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Das Katholisch-soziale Institut (KSI) in Bad Honnef bot den Raum für ein übervolles drei-Tage-Programm zum Thema „Eine neue Balance zwischen Geld und Leben. Ethische und ökonomische Grundlagen humaner Gesellschaften“. Christian Felber, Heiner Flassbeck und Sven Giegold garantierten für Informationen aus erster Hand, kompetente Darlegungen, Kurzweiligkeit und Humor. Dass ihnen außergewöhnlich viel Zeit gewährt war, steigerte das ohnehin große Interesse an der Tagung und lässt auf nachhaltige Bildungseffekte hoffen.

Einige wenige Anmerkungen fokussieren auf die Themen „Krise“ und „Lässt uns über Alternativen reden“.

Heiner Flassbeck erinnerte daran, dass der widersprüchliche und kritikwürdige Sarkozy die G20-Spitzen und –FinanzministerInnen zu zielgerichteten Verhandlungen zu zwei weltwirtschaftlichen Kernproblemen drängte: zur Neuregelung des globalen Währungssystems und zur Bekämpfung von Rohstoff-Spekulationen auf den globalen Märkten. Als Kernfragen thematisierte Flassbeck die Einrichtung von Kapitalverkehrskontrollen, die Schaffung einer künstlichen Weltwährung und eines Systems konstanter Wechselkurse, die vierteljährlich anzupassen seien.

So warb Flassbeck dafür, an alle Fragen der Krisen und des Umgangs mit ihnen „global“ heranzugehen. Das gelte auch für die Eurokrise. Allerdings ist seine These: erst müsse sich die Wirtschaft nachhaltig entwickeln, dann könne zu sozial und ökologisch nachhaltiger Entwicklung übergegangen werden, der realen Dramatik und Krisenverquickung nicht angemessen. Auch seine These, Nachfrage und Angebot müssten die Preise regeln, widerspricht den Bedingungen für gesellschaftliche und wirtschafte Reproduktion.

Die Welt stände vor einer neuen Krise, weil auf den globalen und integrierten Märkten weiter spekuliert würde. “Was wir derzeit erleben, ist eine gewaltige, allein finanzmarktgetriebene Rohstoffblase. Irgendwann platzt die, und wir werden sehen, dass wir genauso dumm sind wie vorher.”

Ob Währungen, Nahrungsmittel oder Rohstoffen – immer spekulieren Dieselben. Aber Flassbeck blieb bei „Fonds“ und Banken – die 25 größten Immobilienmakler-Agenturen in den USA gehörten den Banken, die die Häuser-Kredite vergaben. Kapitaloligarchien nannte Flassbeck nicht.

„Die Marktwirtschaft produziert heute unentwegt falsche Preise“ und diese würden miteinander engstens korrelieren. “Die Blasen sind wieder dabei, aufgepustet zu werden, und sobald sich zeigen wird, dass die Weltkonjunktur keinen stabilen Aufschwung hat und vor sich hinstagniert, werden sie wieder platzen.”

Das trifft dann selbstverständlich auch und insbesondere die Europäische Union. Wenn es ein Beispiel dafür gäbe, dass die nationale Politik und die europäischen Institutionen gleichermaßen mit der Eurokrise total überfordert seien, dann sei es der Sprung in Richtung Wirtschaftsregierung, den die deutsche Regierung gemacht habe. Glaubte man zunächst, man könne die Eurokrise aussitzen und mit ein paar Krediten übertünchen, springt man jetzt viel zu weit und will gleich morgen fast alles europäisch vereinheitlichen. Offenbar habe man noch immer nicht verstanden, wie eine Währungsunion funktioniere: indem eine einheitliche Inflationsrate auf Dauer durchgesetzt würde, wofür es eines politischen Willens bedürfe. Aber: in Deutschland sei die Inflationsrate seit Beginn der Währungsunion pro Jahr nur wenig, um gut 0,8 % (nimmt man als Maß den Deflator des privaten Konsums) gestiegen, in den südeuropäischen Ländern weit stärker mit 2 ¾ %. Beides sei ein eklatanter Verstoß gegen das von allen Ländern gemeinsam getragene Ziel einer Preissteigerungsrate von etwas unter 2 Prozent.

Dieses zehn Jahre anhaltende Auseinanderlaufen der Preise habe dramatische Folgen: Ausgedrückt in Euro, seien heute die Preise in Deutschland verglichen mit dem Beginn der Eurozeit viel niedriger als in Spanien oder Portugal oder Italien. Wer aber dauernd teurer anbietet, würde zurückfallen gegenüber dem billigen Anbieter und müsse sich verschulden, um die Güter des billigen Anbieters kaufen zu können. Deswegen hätten die Südländer gewaltige Defizite in ihrer Außenhandelsbilanz und Deutschland habe riesige Überschüsse.

„Wenn Deutschland und Frankreich jetzt gemeinsam vorschlagen, alle sollten der deutschen Linie folgen, ist das dreifach unsinnig.“ Erstens, würde die Inflationsrate dann insgesamt deutlich unter zwei Prozent liegen und sich einer Situation der Deflation nähern. Die aber könne die Zentralbank praktisch kaum bekämpfen kann, denn sie könne die Zinsen nicht unter Null senken. Zweitens, könne die Anpassung der anderen Länder an die deutsche Linie nicht die große Lücke beseitigen, die sich in den vergangenen zehn Jahren aufgetan hat. Die müsse aber vollständig weg, wenn man die Eurokrise ernsthaft beenden wolle, weil nur dann die anderen Länder eine realistische Chance hätten, auf einen Wachstumspfad zurückzukehren und ihre Schulden abzubauen. Drittens, wenn Deutschland jetzt die anderen im Euroraum dazu drängt, ähnlich wettbewerbsfähig wie es selbst zu werden, müsse das zu Lasten der Wettbewerbsfähigkeit im Rest der Welt gehen. Deswegen würde auch im Rahmen der G 20 nichts härter diskutiert als die großen internationalen Handelsungleichgewichte.

Wenn ganz Europa den deutschen Weg gehen wolle, müsse früher oder später der Euro kräftig aufwerten und der Wettbewerbsvorteil würde wieder verschwinden.

Würden in Deutschland in den nächsten zehn Jahren die Preise stärker steigen, in den Süd-Ländern aber weniger, könnte es einen Ausgleich bei der Wettbewerbsfähigkeit geben und der Euroraum könnte zugleich sein Inflationsziel von zwei Prozent erreichen. Das gehe aber nur bei steigenden Löhnen in Deutschland. Könnten sich also in Deutschland Regierung und Tarifpartner auf eine solche Strategie einigen, wäre mit einer stetig steigenden Binnennachfrage zu rechnen, die den weniger steigenden Export ausgleichen würde. So entstünde eine win-win-Konstellation für Europa.

Christian Felber entwickelt, was vernünftig sei und schlägt die Entschuldung von Staaten in der EU mit dem Geld derer vor, die so viel davon haben, dass sie nichts anderes damit anzufangen wissen als zu spekulieren. Allerdings benennt Felber diese nur abstrakt und schon gar nicht benennt er konkrete Machtverhältnisse zwischen konkreten gesellschaftlichen Akteuren.

Die EZB solle für die Staatsanleihen aller EU-Staaten garantieren. Dadurch würde die Spekulation auf Staatsbankrotte augenblicklich verschwinden. In den Genuss der EZB-Garantie solle allerdings nur kommen, wer sich an einer EU-weiten Steuerkooperation beteilige. Diese könne sich aus einer Finanztransaktionssteuer, einer progressiven Vermögenssteuer sowie einer Mindestkörperschaftssteuer zusammensetzen. Das Institut für Höhere Studien habe errechnet, dass eine Finanztransaktionssteuer von nur 0,1% ein EU-weites Aufkommen von 270 Milliarden Euro brächte. Zum Vergleich: Das EU-Budget beläuft sich aktuell auf 125 Milliarden Euro. Vermögenssteuern könnten jährlich EU-weit mehrere hundert Milliarden einbringen.

Die Vermögenden würden sich selbst über Steuern die Kredite zurückzahlen, die sie den Staaten borgten. Das Vermögen sei in solchem Übermaß vorhanden, dass die zehn Prozent Reichsten diesen “Beitrag” kaum bemerken würden.

Das kann sich Sven Giegold schon vorstellen, denn wie Felber entwickelt und vertritt er nicht zuletzt (einige) Attac-Positionen. Er demonstrierte, wie in der EU-Richtlinien technisch regulieren sollen, was man als Problem aus Rücksichtnahme auf herrschende Interessen nicht angreifen wolle. Das gelte für die Ratingagentur-Verordnung, die Reformen der Eigenkapitalrichtlinie, die Alternative Fonds Manager Richtlinie. Hinzu kommen die schwierigen Abstimmungsprozesse in der Europäischen Union und die Macht der Lobbyisten. So habe das Europäische Parlament Vorschläge der Europäischen Kommission zur Finanzmarktregulierung verschärft, aber der Europäische Rat habe dann vereinbart, was weicher als die Vorschläge der Kommission sei. Es fehle an wirksamer europäischer Zivilgesellschaft. Deshalb habe er gemeinsam mit anderen Abgeordneten die Initiative zur Finance Watch ergriffen, die im April die Arbeit aufnehmen soll.

Im Ergebnis der Finanzmarktkrise seien vier neue Behörden eingerichtet worden: die Europäische Bankenaufsichtsbehörde (London), die Europäische Versicherungsaufsichtsbehörde (Frankfurt), die Europäische Börsen- und Wertpapieraufsichtsbehörde (Paris), der Europäische Rat für Systemstabilität (Frankfurt). Aber die Finanzmärkte seien nicht notwendig geschrumpft worden. Gebraucht würde eine Diskussion darüber, was Finanzmärkte leisten sollen.

Ein Beispiel zur Problemillustration: Am 19. Januar 2011 hat die EU-Kommission ihren Richtlinienvorschlag „Omnibus II“ vorgestellt. Die Richtlinie setzt die neue Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswirtschaft (EIOPA) und den Lissabon-Vertrag in der Versicherungsregulierung um. Die EU-Kommission versuche durch die Hintertür, die Umsetzung der beschlossenen europäischen Versicherungsregulierungen für bis zu 10 Jahre auszusetzen und zwar ohne Beteiligung der Parlamente. Wieso aber sollen die Banken nach der Finanzkrise härter reguliert werden als die Versicherer? “Eine Debatte über einen Rettungsfonds für Versicherungen ist dringend notwendig.”

Allerdings nannte Sven keine Kriterien für sinnvolle Marktregulierung und auch seine Kritik an Flassbecks „ökologischem Nachholebedarf“ verriet nicht, wie Finanzmarktregulierung mit ökologischer Vernunft verknüpft werden könne.

Dies alles bestärkt Christian Felber darin, eine grundsätzliche „Alternative zu kapitalistischer Markt- und zu zentralisierter Planwirtschaft“ zu entwickeln und zu erproben: „die Gemeinwohl-Ökonomie“. Für diese wäre typisch: “Erstens: Die Anreizweichen auf dem Markt müssen von Gewinnstreben und Konkurrenz auf Kooperation und Gemeinwohlstreben umgestellt werden. Weiters müssen die Ungleichheiten begrenzt werden, zum Beispiel auf das 20-fache bei den Einkommen oder zehn Millionen Euro Privatvermögen. Der Finanzsektor muss reguliert, Geld zu einem öffentlichen Gut werden. Tiefe Demokratisierung aller Lebensbereiche, von betrieblicher Mitbestimmung über Gemeinschaftsgüter (etwa demokratische Bahn, Post und Bank) bis zu direkter Demokratie.”

Seine Schlussfolgerung: “Bewusstsein für das Ganze entwickeln und die Bereitschaft zum persönlichen Beitrag. Und uns trauen, unsere Vision zu artikulieren. Dann kämen wir drauf, dass die meisten Menschen dasselbe ersehnen! Zweitens müssen sich diese Menschen zu sozialen Bewegungen zusammenschließen. Zusammen können sie die Wirtschaft humanisieren.“ Schließlich sei der „Glaube an die eigene Ohnmacht der Kern der Macht der herrschenden Eliten. Wir müssen uns die Freiheit nehmen, unser Leben selbst zu gestalten. Wenn wir im Kopf konsequent Nein zu Profit, Zins, Konkurrenz und globalen Konzernen sagen und Ja zu Kooperation, Demokratie, Nachhaltigkeit und Gemeinwohl, dann ändert sich die Welt. Der Einzelne hat alle Macht, wir müssen nur die Angst davor ablegen!“

Das klingt logisch und überzeugend, aber geht von einem recht einfachen Gesellschaftsverständnis aus, das von Strukturen, Herrschafts- und Machtverhältnissen abstrahiert.

Felbers mit einem Kreis von Unternehmern ausgearbeitete Modell der Gemeinwohl-Ökonomie versucht, Widersprüche aufzulösen, indem es „zentrale Systemweichen umstellt und das Streben der individuellen ökonomischen Akteure vom vorrangigen Eigennutz auf den Vorrang des Gemeinwohls ‚umpolt’. Das Gemeinwohl soll … zum Zweck der wirtschaftlichen Privatinitiative werden, die das Wohl des Einzelnen einschließt.“ Die „erste Systemweiche“, die dabei umgestellt würde, sei „das Verständnis von unternehmerischem „Erfolg“: Dieser sollte nicht länger mit Finanzgewinn gleichgesetzt werden, sondern als „größtmöglicher Beitrag zum allgemeinen Wohl“ verstanden werden. Operativ ginge das in drei Schritten: „Gemeinwohlverhalten muss erstens in wesentlichen Punkten definiert, zweitens gemessen, drittens belohnt werden.“

Dass Felber dafür reale Schritte gehen will, zeigt sein konzeptionelles und praktisches Engagement für eine „Demokratische Bank“ , die zu den Wurzeln und zum Kerngeschäft des Bankwesens zurückkehrt. „Sie spekuliert nicht und strebt keine Gewinne für die Eigentümer an, sondern die Mehrung des Gemeinwohls. Alle Menschen können mitbestimmende Mitglieder werden.“ Dafür gäbe es bereits über 2500 Unterstützer/innen und mehr als 150 in acht Arbeitsgruppen Aktive.

Sehen wir uns dies doch mal im Rahmen von „Lasst uns über Alternativen reden“ an, hoffen auf Erfolg für Felber und Co. und auch auf gemeinsame Lernprozesse.

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