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Zum Buvko von Trier

Wer zu solidarischen, sozial und ökologisch nachhaltigen Alternativen in Sachen Verkehr und Mobilität arbeiten und reden will, konnte beim 18. Bundesweiten Umwelt- und VerkehrsKongress (BUVKO) lernen, kommunizieren, Kooperationsbeziehungen knüpfen bzw. festigen. “Grenzen des Verkehrs, Verkehr ohne Grenzen?” war das Motto. Der Kongress bot ein attraktives Programm. Von der kommunikativen Veranstaltungsdramaturgie und dem gekonnten Management konnte viel “abgeguckt” werden. Allerdings war auch erneut zu studieren, wie schwierig es ist, die “Verkehrsproblematik” als von einem spezifischen Vergesellschaftungstyp abgeleitet zu sehen und zu diskutieren. Wenn man gerade dies will, muss man schon vor Ort sein – auch um zu erleben, was von eigenen Auto- bzw. Mobilitätskonferenzen woanders reflektiert oder eben nicht reflektiert wird.

So oder so: das “Trierer Manifest – Verkehrspolitik neu ausrichten” ist nicht nur lesenswert, sondern verdient, als Diskussionsangebot angenommen zu werden. Dass es ausreichend Anlass zum Streiten bietet, illustriert allein folgende Passage: “Wir fordern die Autoindustrie auf, das Modell massenhafter Autoproduktion zu beenden und den forcierten Autoexport in Schwellen- und Entwicklungsländer zu stoppen. Statt dessen muss die Autoindustrie zukunftsfähige Mobilitätskonzepte entwickeln, die die Ineffizienzen und Umwelt-, Klima- und Energieprobleme der Automobilität vermeiden.“

Das wird wohl leider die Automobil-Konzerne kaum beeindrucken. Die sind nirgends konkret thematisiert. Auch Forderungen, die das Manifest in großer Zahl und sehr konkret an “die Politik” adressiert, machen ein streitbares Politikverständnis deutlich.

Das gemeinsame Anliegen der Kongress-Teilnehmer/innen ist, den individuellen und gesellschaftlichen Alltag vernünftiger zu organisieren. Aber eine Auseinandersetzung mit sozialer Ausgrenzung und Ungleichheit, mit gesellschaftlichen Spaltungen, Produktionsweisen, Macht- und Herrschaftsverhältnissen gab es nur sehr vereinzelt und eher recht marginal. Tübingens Verkehrsplaner Tim von Winnig, TÜ-Bus-Aktivist Siegfried Gack, der Trierer Bürgerticket-Protagonist Karl Georg Schroll und der Trierer Professor Heiner Monheim – “BUVKO-Seele vom Dienst” – sind da leider nicht “kongress-typisch”.

Heiner Monheim hatte einst das Semester-Ticket für NRW erstritten und verhandelt. Er thematisierte einerseits Demokratie, Partizipation, Solidarität und das Organising, um Interessen an sozialer Mobilität nachhaltig artikulieren und durchsetzen zu können. Andererseits gehen sicher auf Monheim solch streitbare Manifest-Formulierungen zurück wie “Wir fordern von der Bahnpolitik eine Priorität für kleinteilige Projekte im ganzen Land … Wir fordern von der Straßenpolitik eine Priorität für den stadtverträglichen Umbau kommunaler Straßen … Wir fordern von der Städtebau- und Raumordnungspolitik einen Stopp weiterer Zersiedlung …“

Die Problemursachen und -verursacher müssen ebenso wie die politischen Akteure mit ihren widersprüchlichen und widerstreitenden Interessen benannt sein, soll politischer Druck von unten organisiert werden, um gleichzeitig Verkehrsprobleme zu lösen und Gesellschaft fortschreitend solidarisch, gerecht und ökologisch zu verändern.

Bei der Auseinandersetzung mit dem Großprojekt “Hochmoselübergang”, das auch Gegenstand einer gemeinsamen Aktion war, sprach man im Allgemeinen und Monheim im Besonderen wesentlich genauer. Dabei ging es u. a. um Wahlkampf für grüne Hoffnungsträger/innen.

Interessant sind Überlegungen zu “regionalen Experimentierklauseln”, um in der Kommune und Region die Spielräume für sozial und ökologisch vernünftige ÖPNV-Problemlösungen zu erweitern. Innovativ sind auch die Vorschläge zur Reform der Verkehrsfinanzierung mit den Prioritäten “Regionale und kommunale Ebene stärken, Sparen bei den Fernverkehrs- und Hochgeschwindigkeitsinvestitionen, Mineralölsteuer als zentrales Finanzierungsinstrument umwidmen, Neue Verkehrsfinanzierung für eine postfossile Verkehrswelt“. Dass das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz GVFG als Basis kommunaler  Verkehrsinvestitionen ausläuft, könne helfen, die ÖPNV-Finanzierung grundlegend zu reformieren: mehr Geld für Fuß- und Radverkehr, für öffentlichen Verkehr, für Schnittstellen, für Stadtbegrünung, Wohnumfeldverbesserung und Verkehrsberuhigung, kein Geld für Autoverkehr, Straßen und Parkraum, für Großprojekte. Das neue Verkehrsfinanzierungsgesetz solle folgende Instrumente beinhalten: Verkehrserzeuger- und Versiegelungsabgabe, Nahverkehrsabgabe, Maut als Nutzerfinanzierung nach Verursacherprinzip mit Ökobonuslogik, die BahnCard 100 für alle als breite Nutzerfinanzierung. (Allerdings finden sich unter den Kongress-Teinlnehmer/innen keine Mehrheiten für einen unentgeltlich nutzbaren ÖPNV.)

Dass im Kontext mit den Reformvorschlägen erneut die Widersprüchlichkeiten im Text und Denken erwähnt werden, schmälert nicht die Würdigung des Manifestes, sondern unterstreicht, wie wichtig die politische Orientierung auf partizipative Prozesse bei der Standard-Setzung, bei der Planung und dem Umgang mit öffentlichen Finanzen ist.

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