symbolische Ordnung von Herrschaft unterschieden würde. Erst mit dieser Unterscheidungsfähigkeit hebt aber wirkliches Denken auf diesem Gebiet an.«

Diese wenigen Sätze sind ein extrem anspruchsvolles Forschungsprogramm, und Wolf Fritz Haug hat mit vielen seiner Schriften immer wieder versucht, dieses Programm einzulösen. Die heutige Tagung verstehe ich auch als Aufforderung, dazu beizutragen. In diesem Kontext möchte ich in aller gebotenen Kürze über die Schwierigkeiten sprechen, die es gab, in den Augenblicken der Krise der Jahre 2008/09 eine moralische Praxis herzustellen.

Zum Ganzen Beitrag: MBrie Von den Schwierigkeiten moralischer Praxis 2011 [9]

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